Im Jahr 2016 wurden in Österreich bereits mehr als zehn Milliarden Euro für Familienleistungen aufgewendet, mit dem Familienbonus wird diese Summe weiter ansteigen.

Foto: Corn

Wien – Eines der ersten Vorhaben der Regierung ist der neue Familienbonus. Für diese Steuerentlastung nimmt Türkis-Blau rund 1,2 Milliarden Euro in die Hand. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war sich nach dem Ministerrat am Mittwoch sicher, dass "niemand schlechter aussteigt". Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) war es wichtig zu betonen, dass man damit "österreichische Familien" entlaste.

Seit Wochen hat die neue Regierung den sogenannten Familienbonus beworben – am Mittwoch wurde er im Ministerrat beschlossen.
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Nach anhaltender Kritik soll es jetzt auch eine Entlastung für Geringverdiener geben und zwar in Form eines höheren Alleinerzieher- und Alleinverdienerabsetzbetrages. Der STANDARD hat die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema gesammelt:

Frage: Die Regierung hat am Mittwoch den neuen Familienbonus beschlossen. Wie viel wird bisher für Familienpolitik ausgegeben?

Antwort: Laut einer Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) wurden im Jahr 2016 rund zehn Milliarden Euro für Familienleistungen aufgewendet. Pro Kind entspricht das jährlich 6.000 Euro. Seit Beginn des Jahrtausends sind die Ausgaben real, also unter Berücksichtigung der Inflation, um fast ein Viertel gestiegen.

Frage: Ist das im internationalen Vergleich viel?

Antwort: Mit einem Anteil der Familienleistungen von 2,9 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) liegt man zwar über dem OECD-Durchschnitt, aber unter dem Durchschnitt der westeuropäischen EU-Staaten. Traditionell stark ausgeprägt sind in Österreich die Geldleistungen, wobei aber in den vergangenen Jahren die Ausgaben für Kinderbetreuungsplätze stark gestiegen sind. Zuletzt flossen in diesen Bereich schon 2,1 Milliarden Euro.

Frage: Wie funktioniert der Familienbonus?

Antwort: Er reduziert direkt die Steuerschuld. Pro Kind, das unter 18 ist, werden 1.500 Euro angerechnet. Geplant ist eine unbürokratische Lösung, die weitgehend automatisiert erfolgen soll. Der konkrete Gesetzesentwurf wird aber erst in den kommenden Monaten erstellt.

Frage: Was passiert mit bisherigen Steuererleichterungen?

Antwort: Der bisherige Kinderfreibetrag von 440 Euro (bei Paaren 600 Euro) und der Betreuungsfreibetrag von maximal 2.300 Euro pro Kind werden gestrichen. Diese Freibeträge haben aber nicht 1:1 die Steuerschuld, sondern nur die Steuerbemessungsgrundlage reduziert.

Frage: Können auch Zuwanderer oder anerkannte Flüchtlinge vom Bonus profitieren?

Antwort: Natürlich, jeder Mensch, der in Österreich steuerpflichtig ist, hat Anspruch, sofern das Einkommen so hoch ist, dass tatsächlich Steuern anfallen. Zur Orientierung: Ab einem Bruttomonatseinkommen von ungefähr 1.250 Euro zahlt man Steuern. Das Kind oder die Kinder müssen allerdings in Österreich leben. Für jene 132.000 Kinder, die im EU- oder EWR-Ausland leben, gibt es folglich keine Entlastung.

Frage: Wie viel kostet der Familienbonus und ab wann gilt er?

Antwort: Der Beschluss soll im Sommer fallen, in Kraft treten soll das Gesetz Anfang 2019. Der Familienbonus kostet 1,5 Milliarden Euro, durch den Wegfall der erwähnten Freibeträge sinken die effektiven Mehrkosten aber auf 1,2 Milliarden Euro.

Frage: Wie viele Personen profitieren?

Antwort: Das Finanzressort geht davon aus, dass etwa 700.000 Familien mit 1,2 Millionen Kindern ganz oder zumindest teilweise vom Familienbonus profitieren. Für etwa 500.000 Kinder besteht kein Anspruch.

Frage: Wie hoch ist die Ersparnis im Schnitt?

Antwort: Bei 700.000 profitierenden Haushalten läge die durchschnittliche Ersparnis bei 2.143 Euro jährlich. Es kommt aber natürlich stark auf die Familienkonstellation und die Einkommensverhältnisse an. Geplant ist ein sogenannter Optimierungsansatz. Was damit gemeint ist: Es soll immer die Steuerlast so reduziert werden, dass der Bonus bestmöglich ausgenutzt werden kann.

Zwei Beispiele des Finanzministeriums dazu: Ein Alleinverdiener mit einem Kind und einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.500 Euro wird pro Jahr um 1.346 Euro entlastet. Das zweite Beispiel bezieht sich auf eine Familie mit zwei Kindern. Ein Partner verdient brutto 3.500 Euro, der oder die zweite 1.200 Euro. Die Entlastung macht dann 2.630 Euro pro Jahr aus – und zwar für den Partner mit dem höheren Einkommen.

Frage: Den Bonus kann also immer nur ein Partner pro Haushalt nutzen?

Antwort: Zunächst hieß es in Verhandlerkreisen, dass es wohl in diese Richtung gehen werde. Am Mittwoch erklärte Finanzminister Löger aber, man werde die Möglichkeit bieten, den Bonus zwischen den Partnern aufzuteilen.

Frage: Was sagen Experten?

Antwort: "Aus Verteilungssicht ist diese Maßnahme grundsätzlich positiv zu beurteilen", meint Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller. Sie sieht aber ein "anreiztheoretisches Problem". Da der Bonus die Haushaltseinkommen erhöht, würden die Arbeitsanreize für die Mütter in der Regel gedämpft. In diese Richtung argumentieren auch die Proponentinnen des Frauenvolksbegehrens. Man solle es lieber Frauen leichter machen, arbeiten zu gehen, und daher das Geld besser in den Ausbau sowie die Qualitätssteigerung der außerfamiliären Kinderbetreuung stecken.

Florian Wakolbinger von der Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsforschung hielte es zwar auch für sinnvoller, mehr Gelder in die Kinderbetreuung zu stecken, als "das Füllhorn über sehr gut verdienende Familien auszuleeren, die das gar nicht brauchen". Große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erwartet er aber nicht, höchstens im Bereich der geringfügig beschäftigten Frauen.

Frage: Jene, die zwar arbeiten, aber zu wenig verdienen, um Steuern zu zahlen, fallen um?

Antwort: Grundsätzlich ja. Mehr als 100 Prozent Entlastung gehe nicht, sagte Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zunächst im STANDARD-Interview. Das wurde von SPÖ und der Liste Pilz auch wiederholt kritisiert. Zuletzt lenkte Löger aber insofern ein, als es für 60.000 Alleinerzieher mit niedrigem Einkommen – in der Regel Frauen – nun doch eine Sonderregelung geben soll.

Geplant ist nun, Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag zu erhöhen, wobei die genaue Höhe noch Gegenstand von Verhandlungen ist, erklärte Löger am Mittwoch vor dem Ministerrat. Auch für Über-18-Jährige werde es eine Lösung geben. Für Studenten sei ein reduzierter Familienbonus in Höhe von 500 Euro angedacht, hieß es.

Wifo-Expertin Schratzenstaller würde hingegen eine "Verbindung mit einem Negativsteuerelement", also eine Steuergutschrift, begrüßen. Sie hielte es auch für sinnvoll, die Steuerbegünstigung an den Nachweis zu koppeln, dass tatsächlich Ausgaben für Betreuung beziehungsweise Bildungsmaßnahmen angefallen sind. Der Volkswirt Wakolbinger resümiert: "Es wird wieder auf eine Einzelmaßnahme gesetzt, anstelle sich das Gesamtsystem der Umverteilung anzuschauen." (Peter Mayr, Günther Oswald, 10.1.2018)