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Immobilien zu unterschlagen ist dank der Grundbücher de facto nicht möglich, bei Geldvermögen ist die Kontrolle schon schwieriger.

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Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache (rechts) wollen "Durchschummlern" den Kampf ansagen. Wer sich angesprochen fühlen soll, ist bisher unklar.

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In Wien gibt es jährlich rund 500 Ablehnungen von Mindestsicherungsanträgen, weil das vorhandene Vermögen zu hoch ist, gab Stadträtin Sandra Frauenberger bekannt.

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Wien – Die Regierung will diese heiße Kartoffel vorerst nicht mehr angreifen. Im Laufe des Jahres werde man ein Konzept für die Reform des Arbeitslosengeldes ausarbeiten, lautete zuletzt das akkordierte Wording von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).

Klar sind bisher nur wenige Eckpunkte. Einer lautet: Das Arbeitslosengeld soll künftig am Anfang höher ausfallen und dann im Laufe der Zeit sinken. Ist der Anspruch verbraucht, soll es keine Notstandshilfe mehr geben, sondern nur mehr die Mindestsicherung. Ebenfalls unbestritten: Wer nur "kurz" ins System eingezahlt hat und sich beim AMS "durchschummelt" (Zitat Kurz und Strache), bei dem soll auch auf das Vermögen zugegriffen werden, wie das bei der Mindestsicherung schon der Fall ist.

Was sakrosankt ist

Angesichts der Debatte hat sich DER STANDARD angesehen, welche Ersparnisse derzeit sakrosankt sind, unter welchen Umständen auch auf Immobilien zugegriffen wird und welche Kontrollmöglichkeiten es gibt.

Zunächst: Die Mindestsicherung ist zwar von Land zu Land anders geregelt, bei den Vermögensfreigrenzen gibt es aber kaum Unterschiede – sie liegen zwischen 4.200 und 4.315 Euro. Ersparnisse bis zu dieser Grenze müssen also aufgebraucht werden, bevor die Behörde Mindestsicherung ausbezahlt. Auch ein Auto muss grundsätzlich verkauft werden, sofern es nicht beruflich benötigt wird.

Ablehnungen

Wie häufig werden nun Anträge wegen zu großer Vermögensreserven abgewiesen? Ein STANDARD-Rundruf unter den Länder zeigt folgendes Bild: In Wien gab es im Vorjahr laut dem Büro von Soziallandesrätin Sandra Frauenberger (SPÖ) 481 derartige Fälle, im Jahr davor gab es 546 Abweisungen.

Für Vorarlberg spricht das Büro von Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) von etwa 65 Ablehnungen pro Jahr wegen Vermögen. In den anderen Bundesländern liegen dazu keine konkreten Daten vor. Zum Vergleich dazu: Insgesamt bezogen im Jahr 2016 fast 308.000 Menschen Mindestsicherung, mehr als die Hälfte lebte in Wien.

Absicherung im Grundbuch

Eine Immobilie dürfen Mindestsicherungsbezieher behalten, sofern diese selbst bewohnt wird und eine "angemessene" Größe hat. Nach sechs Monaten haben die Behörden allerdings die Möglichkeit, sich ins Grundbuch eintragen zu lassen. In Wien passierte das im Vorjahr immerhin 213-mal, in Vorarlberg gab es sechs grundbücherliche Sicherstellungen. Aus den anderen Ländern fehlen wieder konkrete Zahlen, die meisten Länder betonen aber, dass man nur sehr selten zu dieser Maßnahme greife.

Sollte man diese Spielregeln aber auf einen Teil der bisherigen Notstandshilfebezieher ausweiten, ist künftig wohl mit einer deutlich größeren Zahl an Eintragungen im Grundbuch zu rechnen. Für alle wäre das freilich kein Neuland. Denn schon jetzt beziehen viele, die nur eine sehr niedrige Notstandshilfe bekommen, eine Ergänzungsleistung aus der Mindestsicherung. Für diese "Aufstocker" gilt der Vermögenszugriff also schon bisher.

Gravierende Folgen

Dort, wo eine Grundbuchbesicherung passiert, hat das jedenfalls gravierende Folgen für die Bezieher. Findet man wieder einen Job, muss man die bezogene Mindestsicherung so lange zurückzahlen, bis die im Grundbuch abgesicherten Ansprüche getilgt sind. Stirbt der Mindestsicherungsbezieher, reduziert sich das Erbe um die ausbezahlte Mindestsicherung.

Die Richtigkeit der Angaben ist bei Immobilien dank des Grundbuches noch recht leicht zu prüfen. Bei sonstigen Vermögen ist das schon schwieriger. Hier verlangen die Behörden Kopien von Kontoauszügen und Nachweise über Wertpapiere, Bausparverträge oder den Rückkaufwert von Lebensversicherungen.

Kein Zugriff auf Konten

Zugriff auf das Kontenregister haben die Sozialbehörden in Österreich aber nicht. Die Länder können also nicht überprüfen, ob ein Antragsteller nicht vielleicht ein zweites, nicht angegebenes Konto hat. Derartige Überprüfungen dürften nur im Zuge von Abgaben- und Finanzstrafverfahren durchgeführt werden.

Die deutschen Sozialbehörden haben bei Hartz IV diesbezüglich wesentlich mehr Kontrollmöglichkeiten. Wenn sie der Meinung sind, dass ein Auskunftsersuchen an den Antragsteller "nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht", dürfen sie Kontoabfragen durchführen. Zwar werden dabei nicht Kontostände, sondern nur die Kontostammdaten angezeigt (Kontonummer, Tag der Errichtung, Name und Anschrift), Sozialbetrug ist dadurch aber wesentlich schwieriger. Denn sobald festgestellt wird, dass Konten nicht gemeldet wurden, können in weiterer Folge auch konkretere Anfragen bis hin zur Kontoöffnung durchgeführt werden.

Abfrageflut

Die deutschen Behörden machen auch intensiven Gebrauch vom Kontenregister, in den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Abfragen verzwanzigfacht, was wiederholt für Kritik von Datenschützern gesorgt hat. Wie das Bundesfinanzministerium auf Anfrage mitteilte, gab es im Vorjahr exakt 167.314 Abfragen durch die Finanz und 524.852 Abfragen durch andere Behörde, darunter die Sozialämter. Der absolute Hauptanteil (über 95 Prozent) der Abrufe entfällt laut einem Ministeriumssprecher mittlerweile aber auf Gerichtsvollzieher und nicht auf die Sozialämter.

Ob der Zugriff auf das Kontenregister auch in Österreich erleichtert werden soll, war bisher von der Regierung nicht zu erfahren. Bisher hat man das Bankgeheimnis hierzulande, nicht zuletzt auf Drängen der Wirtschaft, nur sehr langsam gelockert. (Günther Oswald, 16.1.2018)