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Auch am Wochenende ...

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... wurde in Tunis demonstriert.

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Tunis/Wien – Statt getragener Feiern gab es Krisentreffen: Auf den Tag genau sieben Jahre nach der Revolution gegen Präsident Ben Ali muss sich Tunesiens Regierung selbst mit massiven Protesten herumschlagen. Nach tagelangen Ausschreitungen versuchte die Regierung am Sonntag, die Demonstranten durch Entgegenkommen zu versöhnen. Sozialminister Mohammed Trabelsi kündigte an, die Kinderbeihilfen für bedürftige Familien von rund 50 auf etwa 65 Euro zu erhöhen. Zudem will Tunis Garantien für Mieter übernehmen, die sich kurzfristig die Wohnungsraten nicht leisten können.

Abseits davon setzte Präsident Beji Caid Essebsi auch auf Symbole. Der seit 2014 amtierende Politiker wollte erstmals seit seiner Wahl das sozial benachteiligte Hauptstadtviertel Ettadhamen besuchen, dort eine Rede halten und ein Kulturzentrum eröffnen. Ob sich die Bewegung Fesh Nestanew? (Worauf warten wir?) davon besänftigen lassen würde, war allerdings nicht klar. Jedenfalls hatte die via Facebook dezentral organisierte Antiausteritätsbewegung auch am Sonntag zu neuen Protesten gerufen. Sie fordert von der Koalitionsregierung aus säkularer Nidaa Tounes und gemäßigt-islamischer Ennahda, ihr Sparprogramm für das Jahr 2018 rückgängig zu machen.

Premier ortet Verschwörung

Das Paket, das Tunis auf Drängen des Internationalen Währungsfonds IWF geschnürt hatte, sieht einen Anstieg der Mehrwertsteuer und eine Rücknahme von Subventionen vor, was besonders angesichts des Jubiläums des Arabischen Frühlings einen schmerzenden Nerv in der tunesischen Bevölkerung getroffen hatte. Denn sieben Jahre nach dem Umsturz hat sich die wirtschaftliche Situation für viele vor allem junge Tunesierinnen und Tunesier kaum gebessert. Die Arbeitslosigkeit in diesem Gesellschaftssegment liegt offiziell bei rund 30 Prozent. Der Tourismus ist nach Terroranschlägen vor rund drei Jahren fast vollständig zusammengebrochen.

Die Regierung hatte zunächst mit harter Hand auf die Ausschreitungen reagiert, bei denen es auch zu Gewalt gegen die Polizei und zu Plünderungen gekommen war. Mindestens 800 Menschen wurden binnen einer Woche verhaftet. Präsident Essebsi hatte außerdem Auslandsmedien vorgeworfen, die Kundgebungen zu verstärken. Premier Youssef Chahed witterte wiederum eine Verschwörung mafiöser Kreise gegen sein Antikorruptionsprogramm. Wegen des Polizeiaufgebots bei den Protesten gab es anderswo Unsicherheit: In Djerba, wo nicht demonstriert wurde, beschädigten mutmaßliche Extremisten vergangene Woche eine jüdische Schule. (Manuel Escher, 14.1.2018)