Das Forschungsteam beobachtete migrierende Nervenzellen in lebenden Zebrafisch-Embryonen.

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Einige Botenstoffe im Gehirn entscheiden nicht nur über unsere Stimmungslage, Gedächtnisleistung oder Bewegungskoordination, sie sind auch an der Bildung des Gehirns während der Embryonalentwicklung beteiligt. Diese speziellen Neurotransmitter kontrollieren die Wanderung der Nervenzellen und können ihre Geschwindigkeit beeinflussen. Zu diesem Forschungsergebnis kommen Neurobiologen von der Technischen Universität Braunschweig.

Die Wirkung verschiedener Botenstoffe auf das Gehirn von Erwachsenen, etwa bei der Kommunikation von Nervenzellen, ist gut untersucht. Über den Einfluss der so genannten Neurotransmitter im embryonalen Gehirn ist weniger bekannt.

Wanderung von Nervenzellen

Nervenzellen müssen bei der Entwicklung des Klein- und Hinterhirns zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Ort ihrer Entstehung zum Ort ihrer Wirkung aktiv migrieren. Auf dieser Wanderung durch das embryonale Gehirn bilden sich die Zellen um und werden zu funktionellen Neuronen. "Zunächst war nicht klar, ob die Neurotransmitter bei der Migration, bei der Differenzierung oder bei der Ausformung der nerven-typischen Zellgestalt eine Rolle spielen könnten", erklärt Studienleiterin Ulrike Theisen.

Die Forscher näherten sich dieser Frage mit genetischen Methoden und optischen Analyseverfahren. Mithilfe eines minimalinvasiven, modernen Mikroskopieverfahrens konnten migrierende Nervenzellen unter verschiedenen Testbedingungen in lebenden Zebrafisch-Embryonen beobachtet werden. Sie eigenen sich besonders als Tiermodell für das menschliche Nervensystem. Da die Fische durchsichtig sind, können die Neuronen während der Migration gut beobachtet werden, ohne den Embryo zu beeinträchtigen.

Mit Hilfe von neuen genetischen Sensoren konnten die Wissenschafter zunächst eine erhöhte intrazelluläre Calcium-Konzentration der Neuronen sichtbar machen, eine Reaktion der Zellen auf die Neurotransmitter. Anschließend identifizierten sie die beteiligten Neurotransmitter, indem die Neuronen bei ihrer Wanderung gefilmt und die Bewegung vermessen wurde.

Neurotransmitter regeln Geschwindigkeit

Durch die Analyse der Gewebeänderung auf Grund des Embryonenwachstums ermittelten die Forscher zudem die Geschwindigkeit der Neuronen. Sie stellten fest, dass die Botenstoffe nur die Geschwindigkeit, aber nicht die Richtung der Wanderung beeinflussen. Allerdings beeinflussen einige Neurotransmitter nur in bestimmten Bereichen des Klein- und Hinterhirns die Geschwindigkeit.

Sie sind entweder als Beschleuniger oder Bremser aktiv. "Wie im Straßenverkehr können wir für das Kleinhirn eine Karte mit einzelnen Geschwindigkeitsabschnitten erstellen, die durch Neurotransmitter gesteuert werden. So werden Nervenzellen in der Nähe ihres Zielortes wie in einer 30er-Zone abgebremst", erklärt Reinhard Köster, Co-Autor der Studie.

Die gewonnenen Ergebniosse sollen nun zum weiteren Verständnis der grundlegenden Abläufe der individuellen Gehirnentwicklung beitragen. "Das ist umso wichtiger, als beim Menschen Störungen in der Nervenzell-Migration zu schweren neurologischen Erkrankungen und psychischen Beeinträchtigungen führen können", erklärt Schnabel. Wie diese Signale nun in das Zellinnere auf die Beweglichkeit der Zellen übertragen wird, ist die nächste Frage, der sich die Wissenschafter stellen wollen. (red, 25.01.2018)