Das Wiener Kino Schikaneder gilt zusammen mit seiner Schwester, dem Top-Kino, als Treffpunkt der linksliberalen Kunst- und Kulturszene. Eine Veranstaltung der ÖVP ebendort sorgt für Empörung.

Foto: Robert Newald

Wien – Es zählt zu den traditionsreichsten Kinos der Bundeshauptstadt, hat schon über hundert Jahre auf dem Buckel und befindet sich gerade inmitten eines der größten Shitstorms seiner Geschichte: das Schikaneder. Wie man da genau reingeraten ist, ist den Betreibern selbst nicht ganz klar. Der Hintergrund: Für Dienstagabend plant die junge Volkspartei Wien (JVP Wien) ihren traditionellen "Neumitgliederempfang" in den Räumlichkeiten des Kinos, zu dem auch eine kleine Bar gehört.

Nicht nur für die Volkspartei, sondern auch für viele Stammgäste ist die Veranstaltung im Schikaneder eine Premiere, denn der linke Ruf des Kinos zieht üblicherweise alternatives Publikum an. Das kleine Programmkino ist neben den kostenlosen "Tatort"-Ausstrahlungen sonntagabends auch für das Menschenrechtsfestival "This Human World" bekannt.

Vorwurf: Bühne für rechte Politik

Viele Stammgäste, die sich gerade erst an die Neuauflage der schwarz-blauen Regierung gewöhnen müssen, fühlen sich von der Gastfreundschaft gegenüber der Volkspartei vor den Kopf gestoßen und organisieren deshalb unter dem Motto "Freiraum zurück" eine Kundgebung samt musikalischen Darbietungen direkt vor dem Lokal.

Der politische Charakter der JVP-Veranstaltung hält sich in Grenzen. Auf der Tagesordnung steht die Begrüßung der im letzten Jahr neu dazugestoßenen Mitglieder, die Prämierung des "Newcomers des Jahres" sowie der "Bezirkskampagne des Jahres". Was dort genau passiert, ist für die Kritiker aber ohnehin zweitrangig: Man verstehe nicht, warum Vertretern einer rückwärtsgewandten Politik überhaupt eine Bühne geboten werde, wird auf der Facebook-Seite des Kinos kommentiert.

Er könne die Aufregung durchaus "teilweise nachvollziehen", sagt Schikaneder-Geschäftsführer Johannes Wegenstein dem STANDARD. Die Demonstration empfindet er nicht als überzogen: "Wir leben schließlich in brisanten Zeiten." Das Schikaneder sei immer als Kulturort wahrgenommen worden, der sich gegen die vorherrschende Machtpolitik stelle. Und das soll auch so bleiben, wenn es nach dem Geschäftsführer geht.

Die Veranstaltung selbst sei durch einen Kommunikationsfehler zustande gekommen – normalerweise wolle man keine dezidiert parteipolitischen Veranstaltungen im Haus. Absagen will man den Empfang trotzdem nicht mehr. "Ich ziehe mich jetzt bestimmt nicht aus der Affäre", sagt Wegenstein. Diesen Pluralismus müsse auch das Schikaneder aushalten, findet Wegenstein, der von anonymen Anrufern berichtet, die ihm den Tod wünschen würden: "Ich nehme das nicht ernst."

Er selbst werde auf jeden Fall bei der Protestveranstaltung vorbeischauen, kündigt der Geschäftsführer an. "Im besten Fall kommen beide Gruppen miteinander ins Gespräch – auch wenn es ein Streitgespräch sein sollte."

Verhärtete Fronten

Diese Hoffnung dürfte enttäuscht werden: "Wir wollen bloß unsere Ruhe haben", sagt der Landesobmann der JVP Wien, Nico Marchetti, dem STANDARD. Einem Dialog stehe man prinzipiell offen gegenüber, "aber nicht morgen". Als Provokation sei die Auswahl des Veranstaltungsortes nicht gedacht gewesen, sagt Marchetti. (Vanessa Gaigg, 8.1.2018)