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Das Uno-Flüchtlingshilfswerk betreut im Westjordanland, Jordanien, Syrien, Gaza und dem Libanon fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge, die diesen Status teilweise bereits seit 70 Jahren haben.

Foto: Reuters / Mohamad Torokman

Die Zukunft von Abdallah und Obaidah beginnt mithilfe von Spenden aus dem Ausland. Die neugeborenen Zwillinge werden heute im UNRWA-Ärztezentrum im Flüchtlingslager Amari nahe Ramallah geimpft. Das Geld für die Behandlung kommt von Gebern wie den USA, der EU und Saudi-Arabien. Denn Abdallah und Obaidah sind vor einem Monat als Flüchtlinge im Westjordanland auf die Welt gekommen. Ihre Großeltern mussten im Zuge des Unabhängigkeitskrieges 1948 das 20 Kilometer entfernte Jerusalem verlassen. Seither ist die Familie eine Flüchtlingsfamilie.

Großmutter Nariman Totah ist besorgt: "Ohne das UNRWA könnten wir uns die Behandlungen niemals leisten." Viele Menschen hier fragen sich, wie es weitergehen wird, seit vor fast zwei Wochen US-Präsident Donald Trump auf Twitter die Zahlungen an die Palästinenser infrage gestellt hat. UN-Botschafterin Nikki Haley war dann konkreter geworden: Die USA wollten die Hilfen einstellen, bis die Palästinenser "an den Verhandlungstisch zurückkehrten" – auch jene Gelder, die an das UNRWA fließen. Das sind jährlich über 300 Millionen Dollar (250 Millionen Euro) und damit ein Viertel des Budgets des UN-Hilfswerks. Ein Teil der Zahlungen für 2018 wurde laut Medienberichten bereits zurückgehalten.

Sorge um humanitäre Lage

In einem internen Papier des israelischen Außenministeriums, das vergangene Woche an die Öffentlichkeit gelangte, wurde von einer möglichen Katastrophe und einer Verschlechterung der humanitären Situation, vor allem im Gazastreifen, gewarnt. Mehr als fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge – ob in Jordanien, Syrien, Gaza, im Libanon oder Westjordanland – sind von der Organisation abhängig: von den 150 Kliniken, den 700 Schulen und zehntausenden Arbeitsplätzen. Allein in den palästinensischen Gebieten ist das UNRWA nach eigenen Angaben drittgrößter Arbeitgeber. Vor allem im von der Hamas beherrschten Gazastreifen ist die Lage prekär, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 40 Prozent.

Kritiker sehen allerdings nicht ein, warum Neugeborene wie Abdullah und Obaidah 70 Jahre nach der Flucht der Großeltern noch den Flüchtlingsstatus erhalten. "Trump mag ein merkwürdiger Kerl sein, aber nicht alles, was er tut, ist automatisch schlecht", sagt Efraim Karsh, Direktor des Begin-Sadat-Centers für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv. "Keine andere Flüchtlingsgruppe auf der Welt hat eine eigens für sie eingerichtete Organisation." Allen anderen Flüchtlingen hilft das UNHCR.

Ein Provisorium seit 70 Jahren

Ursprünglich wollte man die Arbeit des UNRWA zeitlich begrenzen. Doch der Konflikt zog sich in die Länge, die Flüchtlingsfrage blieb ungeklärt, die Organisation wuchs. "Der Mangel an Handlungsbereitschaft führt dazu, dass es das UNRWA seit 70 Jahren gibt", erklärt UNRWA-Generalkommissar Pierre Krähenbühl.

Kritiker wie Efraim Karsh sehen das anders: "Das UNRWA hat kein Interesse, das Problem zu lösen. Sie will zeigen, dass es weiterhin Gründe für ihre Existenz gibt. Und die Führung der Palästinenser und der arabischen Staaten nutzen die Flüchtlinge seit Jahrzehnten als politisches Instrument mit der Forderung, dass sie in das heutige Israel zurückkehren."

Tatsächlich fühlen sich viele Flüchtlinge noch immer nur als Gast auf Zeit. "Jerusalem ist mein Zuhause", erzählt Nariman Totah. Selbst in den UNRWA-Schulen lernen die Kinder, woher sie eigentlich kommen: aus Ramle Jerusalem oder Tiret Dandan – Orte, die sie nie gesehen haben, die teilweise nicht mehr existieren.

Keine politische Lösung

War das Lager Amari einst von Feldern umgeben, grenzt es heute direkt an die Stadt Al-Bireh. Zelte und Hütten sind längst Häusern gewichen. Als der Platz enger wurde, haben die Menschen mit einfachsten Mitteln ein, zwei Stockwerke auf die Häuser gesetzt. Denn aus den einst 700.000 Flüchtlingen sind mittlerweile mehr als fünf Millionen geworden – Amari beherbergt rund 6.000.

"Aus Sicht der palästinensischen Autonomiebehörde will man keine Verantwortung für die Flüchtlinge übernehmen, weil das eine der Hauptfragen der Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts ist", erklärt UNRWA-Generalkommissar Pierre Krähenbühl. "Und sie können es auch kaum, weil der Großteil unter Besatzung lebt." Solange es keine politische Lösung gebe, müssten die Flüchtlinge weiter unterstützt werden. Sonst, warnt Krähenbühl, könnten neue Flüchtlingsströme Richtung Europa drohen. (Lissy Kaufmann aus Amari, 15.1.2018)