"Die Kosten, die jetzt getätigt werden, ersparen uns womöglich Sozialtransfers": Auch so bewarb Minister Faßmann die Deutschförderklassen – den konkreten finanziellen Aufwand bezifferte er nicht.

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Übersicht zu Faßmanns Modell für Deutschförderklassen

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Wien – Schon ab kommendem Schuljahr will Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), vor seiner Beförderung durch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Vorsitzender des Expertenrats im Integrationsministerium, mit einem "Leuchtturmprojekt", wie es in Koalitionskreisen gern heißt, ernst machen: Und zwar mit der Einführung sogenannter "Deutschförderklassen" für Kinder, die Sprachdefizite aufweisen – unter Kritikern oft als "Ghettoklassen" qualifiziert, weil dort freilich vorwiegend Flüchtlings- und Migrantenkindern mit schlechten Deutschkenntnissen sitzen werden.

Diesen Begriff wischte der neue Minister bei der Präsentation am Montag gleich vom Tisch. Es brauche hier eben so viel Differenzierung wie nötig, erklärte Fassmann, und: Es mache keinen Sinn, dass man Schüler mit mangelndem Deutsch im Unterricht einfach "dem Sprachbad der Mehrheitsgesellschaft" aussetze.

Praktische wie budgetäre Details blieb Faßmann jedoch schuldig, denn ein legistischer Entwurf für die Deutschförderklassen wird erst bis Sommer erarbeitet – und was den finanziellen Mehraufwand betrifft, stellte er klar: "Die Kosten, die jetzt getätigt werden, ersparen uns womöglich Sozialtransfers." Wie will die Regierung Kindern mit Sprachdefiziten also künftig Deutsch so rasch wie möglich beibringen?

In der Volksschule sollen "außerordentliche Schüler" 15 Wochenstunden, in höheren Schulen 20 Wochenstunden Sprachförderung erhalten.
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Schuleintritt: Bei der Schuleinschreibung sollen die Direktoren im Zuge eines Gesprächs mit den Erstklässlern beziehungsweise den neuen Unterstufenschülern an den AHS und NMS feststellen, ob das Kind Sprachdefizite aufweist – und wenn ja, werden sie einem standardisierten Test unterzogen. Faßmann und sein zuständiger Abteilungsleiter im Ressort, Martin Netzer, bezeichnen das als "erstes Screening", ebenfalls gepriesen wurde "die Treffsicherheit" des Verfahrens, das aber "nicht knallhart" sein solle.

Standardisierter Test: Ergibt das Ergebnis, dass dem Unterricht nicht in ausreichender Weise gefolgt werden kann, bekommt der Schüler das Prädikat "außerordentlicher Schüler" und kommt in eine "Deutschförderklasse" – und zwar für 15 Wochenstunden in der Volksschule, für 20 Wochenstunden in den Unterstufen der weiterführenden Schulen.

Bildung von Deutschförderklassen: Für das Zustandekommen einer Förderklasse müssen zumindest sechs Kinder an einem Schulstandort zusammenkommen. Bei geringerer Anzahl könnten die Schüler im System mitgetragen werden, so Faßmann.

Doch was, wenn in bestimmten Wiener Bezirken unter den Erstangemeldeten eines Jahrgangs überproportional viele Migrantenkinder sind? Auf STANDARD-Anfrage gab Faßmann zu, dass dies "eine organisatorische Herausforderung" sei, zur praktischen Umsetzung äußerte er sich nicht.

Der Minister rechnet damit, dass sich von den rund 70.000 Erstklässlern im Jahr ein Viertel einem Sprachtest unterziehen werde müssen – der Großteil davon freilich in Wien, Graz und Linz. In der Bundeshauptstadt etwa geht das Ministerium von mehr als sechzig Förderklassen aus. Zusammen mit den "Quereinsteigern" in höheren Klassen käme man so auf rund 30.000 "Außerordentliche" pro Jahr. Dazu bemisst Faßmann den zusätzlichen Bedarf an Lehrern mit 300 Pädagogen.

Deutschforcierter Unterricht: In den Deutschförderklassen wird dann nach eigenem Lehrplan vorwiegend Deutsch unterrichtet, in "weniger sprachsensiblen Gegenständen", wie man es nannte, wie etwa Zeichnen, Musik oder Turnen, werden die Schüler mit ihren Altergenossen in den Regelklassen unterrichtet. Sinn und Zweck dieses Vorgehens: dass die Deutschkenntnisse mit Gleichaltrigen weiterentwickelt werden.

Übertritt in den Regelunterricht: Nach jedem Semester wird erneut mit einem einheitlichen Test überprüft, ob die Kinder mittlerweile dem Regelunterricht folgen können. Bei einem positiven Ergebnis steht ein Wechsel an – per Feststellungsprüfung entscheidet sich, in welche reguläre Schulstufe. Bei einem negativen Ergebnis bleiben die betroffenen Schüler in der Deutschförderklasse – und zwar bis zu vier Semester lang. Danach gibt es eben Regelunterricht plus sechs Wochenstunden Deutschförderkurs.

Immer wieder verwies der Bildungsminister darauf, dass es für sein Konzept internationale Vorbilder gebe und auch auf die hierzulande längst existierenden Sprachstartgruppen, die für sein Modell quasi Pate gestanden hätten – doch derzeit wären maximal elf Wochenstunden Förderzeit möglich.

Blauer Meilenstein, Liste Pilz befürchtet Ausgrenzung

FPÖ-Klubchef Johann Gudenus sprach von einem "Meilenstein für eine schnellere Integration von ausländischen Kindern". SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid, früher selbst Bildungsministerin, kritisierte am Konzept ihres Nachfolgers die offene Finanzierung – sie selbst ist im Herbst noch von einem Bedarf an 5000 zusätzlichen Pädagogen ausgegangen.

"Vorsichtig positiv" bewerteten die Neos das Konzept, bei der Liste Pilz befürchtet man eine soziale Ausgrenzung von Kindern, und bei den Grünen sehr wohl "Ghettoklassen". (Nina Weißensteiner, 22.1.2018)