Einmal Lichtdusche bitte: Im Winter leidet das Gehirn an einem Helligkeitsdefizit – vor allem die ewig grauen Tage drücken die Stimmung.

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Licht ist derzeit Mangelware. An den grauen Tagen bekommt der Körper zu wenig Helles. Das verwirrt die innere Uhr, denn das Licht wirkt über die Augen wie ein Zeitgeber, der die biologischen Rhythmen im Körper miteinander synchronisiert. Als Reaktion schleicht sich bei manchen der "Winterblues" ein: Die Stimmung kippt, der Hunger auf Kohlehydrate steigt, und Phasen der Müdigkeit häufen sich auch tagsüber.

Wissenschafter interpretieren dies als eine normale Reaktion des Körpers auf die Jahreszeit. Bei etwa jedem 50. Österreicher wird aus dem Winterblues eine Winterdepression, oft mit ausgeprägter Antriebslosigkeit, die behandlungsbedürftig ist. Im AKH in Wien öffnet in der dunklen Jahreszeit eine eigene Ambulanz für Herbst-Winter-Depressionen. Die Nachfrage besteht, rund 200 Patienten werden dort jedes Jahr betreut.

Innere Uhr aus dem Lot

Mit etwas Disziplin lässt sich die innere Uhr aber wieder in Takt bringen. Häufig reicht schon täglich ein halbstündiger Spaziergang in den Morgenstunden. "Auch bei einer Winterdepression können Spaziergänge im Freien bei sonnigem Wetter im Sinne einer natürlichen Lichttherapie hilfreich sein", erklärt der Psychiater Dietmar Winkler vom AKH Wien. Zusätzlich solle man auch auf einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus und körperliche Aktivität achten sowie sich öfters mal "etwas Gutes tun".

Doch nicht jeder hat Zeit und Lust auf morgendliches Walking. Mittlerweile ist belegt, dass sich das Lichtdefizit auch durch tägliche Sitzungen vor einer künstlichen Lichtquelle ausgleichen lässt.

"In kontrollierten Studien zeigte die Lichttherapie eine gute Wirksamkeit auch bei bereits vorhandener saisonaler Depression", sagt Winkler. Symptome besserten sich rascher als mit Antidepressiva, bei jedem Zweiten mit Winterdepression kann auf die Gabe von Tabletten verzichtet werden. "Ob eine Lichttherapie auch prophylaktisch wirkt, ist jedoch noch nicht belegt."

Lampe an

Damit die Lichttherapie funktioniert, braucht es eine geeignete Lampe und die richtige Anwendung. Kriterien dafür hat das unabhängige Center for Environmental Therapeutics zusammengestellt. Demnach sollte die Lampe eine Lichtstärke von mindestens 7.000, besser 10.000 Lux einfachen weißen Lichts abgeben und die UV-Strahlung komplett herausfiltern. Je höher die Lichtstärke, umso geringer ist der Zeitaufwand, denn: "Je schwächer die Beleuchtungsstärke des Gerätes ist, umso länger sollte man sich davorsetzen", sagt Winkler. Praktisch ist es, wenn die Lampe so einstellbar ist, dass das Licht von schräg oben kommt: So kann der Patient in kurzer Distanz vor der Lichtquelle sitzen und trotzdem lesen, schreiben oder frühstücken, ohne geblendet zu sein.

Die Therapie erfolgt in den eigenen vier Wänden, geeignete Geräte gibt es im Fachhandel, etwa von Philips, Beurer, Medisana oder Lumie, ab etwa 80 Euro. Viele Geräte nutzen herkömmliche Leuchtmittel, langsam setzt sich die LED auch bei den Therapielampen durch. LEDs lassen sich zwar nicht auswechseln, die Hersteller versprechen aber 10.000 Stunden Betrieb.

Zu empfehlen sind zudem Lampen mit einem größeren Schirm. Sie produzieren die gewünschte Lichtstärke auch in einigem Abstand. Unbedingt wichtig für die Wirkung der Lichttherapie ist es, in der Bedienungsanleitung der Lampe nachzulesen, in welcher Entfernung zur Lampe noch 10.000 Lux beim Auge ankommen. Schon wenige Zentimeter mehr Abstand zur Lampe können die Wirkung verringern. Kleinere Lampen sind zwar leichter zu transportieren und produzieren je nach Modell auch 10.000 Lux, aber dafür brauchen sie eine größere Helligkeit oder man muss sich direkt davorsetzen. Beides ist nicht nur unpraktisch, sondern kann auch zu Schwindel oder Kopfschmerzen führen.

Konsequent sein

Zu welcher Zeit am Tag die Lichttherapie am besten wirkt, ist individuell unterschiedlich. Die meisten Lichthungrigen setzen sich morgens für 30 Minuten davor. Wer jedoch abends recht früh müde wird und sehr früh aufwacht, kann seine Lichtdusche auch auf den Nachmittag verlegen. Das Center for Environment bietet Online-Tests, um die persönliche beste Tageszeit und Dauer der Lichttherapie herauszufinden.

Wichtig ist, dass die Therapie regelmäßig und täglich zur gleichen Zeit durchgeführt wird. Bei manchen setzt die Linderung nach wenigen Tagen ein. "Bei der Winterdepression dauert es meist fünf oder sechs Tage, bis eine Wirkung zu spüren ist", sagt Winkler.

Für den abgeschwächten Winterblues reicht auch eine zeitweise Lichttherapie aus. Wenn ein guter Zustand erreicht ist, kann man wieder damit aufhören, oft genügt dies sogar für den Rest der Saison. Und wer für die künstliche Lichtdusche mal keine Lust oder zwischendurch Zeit hat, kann auch mit der natürlichen Variante abwechseln und einen morgendlichen Spaziergang unternehmen. "Bei der Winterdepression muss die Lichttherapie jedoch täglich über die ganze Saison durchgeführt werden", sagt Winkler.

Richtig angewendet sind Nebenwirkungen selten: Irritationen der Augen, Reizbarkeit, Kopfschmerzen oder Übelkeit lassen nach wenigen Tagen nach. Besteht eine Netzhauterkrankung sollte vorher der Augenarzt befragt werden. Manche Herzmedikamente, Allergiemittel, Entzündungshemmer oder Antidepressiva können die Lichtempfindlichkeit der Haut erhöhen und vor der Lampe zu einem Sonnenbrand führen. (Andreas Grote, 12.1.2018)