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Martin Schulz, SPD-Chef

Foto: AP/Probst

Da sage noch mal einer, Politik sei eine langweilige, weil ohnehin abgekartete, Sache. Mitnichten. Der SPD-Parteitag hat den Beweis geliefert. Stundenlang debattierten die Genossen, rangen um ein Ja oder ein Nein zur großen Koalition – und das wirklich auf hohem Niveau.

Jede Seite brachte ihre Argumente vor, mal leidenschaftlich, mal laut, aber nie untergriffig gegen den Widerpart. Andere Parteien können sich von so viel Diskussionskultur eine große Scheibe abschneiden.

Doch diese Lehrstunde in Sachen innerparteiliche Demokratie hat ihren Preis, und der war Parteichef Martin Schulz und seiner engsten Mitstreiterin, Fraktionschefin Andrea Nahles, trotz des Aufatmens anzusehen. Es war schon eine sehr große und wichtige Hürde, die sie am Sonntag in Bonn genommen hatten. Aber jeder weiß: Es ist nicht die letzte. Und das bedeutet: Die Schwierigkeiten gehen munter weiter.

Verhandlungen können starten

Jetzt können zunächst die Koalitionsverhandlungen starten, da allerdings lauern schon die nächsten Fallstricke. Die SPD-Führung sah sich nur noch in der Lage, den Genossen die Gespräche schmackhaft zu machen, indem sie Nachforderungen in drei Punkten ankündigte: weniger Härten beim Familiennachzug, weniger befristete Arbeitsverhältnisse, weniger Unterschiede zwischen Privatpatienten und gesetzlich Versicherten im Krankenwesen.

Man ahnt, dass da ein Problem nur aufgeschoben wurde. Denn die Union hat schon klargemacht: Nur in Details ist sie zum Nachjustieren bereit, nicht aber in Kernpunkten.

Allerdings könnte das Ergebnis dieses SPD-Parteitages auch ein gewisses Umdenken bei der CDU einleiten. Sie hat ja gesehen, wie entsetzlich hart sich die SPD tut. Ein anderer Koalitionspartner ist jedoch nicht in Sicht, nachdem sich Jamaika als Illusion erwiesen hat. Merkel will, mehr als alles andere, eine stabile Regierung. Sie ist gegen Neuwahlen und gegen eine Minderheitsregierung. Und sie weiß: Am Ende der Koalitionsverhandlungen stimmen noch einmal die SPD-Mitglieder ab.

Ob die Not und das Bemühen der SPD in der CSU auch so gesehen werden, dass man noch irgendetwas wird geben müssen, ist jedoch zweifelhaft. Dort hat sich nichts geändert, es heißt: "Bayernwahl first". Die Landtagswahl im Herbst ist das Maß aller Dinge.

Zwei Fronten für Merkel

Merkel darf sich also auch in den Koalitionsverhandlungen auf zwei Fronten bemühen: Sie muss auf die Begehrlichkeiten der CSU und der SPD achten und darf natürlich auch die CDU selbst nicht vergessen.

Schulz als SPD-Chef hat es noch schwerer. Durch seine Partei verläuft ein tiefer Riss. Jahre brauchte die SPD, um den Graben halbwegs zuzuschütten, den die Sozialreformen (Hartz IV) von Gerhard Schröder hinterlassen haben. Jetzt muss der angeschlagene Parteichef wieder zur Schaufel greifen. Nahezu unversöhnlich stehen einander Befürworter und Gegner einer "GroKo" gegenüber, das Thema ist zur neuen Glaubensfrage geworden.

Es wäre klug, wenn sich Schulz mit aller Kraft auf diese große Aufgabe konzentriert, "bloß" Parteichef bleibt und nicht in der großen Koalition (so sie denn kommt) auch noch ein Ministeramt annimmt. Unter Merkel Minister zu werden, hat er ja im Wahlkampf ausgeschlossen. Ein neuer Meinungsumschwung würde zudem enormen Schaden in puncto Glaubwürdigkeit verursachen. Diesen zu verhindern, hat Schulz allein in der Hand. (Birgit Baumann, 21.1.2018)