Die größte Ebolavirus-Epidemie endete im Jahr 2016 und forderte mehr als 11.000 Todesopfer.

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Eine Forschungsgruppe europäischer Wissenschafter hofft das gefährliche Ebola-Virus stoppen zu können. Es soll daran gehindert werden, ein Enzym der befallenen Zellen für eigene Zwecke zu missbrauchen. Ebola löst eine lebensbedrohliche Fiebererkrankung aus, die meist zum Tode führt. "Die größte bekannte Ebolavirus-Epidemie endete im Jahr 2016 in Westafrika, nachdem sie mehr als 11.000 Todesopfer gefordert hatte", sagt der Virologe Stephan Becker von der Philipps-Universität Marburg, "bislang gibt es kein Heilmittel gegen den Erreger".

In einem Projekt des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung tat sich Beckers Arbeitsgruppe mit Zellbiologen und Biochemikern aus Dänemark und Irland zusammen, um diese Forschungslücke zu schließen. Die Studie eröffnet neue Möglichkeiten, das Ebolafieber zu behandeln, indem sie ein Zielmolekül identifiziert, an dem künftige Therapeutika ansetzen könnten.

Kidnapping von Enzymen

Das vireneigene Protein VP30 nimmt eine Schlüsselstellung in der Vermehrung von Ebolaviren ein: Je nachdem, in welcher chemischen Form das Protein vorliegt, fördert es entweder die Vermehrung des gesamten Virenerbguts oder sorgt dafür, dass die einzelnen Virengene abgelesen werden, damit die Genprodukte in Proteine übersetzt werden.

Das Umschalten von der einen Funktion auf die andere erfolgt, indem sich chemische Anhängsel an bestimmte Stellen von VP30 anheften; bei diesen Anhängseln handelt es sich um Phosphatgruppen. Sind die Schlüsselstellen von VP30 dephosphoryliert, also phosphatfrei, werden andere Virusfunktionen aktiviert, als wenn diese Stellen besetzt sind. Eine Dephosphorylierung bezeichnet die enzymatisch katalysierte Spaltung einer Phosphat- oder Pyrophosphat-Gruppe von einem Phosphoprotein.

Doch wer ist dafür verantwortlich, die Anhängsel anzubringen und wieder zu entfernen? Das war bislang unbekannt. Becker und sein Team zeigen nun, dass die Dephosphorylierung ausgerechnet von einem Enzym der befallenen Wirtszelle besorgt wird, einer Phosphatase mit dem Namen PP2A-B56. Becker spricht vom "Kidnapping" des Enzyms durch das Virus. Man könnte auch an eine Zwangsverheiratung denken, bei der sich ein weiteres Virusprotein als Kuppler beteiligt: Das Nukleoprotein NP. Das Nukleoprotein verkuppelt die Phosphatase des Wirts und das Zielmolekül VP30, indem es die beiden in räumlicher Nähe zueinander platziert. Für die zwei Partner gibt es hierfür Kontaktstellen auf dem Nukleoprotein, die einander benachbart liegen. Beide Partner passen zu ihrer Kontaktstelle auf dem Nukleoprotein wie ein Stecker zur Steckdose.

Molekularer Doppelgänger

Die Wissenschafter führten Experimente durch, um zu zeigen, wie die Dephosphorylierung vor sich geht: Das Forschungsteam erzeugte einen molekularen Doppelgänger, der ebensogut in die Andockstelle der Phosphatase passt wie das Nukleoprotein. Der Doppelgänger verdrängt das Nukleoprotein; dadurch kommt es zur Trennung der Zwangspartner VP30 und PP2A-B56. Mit diesem Manöver verhindern die Forscher, dass das Wirtsenzym die Phosphat-Anhängsel vom Virusprotein VP30 entfernt. Wie die experimentellen Ergebnisse belegen, vermehrt sich das Virus in diesem Fall schlechter, als wenn VP30 mit der Wirts-Phosphatase in Kontakt kommt.

Je mehr Phosphatase-Hemmstoff man einsetzt, desto weniger Genprodukte erzeugt das Virus; dadurch wird die Virenvermehrung stark herabgesetzt. "Unsere Befunde zeigen, dass der künstlich hergestellte Phosphatase-Hemmstoff die Infektion durch das Ebolavirus unterdrückt", führt Beckers Mitarbeiterin Nadine Biedenkopf aus. "Die Hemmung der Phosphatase könnte sich als eine Strategie anbieten, mit der sich eine Ebolavirus-Infektion bekämpfen lässt", schreiben die Autoren. "Auf der Wirtsseite anzugreifen, bringt den Vorteil mit sich, dass eine Resistenzentwicklung gegen die Hemmung weniger wahrscheinlich ist, als wenn diese sich gegen ein Virenprotein richtet."

Zwar seien unerwünschte Nebenwirkungen zu erwarten, aber die Ausschaltung wichtiger Protein-Phosphatasen werde bei anderen Erkrankungen bereits seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet. Um neue Hemmstoffe gegen das Ebolavirus testen zu können, hat Beckers Arbeitsgruppe außerdem ein Bildgebungsverfahren etabliert, mit dem sich Bewegungen virenähnlicher Partikel durch lebende Zellen verfolgen lassen. "Auch hiermit soll die Schnittstelle zwischen Virus und Zelle auf mögliche Ziele für antivirale Wirkstoffe untersucht werden", erläutert Becker. (red, 31.1.2018)