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Die Bevölkerung wünsche sich eine restriktive Asylpolitik, und er will sie so schnell wie möglich liefern: Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) will Asylwerber "konzentriert" an einem Ort halten, damit die Verfahren schneller bearbeitet werden können. Außerdem solle es bald möglich sein, auf Geodaten der Asylwerber zuzugreifen und Altersfeststellungen vermehrt anzufordern.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Die Zahl der Asylanträge geht in Österreich weiter stark zurück. Nachdem die Zahl der Anträge 2016 bereits um 52,4 Prozent gegenüber 2015 zurückgegangen war – in diesem Jahr kamen mehr als 80.000 Flüchtlinge nach Österreich –, gab es auch 2017 ein Minus: 24.296 Anträge wurden gestellt, 43 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Jahresbilanz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde am Donnerstag von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Bundeamtsdirektor Wolfgang Taucher vorgestellt.

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Mit den Zahlen ist auch der Innenminister zufrieden. Es sei ihm eine große Freude und auch ein persönliches Anliegen, sagte Kickl. "Die Bevölkerung hatte ab dem Jahr 2015 zu Recht das Gefühl, dass es im Bereich Asyl Probleme gibt." Es handle sich deshalb nicht nur um eine Bilanz, sondern auch um eine Vorschau auf das Jahr 2018. Das Anliegen der Bevölkerung sei eine restriktivere Asylpolitik, und daran werde bereits gearbeitet. Relativ rasch solle beispielsweise der Zugriff auf Handydaten von Asylwerbern kommen, die Aufregung darüber sei unbegründet: "Es geht ja nicht darum, Gesprächsverkehr oder SMS auszulesen. Wir wissen, dass das verfassungsrechtlich problematisch ist. Uns interessieren natürlich die Geodaten. Hier arbeiten wir bereits an Lösungen", sagte Kickl.

Flüchtlinge "konzentriert" an einem Ort

Eine Neuregelung brauche es auch bei der Grundversorgung – nämlich Zentren, in denen Asylwerber gesammelt untergebracht werden sollen. Kickl spricht von "Grundversorgungszentren". Die Aufregung über das Thema könne er nicht verstehen. "Nicht jeder Ort, an dem viele Menschen zusammenleben, ist ein Massenquartier. Sonst wäre Alt-Erlaa ja auch eines." Diejenigen, die auf ein Asylverfahren warten, "konzentriert" an einem Ort zu halten, solle dafür sorgen, dass sich die Verfahren verkürzen. Denn: "Es geht darum, Solidarität von den Menschen, die kommen, einzufordern. Österreich ist solidarisch." Dass er ausgerechnet das Wort "konzentriert" verwendet (wegen des Anklangs an die NS-Konzentrationslager, Anm.), sei keine Provokation. "Schon diesen Vorwurf kann man als Provokation werten", sagt er auf Nachfragen der Journalisten.

Konkrete Vorschläge zu den Zentren seien erst in Ausarbeitung, man werde auf jeden Fall den Kontakt zu den Bundesländern suchen. Die Abwicklung solle jedenfalls "eine hoheitliche Aufgabe sein", externe, gewinnorientierte Organisationen wolle er nicht damit betrauen. Und die Kosten? Auch das prüfe man durch Experten.

Kritik von Opposition und Ländern

Heftige Kritik für die Wortwahl kam unter anderem von den Neos und den Grünen. Neos-Asylsprecherin Steffi Krisper zeigte sich "entsetzt": "Dass dem für seine Wortspiele und Reime so bekannten Innenminister so eine Formulierung schlicht passiert, kann ich beim besten Willen nicht glauben. Es wirkt eher, als ob es sich – wie ja schon oft gesehen – um eine bewusst gesetzte Provokation handelt, die dann im Anschluss nur halbherzig zurückgewiesen wird. Ich erwarte mir hier vom Innenminister eine echte und glaubwürdige Entschuldigung."

"Bis hierher und nicht weiter, Herr Kickl!", richtete Maria Vassilakou (Grüne) dem blauen Minister per Aussendung aus. "Diese bewusste Formulierung schürt nicht nur Angst in der Bevölkerung, sondern ist ein unerträgliches Spiel mit der dunkelsten Zeit unserer Geschichte. Kickl hat heute eine Grenze überschritten. Ich verwehre mich dagegen, dass sich die Sprache des Nationalsozialismus durch die Hintertür in unser Denken und Fühlen einschleicht."

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher wertete den Sager als unsäglich und als "Ablenkungsmanöver vom Arbeiterverrat".

Aufregung gab es auch in den Ländern: Laut dem oberösterreichischen Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) wolle Kickl "ganz offensichtlich die Integration von Asylwerbenden und damit das gute Miteinander zerstören". Ein "Nein zu geplanten Massenquartieren" kam auch aus Kärnten.

Altersfeststellung soll öfter zum Einsatz kommen

Restriktiver zugehen soll es auch bei der Altersfeststellung, Kickl gehe es hier um "Ehrlichkeit": "Damit es zu keinen Verzögerungen in den Verfahren kommt, sind genaue Überprüfungen wünschenswert. Nicht alle Angaben entsprechen den Tatsachen." 2017 gab es 1.751 Asylanträge von Minderjährigen. Im Zweifelsfall – und das seien laut Taucher fast 80 Prozent – seien Untersuchungen zur Altersfeststellung angefordert worden. Bei etwa 40 Prozent sei die Volljährigkeit festgestellt worden. Kritiker halten die Methoden allerdings nicht für wissenschaftlich exakt und verweisen auf eine Schwankungsbreite von zwei Jahren. Außerdem gebe es unterschiedliche Ergebnisse je nachdem, ob diese Gutachten in Wien, Graz oder Linz erstellt werden.

Heimaturlaube sollen Statusverlust bedeuten

Missbrauch sieht Kickl außerdem beim Thema der Heimaturlaube. Er kann sich vorstellen, dass die Reise in ein Gebiet, in dem man angeblich nicht sicher ist, zum Verlust des Asylstatus führen soll. Selbiges solle auch möglich werden, wenn es eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung gebe. Kickl nennt hier den Fall von Tschetschenen, die in Wien mit Gewalt gegen Polizisten aufgefallen sind.

Nein zu EU-Quote

Einer gesamteuropäischen Quotenregelung stehe man nicht positiv gegenübe, "denn das würde zu einem einheitlichem europäischem Asylverfahren führen. Dadurch geben wir Steuerungsverfahren aus der Hand."

Angesichts der rückläufigen Asylanträge und des Plus bei den Rückkehrern – sind die restriktiven Maßnahmen, die laut Kickl möglichst rasch umgesetzt werden sollen, überhaupt notwendig? Laut BFA-Direktor würden diese in keinem Verhältnis zu den Anträgen stehen. Man interessiere sich für möglichst rasche Verfahren und begrüße daher jede Maßnahme, die das sicherstelle und die Arbeit der Behörde vereinfache.

Die meisten Anträge stellten Syrer – bei dieser Gruppe gab es mit 92 Prozent auch die meisten schutzgewährenden Entscheidungen. Afghanistan (33 Prozent schutzgewährende Entscheidungen), Pakistan (zwei Prozent schutzgewährende Entscheidungen) und der Irak (32 Prozent schutzgewährende Entscheidungen) folgen bei den Antragszahlen.

Erstmals mehrheitlich negative Entscheidungen

Der zweite Trend betrifft die Entscheidungen: "Wir sehen eine klare Trendumkehr von überwiegend schutzgewährenden zu überwiegend negativen Entscheidungen", sagt Taucher. 2017 wurde in 25.604 Fällen Schutz gewährt, in 27.736 Fällen gab es eine negative Entscheidung. Im Vergleich zu 2016 bedeutet das einen Rückgang der positiven Entscheidungen um acht Prozent und eine Steigerung der negativen Entscheidungen von 37 Prozent. Für Taucher war das teilweise überraschend. Die Gründe sieht er in gemischten Migrationsströmen, die nicht nur Schutzbedürftige beinhalten.

Taucher ist mit der Jahresbilanz durchaus zufrieden: "Wir gehen mit großen Schritten Richtung Normalzustand." 80 Prozent der Anträge seit 2015 seien bereits abgearbeitet, den Rückstand habe man also halbieren können. 30.000 Verfahren sind noch offen. Das Ziel sei deswegen klar: "Wir wollen diesen Weg fortsetzen, jeden Monat tausende Verfahren abbauen. Bis Ende Mai wollen wir die laufenden Verfahren auf 15.000 reduzieren, das entspricht dann dem, was die Behörde in dieser Größe gut abarbeiten kann." Auch die durchschnittliche Verfahrensdauer habe man senken können, momentan liege man bei 6,6 Monaten.

Fokus auf das Thema "Rückkehr"

Die negativen Entscheidungen zeigen auch Auswirkungen auf die Gerichte, sagt Taucher. "Eine Zunahme an Verfahren für das Bundesverwaltungsgericht werden wir auch dieses Jahr sehen." Seine Behörde müsse sich deswegen "danach richten und rüsten", mehr Ressourcen in das Thema der Rückkehr zu stecken. Das soll im zweiten Halbjahr passieren, wenn die Ziele bei der Abarbeitung von Verfahren eingehalten werden können. Seit 2017 gibt es bereits eine eigene zuständige Stelle im Bundesamt – das Referat "Rückkehrvorbereitung".

Bei den Ausreisen gab es 2017 ein Plus: Knapp 12.000 Außerlandesbringungen bedeuten eine Steigerung um elf Prozent gegenüber 2016. Dabei seien die freiwilligen Ausreisen zurückgegangen, die zwangsweisen Ausreisen stiegen dafür um 41 Prozent. 83 Charter per Flug und Bus in 18 Destinationen wurden organisiert – der höchste Wert seit Bestehen des Amts. Die meisten Rückkehrer kamen 2017 aus Nigeria, Serbien, dem Irak, Afghanistan und der Russischen Föderation. Die Sonderaktion der freiwilligen Rückkehr, die mit 1.000 Euro belohnt wird, sei ein Erfolg gewesen: 1.793 Bewilligungen habe es gegeben. (lhag, APA, 11.1.2018)