Spekulationsverluste bei Wohnbaugeld und Aufdeckungsarbeit bei der Pröll-Privatstiftung sind bei den Wählern kein Renner – doch Helga Krismer will sich ihre Bilanz "nicht kleinreden lassen".

Foto: matthias cremer

STANDARD: Sie präsentieren Ihre Kandidaten in einem Video, verkleidet als "Star Wars"-Charaktere. Muss man in Niederösterreich peinlich sein, um aufzufallen?

Krismer: Wenn man in Niederösterreich mit 700.000 Euro einen Wahlkampf führt, braucht man, was ich in unseren Schulen gerne hätte: Kreativität und Teamgeist. Wir haben ganz klare grüne Botschaften mit Personen verbunden: Kontrolle, 365-Euro-Ticket, Zwei-Klassen-Medizin, Digitalisierung. Das ist sehr gut angekommen.

STANDARD: Angeblich prüft Disney deshalb eine Urheberrechtsklage. Schon Post bekommen?

Krismer: Bisher nicht. Wenn die ÖVP uns Raubkopie unterstellt, macht sie das, was sie anderen vorwirft: andere anpatzen. Wir sind uns keiner Schuld bewusst.

STANDARD: Die Ausgangslage war für die Grünen in Niederösterreich schon einfacher – auch weil Sie der Bundespartei Geld zuschießen mussten. Wie groß ist das Risiko, dass Sie aus dem Landtag fliegen?

Krismer: Ich mag Herausforderungen und bin es gewohnt zu kämpfen. Grün ist wichtiger als je zuvor.

STANDARD: Aber die Gefahr, dass nur ÖVP, SPÖ und FPÖ im Landtag und gleichzeitig in der Landesregierung vertreten sind, besteht?

Krismer: Ich vertraue den Niederösterreichern, dass wir am 29. Jänner fix wissen: Die drei kontrollieren sich nicht selbst, sondern es gibt eine starke Oppositionskraft, die die Zukunftsthemen anpackt. Das werden die Grünen sein.

STANDARD: Hoffen Sie, dass Leute nach dem Schock bei der Nationalratswahl wieder Grün wählen?

Krismer: Menschen wählen da oder dort strategisch, das haben Sie auch bei der Nationalratswahl gemacht. Ich muss um jede Stimme in Niederösterreich kämpfen, im positiven Sinn. Es ist kein Selbstzweck, dass die Grünen dort vertreten sind. Ich will Kontrolle, dass der öffentliche Verkehr ausgebaut und günstig wird. Und ich möchte, dass wir die Klimakrise anpacken. Das wird ohne die Grünen nicht möglich sein.

Mit der Forderung nach einem Glyphosat-Verbot sieht Krismer die Grünen "am Puls der Zeit".
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STANDARD: Sie treten gegen Glyphosat auf – dagegen ist auf Landesebene nicht viel zu tun.

Krismer: Ich habe vor Jahren gegen gentechnisch veränderten Futtermittel im Land gekämpft. Da hat die ÖVP gesagt: Das geht nicht, wegen Brüssel und so weiter. Ich hatte dann viele Sitzungen mit den Niederösterreichischen Molkereien – deren Marketingabteilung wusste, dass die Konsumenten das jetzt wollen. Heute sind wir wieder am Puls der Zeit: Niemand will etwas essen, das den Boden kaputtmacht. Daher ist es möglich, Niederösterreich, das größte Agrarbundesland, zur glyphosatfreien Zone zu machen. Wenn die ÖVP mitspielt: Denn österreichische Agrarpolitik ist made by Niederösterreichischer Bauernbund.

STANDARD: Die Landesregierung will die U-Bahn ins Wiener Umland verlängern ... warum lachen Sie?

Krismer: Das ist mittlerweile der Running Gag bei den ÖVP-Programmen zum öffentlichen Verkehr. Damit gehen sie seit vielen Wahlen hausieren. Das ist lächerlich. Wenn herauskommt, dass eine Verlängerung bis Klosterneuburg toll ist: Bitte, ich bin die letzte, die sich gegen ein Öffi-Projekt wehrt. Viel dringender ist der Ausbau von S-Bahnen und das Reaktivieren von Schienen, statt sie herauszureißen wie im Ybbstal.

STANDARD: Sie setzten 2013 auf das Thema Spekulationsverluste bei Wohnbaugeldern, diesmal geht es um die Pröll-Privatstiftung. Das bewegt im Land nicht gerade. Greifen Sie Themen auf, die wichtig sind, aber keine Stimmen bringen?

Krismer: Die wichtigen Themen sind: Mobilität – da haben wir ein Angebot. Kinderbetreuung – wir wollen Gratiskindergarten am Nachmittag. Arbeitsplätze für Menschen über 50. So zu tun, als wären wir nicht bei den täglichen Notwendigkeiten – das stimmt nicht. Wenn ich die Stiftung anspreche, will ich darauf hinweisen: ÖVP, SPÖ und FPÖ – alle haben einen Blankoscheck abgenickt. Das geht nicht. Hätten die Grünen bei den Spekulationsverlusten keinen Wirbel gemacht, gebe es heute keine klaren Richtlinien. Diese Bilanz lasse ich mir nicht kleinreden. Ich will genau diese Kontrolle weiter ausüben.

STANDARD: Im Vorjahr erfuhren Sie viel Häme, weil Sie ein Verbot von feuchtem Toilettenpapier forderten – obwohl alle, die damit zu tun haben, wissen, dass das in den Kläranlagen tatsächlich ein Problem darstellt. Ein Marketingproblem?

Krismer: Ein Bürger ist mit diesem Anliegen an uns herangetreten, und ich habe den Antrag gerne eingebracht. Mir ist nichts zu blöd, was Menschen draußen bewegt. Vielleicht ist das unser Markenzeichen, aber dazu stehe ich.

Krismer zu ihren Chancen bei der Wahl: "2,7 Prozent haben in Niederösterreich am 15. Oktober Grün gewählt. Ich kann ja nicht so tun, als wäre nichts passiert."
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STANDARD: Ab der nächsten Legislaturperiode haben kleine Fraktionen mehr Rechte im Landtag. Sie könnten dann etwa, mit ihrer aktuellen Mandatsstärke, Anträge stellen. Das müsste Sie doch freuen.

Krismer: Die Landeshauptfrau schnürt gern Pakete, auch das Demokratiepaket war schön verpackt. Aber drinnen war nicht sehr viel. Ja, man kann mit vier Abgeordneten einen Antrag stellen. Aber der Untersuchungsausschuss wird vom ÖVP-Landtagspräsidenten geleitet. Dem Rechungshofausschuss sitzen ebenfalls die Regierungsparteien vor. Sie kontrollieren sich selbst, und sie untersuchen sich selbst.

STANDARD: Ihr Basisziel lautet: Einzug in den Landtag. Dafür brauchen Sie vier Prozent, bei der letzten Wahl hatten Sie acht.

Krismer: 2,7 Prozent haben in Niederösterreich am 15. Oktober Grün gewählt. Ich kann ja nicht so tun, als wäre nichts passiert. Die Wähler müssen sich entscheiden, ob sie ein Land wollen, wo drei Parteien die Regierung stellen – und sie sich sicher sein können, dass es einen Gegenspieler gibt. (Sebastian Fellner, 12.1.2018)