Der Lieferwagen, mit dem Kampusch 1998 entführt wurde. Die Zeugin, die dabei zwei Männer sah, galt als "wenig glaubwürdig".

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Wien – Wenn ein neuer Minister seine Arbeit aufnimmt, tut er das für gewöhnlich nicht, ohne seine engsten Mitarbeiter sorgfältig auszusuchen. Ein neuer Mitarbeiter im Team von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, ein Polizeibeamter, sorgt zumindest bei jenen, die sich einst mit der Causa Kampusch auseinandergesetzt haben, für Verwunderung. Denn gerade die FPÖ hatte den damaligen Revierinspektor nach der Selbstbefreiung von Natascha Kampusch im Visier. Der Mann war sogar Inhalt einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ und eines mittlerweile gelöschten Artikels der FPÖ-nahen Seite unzensuriert.at.

Ermittlungsfehler

Der Entführungsfall der Natascha Kampusch sorgte bekannterweise viele Jahre für Spekulationen. Auch freiheitliche Politiker thematisierten wiederholt Ermittlungspannen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach etwa 2011 von einem "veritablen Justizskandal" und einer "Reihe von stümperhaften" Ermittlungsfehlern. Der Fall "stinkt an allen Ecken und Enden", sagte der heutige Vizekanzler. Auch Peter Pilz berichtete in seinem Blog darüber, dass "die fehlerhafte Arbeit der Kriminalpolizei die Chancen auf eine schnelle Befreiung zerstört hat". Einer der Kritikpunkte war, dass die Zeugenaussage eines zwölfjährigen Mädchens, das zwei Täter beim Entführungsauto beobachtet hatte, als wenig glaubwürdig eingestuft wurde.

Befragt wurde die Zeugin von besagtem Beamten, damals Bezirksinspektor in der Wagramer Straße. Der Beamte soll laut einer parlamentarischen Anfrage, welche die FPÖ 2011 an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) stellte, schon 1998, kurz nach der Entführung der damals zehnjährigen Kampusch, auch einen Hinweis auf Wolfgang Priklopil, den Entführer, erhalten haben. Aus einem Fax soll für den Polizisten wenig später hervorgegangen sein, dass schon zuvor Hinweise über Priklopil eingegangen waren. Er schrieb damals in den Akt, dass der Anrufer unbekannt sei, in einem Vermerk notierte er aber dessen Namen – der Anrufer war ein Beamter der Polizeidiensthunde-Abteilung.

Keine Vorakten geprüft

"Das Einzige, was ich mir aus heutiger Sicht nicht erklären kann, ist, weshalb ich, nachdem mir der Gendarmerieposten Deutsch-Wagram den Namen Priklopils übermittelt hatte, diesen nicht auch priorierte. Das war damals bei uns eigentlich Standard", sagte der mittlerweile ins Innenministerium aufgestiegene Mann im Zuge späterer Untersuchungen vor der Kommission des früheren Höchstrichters Ludwig Adamovich. Gemeint ist damit der Vorgang, zu prüfen, ob Vorakten bestehen.

Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch thematisierte damals auch ein angebliches "Naheverhältnis" des Beamten zur Familie Kampusch. So betrieb er Jugendcamps, in dem laut parlamentarischer Anfrage die Stiefschwester von Natascha Kampusch als Betreuerin tätig war. Auf der Facebook-Seite der Feriencamps wird bis heute die berufliche E-Mail-Adresse des Beamten angeführt.

Ein Auszug aus der parlamentarischen Anfrage der FPÖ (vergrößern mit Klick auf das Bild; Weißungen durch DER STANDARD).
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Wie berichtet, hat die neue Regierung in einigen Ministerien mit den sogenannten Generalsekretären eine weitere Verwaltungsebene eingezogen. Sie sind den Sektionschefs nun quasi vorgesetzt. Fast 20 Jahre nach der Entführung und sieben Jahre nach der parlamentarischen Anfrage der FPÖ zu seiner Person, ist der Beamte nun im Kabinett des Generalsekretärs des freiheitlichen Innenministers gelandet, wo er als "Fachreferent" geführt wird.

Auf der FPÖ-nahen Seite unzensuriert.at, deren damaliger Chefredakteur Alexander Höferl jetzt Kommunikationschef im Innenministerium ist, war ausführlich über den Kriminalisten berichtet worden. Der Artikel ist mittlerweile nur noch über das Web Archive abrufbar.

Offene Fragen

Mehrfache Anfragen des STANDARD bei Dagmar Belakowitsch und unzensuriert.at blieben unbeantwortet. Aus dem Innenministerium hieß es, dass der Fall Kampusch "mit der im Juni 2013 abgeschlossenen Evaluierung" erledigt sei. Außerdem sei die parlamentarische Anfrage der FPÖ beantwortet worden – das stimmt zwar formell, doch inhaltlich antwortete die damalige Innenministerin mit Verweis auf laufende Ermittlungen auf keine einzige Frage der FPÖ.

Für den STANDARD war auch der Beamte selbst nicht erreichbar. Die Information, wofür er Fachreferent ist, bleibt die Homepage des Innenministeriums schuldig.
(Colette M. Schmidt, Fabian Schmid, 18.1.2018)