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Macron besiegte in Frankreich den Front National während Kurz' ÖVP Positionen der Populisten übernahm.

Foto: REUTERS/Benoit Tessier

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In der Türkei demolierte Präsident Erdoğan das demokratische System, während die EU in erster Linie an seiner Hilfe bei der Bekämpfung der Migration interessiert war.

Foto: ap/Burhan Ozbilici

Noch vor einem Jahr, als Donald Trump sein Amt antrat, schien der Siegeszug des autoritären Populismus unaufhaltsam. Politiker, die angeblich für "das Volk" sprachen, fanden Anhänger, indem sie Minderheiten dämonisierten, Menschenrechtsstandards in Frage stellten und das Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen schürten. Heute hat sich in vielen Ländern eine Gegenbewegung formiert und die Populisten blicken in eine weitaus ungewissere Zukunft. Dort wo der Widerstand stark war, blieben die Fortschritte der Populisten beschränkt. Wo die etablierten Politiker jedoch vor ihrer Botschaft des Hasses und der Ausgrenzung kapitulierten, konnten sie prächtig gedeihen.

Am deutlichsten wurde diese Trendwende in Frankreich. In anderen europäischen Staaten wie Österreich und den Niederlanden versuchten etablierte Politiker, mit den Populisten mitzuhalten, indem sie viele ihrer nationalistischen Positionen übernahmen. Damit hofften sie, den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, verliehen jedoch letztlich deren Botschaft Nachdruck. Ganz anders Emmanuel Macron: Er besiegte mit überwältigender Mehrheit den Front National, indem er die demokratischen Prinzipien in seinem Wahlkampf verteidigte.

Rückwärtsgewandte Politik

Nach Trumps Wahlerfolg in den USA erneuerten viele Bürgerrechtler, Journalisten, Anwälte, Richter und Teile der Öffentlichkeit ihr Bekenntnis zu den Menschenrechten. Trump betrieb eine rückwärtsgewandte Politik, deren Schäden jedoch durch den breiten Widerstand eingedämmt wurden. Dies gilt insbesondere für Trumps Versuche, Muslime bei der Einreise in die USA zu diskriminieren, den Rechtsanspruch auf eine Gesundheitsversorgung zu untergraben und Transgender aus den Streitkräften auszuschließen.

Deutschland machte international Schlagzeilen, als die Alternative für Deutschland (AfD) als erste rechtsextreme Partei seit Jahrzehnten in den Bundestag einzog. Außerhalb der wirtschaftlich schwachen östlichen Landesteile, wo weitverbreiteter Rassismus und Fremdenhass seit dem Mauerfall ein ungelöstes Problem darstellen, verzeichnete die AfD ihre größten Zugewinne im reichen Bayern, wo die CSU sich viel stärker den nationalistischen AfD-Positionen angenähert hatte als die CDU. Dies machte deutlich, dass eine prinzipientreue Konfrontation wirksamer ist als eine kalkulierte Nachahmung.

Prinzipientreue Konfrontation

In Ostmitteleuropa setzten öffentliche Proteste und die Androhung rechtlicher Schritte durch die EU die polnische Regierung unter Druck, die Unabhängigkeit der Justiz und das Rechtsstaatsprinzip nicht weiter zu untergraben. Auch wurde Ungarn davon abgehalten, die Central European University zu schließen, eine Bastion des unabhängigen Denkens, die in Opposition zu der von Premierminister Viktor Orbán propagierten "illiberalen Demokratie" steht.

In Venezuela, wo Präsident Nicolás Maduro mit seiner inkompetenten und autoritären Herrschaft die Wirtschaft eines potentiell wohlhabenden Landes zerstörte, gingen die Menschen massenweise auf die Straße. Viele lateinamerikanische Regierungen solidarisierten sich und legten ihre übliche Zurückhaltung ab, die sie in der Regel an den Tag legten, wenn Repressionen in einem Nachbarland kritisiert werden sollten.

Kleine Staaten in Führungsrolle

In Afrika appellierten Staatsoberhäupter, die selbst Blut an den Händen trugen und eine Strafverfolgung fürchteten, an den afrikanischen Nationalismus, um einen kollektiven Rückzug vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) vorzubereiten. Dies geriet jedoch zum Fiasko, als Bürgerrechtsgruppen in ganz Afrika eine Welle der Unterstützung für den IStGH mobilisierten und viele Regierungen überzeugten, sich hinter das Tribunal zu stellen.

Wenn einflussreiche Staaten sich passiv oder kontraproduktiv verhalten, treten immer öfter kleine Staaten an ihre Stelle und übernehmen eine Führungsrolle beim Schutz der Menschenrechte. So leitete der UN-Menschenrechtsrat auf Initiative der Niederlande eine Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen aller Konfliktparteien im Jemen ein.

Dem Engagement Liechtensteins war es zu verdanken, dass die UN-Vollversammlung das russische Veto im Sicherheitsrat umging und einen Ankläger für die Kriegsverbrechen in Syrien ernannte. Island forcierte die Bemühungen im UN-Menschenrechtsrat, gegen die Politik des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte vorzugehen, durch welche mutmaßliche Drogenkonsumenten massenhaft hingerichtet wurden.

Keiner dieser Gegenmaßnahmen ist der Erfolg garantiert. Wenn die Autokraten erst einmal im Amt sind, können sie die Befugnisse des Staates in ihren Dienst stellen. Der vielfältige Widerstand zeigt jedoch, dass der Kampf noch nicht verloren ist.

Opposition im Innern

Wo die Opposition im Innern unterdrückt wird und es an internationalem Interesse fehlt, können Populisten und andere menschenrechtsfeindliche Kräfte erstarken. So demontierte Präsident Recep Tayyip Erdoğan das demokratische System der Türkei, während die EU in erster Linie darauf bedacht war, seine Hilfe bei der Bekämpfung der Migration in die EU zu gewinnen.

In Ägypten ging Präsident Abdel Fattah al-Sisi skrupellos gegen öffentliche Kritik vor und überzeugte die Regierungen des Westens dennoch, dass er den Terror bekämpfe und für Stabilität sorge. Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping gingen so hart gegen friedliche Oppositionelle vor wie seit Jahrzehnten nicht, ohne nennenswerte Kritik aus dem Westen.

Saudi-Arabiens neuer Kronprinz nutzte die Angst des Westens vor einer Einmischung des Irans, um ein arabisches Militärbündnis in den Jemen zu führen, das dort Zivilisten bombardierte und Hilfslieferungen blockierte, was zu einem humanitären Disaster führte.

In Burma war das Militär, angetrieben von buddhistischen Extremisten, für massive ethnische Säuberungen gegen Rohingya-Muslime verantwortlich. Aus fehlgeleiteter Ehrerbietung vor Aung San Suu Kyi vermieden die westlichen Mächte es, Druck auf das burmesische Militär auszuüben.

Menschenrechte schützen

Das zurückliegende Jahr hat gezeigt, dass Menschenrechte vor den Angriffen der Populisten geschützt werden können. Damit dies gelingt, müssen wir sie jedoch prinzipientreu verteidigen, statt zu kapitulieren. Statt in Resignation zu verfallen, müssen wir zum Handeln aufrufen. (Kenneth Roth, 18.1.2018)