Justizminister Josef Moser (ÖVP) stößt mit seinem Vorhaben zur Eindämmung der Gesetzesflut derzeit auf wenig Gegenliebe.

Foto: Karl Schöndorfer TOPP

Wien – Es klingt nach einer kolossalen Reform, die der Justizminister da plant: Alle Gesetze des Zivil-, Straf- und Verwaltungsrechts, die älter als 18 Jahre alt sind, sollen mit einem Streich aufgehoben werden – so will es die neue Regierung. Das Strafgesetzbuch wäre dann außer Kraft, das Allgemeine bürgerliche Gesetz perdu. Das hat der ehemalige Rechnungshofpräsident und Neo-Minister Josef Moser (ÖVP) aber freilich nicht vor mit seinem Ansinnen. Die Ministerien würden vorher jene Regelungen melden, die beibehalten werden sollen. Moser versichert: Brauchbare Gesetze gehen nicht verloren. Was bleibt also von der ersten türkis-blauen Deregulierungsoffensive?

"Es ist ein richtiger Schritt, um ein ästhetisches Rechtsproblem zu beheben, aber erwarten darf man sich davon nichts", sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer.

Bürger würden "nichts merken"

Zuvor hatten mehrere Rechtsexperten teils schwere Bedenken formuliert. Von "unabsehbaren Folgen" war die Rede, wenn flächendeckend Gesetze gelöscht würden. Mayer sieht das entspannter: Es gebe natürlich Rechtsvorschriften – etwa solche betreffend Kriegsopfer -, die man irgendwann nicht mehr braucht und die "ein gesundes Rechtssystem irgendwann ausscheiden sollte". Allerdings: "Die Verwaltung wird dadurch nicht entlastet, und die Bürger werden keinen Unterschied merken, wenn es ein Gesetz nicht mehr gibt, das längst nicht mehr angewendet wurde."

Darüber hinaus rät der Verfassungsexperte der Politik, weniger neue Deregulierungsmaßnahmen zu erfinden, als bestehende einzuhalten: Aus dem Jahr 1979 gebe es eine "legistische Richtlinie", in der ganz klar geregelt sei, wie Gesetze vorbereitet, formuliert und gestaltet sein sollten und wie weiter vorzugehen ist. "Es hält sich überwiegend nur keiner daran", sagt Mayer.

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Einmal von der propagandistischen Wirkung des politischen Paukenschlages, Gesetze und Verordnungen des Bundes aufzuheben, abgesehen, greift Moser im Grunde – wie auch Mayer andeutet – auf längst laufende Reformen zurück. Denn schon in den letzten Legislaturperioden wurden auf Bundes- wie auf Landesebene laufend Gesetzesevaluierungen initiiert. Zuletzt hatte auch die Vorgängerregierung ein Deregulierungsgesetz 2017 beschlossen.

"Durch mehr befristete Gesetze und eine systematische Durchforstung gesetzlicher Bestimmungen auf ihre Notwendigkeit (...) soll die Zahl der gesetzlichen Vorschriften insgesamt reduziert und damit die Bürokratie verringert werden", heißt es darin. Demnach sollen neue Gesetze nur erlassen werden, wenn sie "notwendig und zeitgemäß" sind, sie sollen zudem "nach Möglichkeit" befristet erlassen und vor Verlängerung evaluiert werden.

"Marketing-Show"

Auch die angedachte Verpflichtung, vor Erlass neuer Gesetze deren Notwendigkeit zu prüfen, steht schon längst im Gesetzesrang – eingeführt mit dem Deregulierungsgesetz 2001. Damals wurde auch festgelegt, dass EU-Richtlinien "nicht ohne Grund" national "übererfüllt" werden sollen.

Wissend, dass das Thema Deregulierung eigentlich ein alter Hut ist, schickte das Justizministerium am Montag noch rasch eine Aussendung nach: Bei dem Deregulierungsvorhaben von Minister Moser handle es sich "um keine Premiere", wurde eingeräumt.

Die FPÖ hatte das Deregulierungsgesetz 2017 übrigens noch scharf kritisiert. Der damalige FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger ätzte: "Das ist Teil fünf der 'Marketing-Show' der Bundesregierung – die Regulierung der Regulierung der Deregulierung." Auch der Rechtsexperte Mayer hält diese Vorschriften für überflüssig: "Eine erste sinnvolle Deregulierungsmaßnahme wäre die Aufhebung des letzten Deregulierungsgesetzes." (Katharina Mittelstaedt, Walter Müller, 8.1.2018)