"Wenn ich hier in diese Runde sehe, dann sehe ich Persönlichkeiten, die dazu in der Lage sind, wieder etwas ganz Besonderes aus diesem Land zu machen", verkündete Norbert Hofer in seiner Eröffnungsrede am 5. Wiener Akademikerball vor rund einem Jahr und setzte fort: "Alle, die wir hier versammelt sind, werden einen Beitrag dazu leisten, damit sich dieses Land, damit sich diese Farben [schwarz-rot-gold, Anmerkung] wieder erheben können."

In der Tat ist davon auszugehen, dass zahlreiche jener deutsch-völkischen Korporierten unter den Anwesenden waren, die über die letzten Wochen in Ministerien und andere Regierungs-beschickte Gremien eingezogen sind. Inwieweit die Flutung öffentlicher Ämter mit Deutschtumsbekennern Ausdruck einer von Hofer, der österreichischen Bevölkerung in seiner Ballrede attestierten "tiefe[n] Sehnsucht (…) nach Menschen" ist, "die zu ihrer Gesinnung stehen", sei dahingestellt. Die Referenz auf Jörg Haiders legendäre Krumpendorf-Rede vor SS-Veteranen, die "zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind", war wohl eine unfreiwillige. Dass die "ideologischen Tiefwurzler" (Zitat Andreas Mölzer von der FPÖ) aus den nationalen Studentenverbindungen in exekutiver Funktion der vielzitierten "blauen Handschrift" entschiedener zum Durchbruch verhelfen wollen, als Haiders Karrieristen, ist dagegen anzunehmen.

Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer am Akademikerball 2016.
Foto: APA/FPÖ/ROBERT LIZAR

Was ist neu?

Der Umbruch in den Institutionen der Republik wird auch am Akademikerball spürbar sein. Nicht wenige Besucher werden sich über eine kürzere Wegzeit freuen können, sofern sie den Weg in die Hofburg direkt vom Arbeitsplatz im Regierungsviertel aus antreten. Auf der alljährlich mit blauer Prominenz gespickten Ehrentribüne werden sich wohl auch Regierungsmitglieder einfinden, die sich – anders als der zwischenzeitig zum BZÖ abtrünnige Herbert Haupt 2005 – nicht mit Buhrufen aus den Kreisen ihrer Gesinnungsgemeinschaft konfrontiert sehen dürften.

Für mediale Spekulation sorgte im Vorfeld bereits die Frage, ob FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sich auch in seiner neuen Funktion als Vizekanzler die Ehre geben werde. Die Gegenfrage, wieso der Verkehr in völkischen Kreisen für einen Vizekanzler inopportun sein sollte, wenn er doch offenbar kein Hinderungsgrund für den Einzug in dieses Amt war, blieb einstweilen unbeantwortet. Es ist freilich nicht auszuschließen, dass Strache – im vergangenen Jahr wegen Krankheit verhindert – kurzfristig zu einer geheimnisvollen Auslandsmission aufbrechen muss, wie 2011, als er mit dieser Begründung seine angekündigte Rede im Rahmen des burschenschaftlichen "Totengedenkens" am 8. Mai – im rechtsextremen Milieu auch als "Tag der totalen Niederlage" geläufig – nicht halten konnte.

Kein Platz auf der Tribüne dürfte – im Sinne der Vermeidung einer ungünstigen Optik – diesmal für Repräsentanten der neofaschistischen "Identitären" sein. Dass die burschenschaftlichen Kämpfer für bürgerliche Freiheiten im Geist von 1848 auf dem Ball heuer hochauflösende Überwachungskameras und Gesichtserkennungssoftware zum Einsatz bringen, zielt freilich erklärtermaßen nicht auf die präventive Ausforschung befrackter Faschisten ab, sondern auf die Unterbindung neuerlicher feministischer Interventionen durch die "Burschenschaft Hysteria", wie im Jahr 2017.

Was bleibt beim Alten?

Von den erwähnten Feinjustierungen abgesehen, wird auf dem 6. Wiener Akademikerball unter offizieller Ausrichtung der FPÖ Wien wohl alles beim Alten bleiben. Die Eröffnungsrede wird, wie es der Brauch gebietet, eine in der staatlichen Hierarchie möglichst hoch angesiedelte FPÖ-Persönlichkeit halten. Heißeste Kandidatin ist damit Anneliese Kitzmüller, die als Dritte Nationalratspräsidentin das formal höchste öffentliche Amt innehat. Kitzmüller hat jedenfalls – anders als die freiheitlichen Ministerinnen und Minister außer Parteichef Strache – ihr Kommen bereits angekündigt.

Die Festrede wird üblicherweise von einem akademischen Honoratior aus dem Kreis der Gesinnungsgemeinschaft gehalten. Der letztjährige Redner Andreas Hauer (Corps Alemannia Wien zu Linz) steht aktuell vor einem Karrieresprung: Er gilt als heißer Anwärter auf das blaue Ticket in den Verfassungsgerichtshof. In seiner Ballrede hatte Hauer 2017 bereits indirekt umrissen, wer (nicht) zur primären Zielgruppe einer Regierungspartei gehört, die auf Männer wie ihn zurückgreift – indem er sich über Gegendemonstranten mokierte, die sich "dem Kleidungsstil nach zu urteilen […] nicht mit den höheren Progressionsstufen des Einkommenssteuerrechts auseinandersetzen" müssen.

Die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (Mitte) kommt zum Akademikerball.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Entgegen der nach Übergang der Veranstalterrolle vom Wiener Korporationsring (WKR) auf die Wiener FPÖ in Korporiertenkreisen geäußerten Befürchtung, wird der "Gemeindebauprolet" wohl auch heuer nicht in größerer Zahl auf dem Ball antanzen. Dafür sorgen auch die "blauen Bälle" freiheitlicher Bezirksorganisationen, die an der Peripherie der Stadt in letzter Zeit aus dem Boden schießen. Und sollte die Zusammenkunft der völkischen Elite doch durch den einen oder anderen Meidlinger Parvenü gestört werden, bleibt als Trost die Aussicht auf den für Herbst 2018 bereits angekündigten Hofburg-"Großkommers", ein Burschenschafter-Treffen, dessen soziale Durchmischung sich in etwa auf dem Niveau der ethnischen bewegen dürfte.

Weitgehend unabhängig von beobachtbaren Fakten über den Besucherzustrom, wird Ballorganisator Udo Guggenbichler – der durch seine Doppeleigenschaft als Burschenschafter und freiheitlicher Landtagsmandatar diese Funktion über den formalen Veranstalterwechsel hinweg beibehielt – nach getaner Arbeit einmal mehr seine Botschaft vom stetigen Zulauf der Veranstaltung verkünden. Weniger sicher ist, ob er sich einen Kommentar zur Causa Germania Wiener Neustadt entlocken lässt: Die am Dienstag durch ein rabiat antisemitisches, rassistisches und NS-nostalgisches Liederbuch aufgefallene Verbindung gehört immerhin einem Dachverband (Österreichischer Pennäler-Ring/ÖPR) an, dem Guggenbichler als Obmann vorsteht.

Wer kommt?

Über Gäste von politischer Brisanz kann auch heuer vorab nur spekuliert werden. Fix ist nur, dass es sie geben wird. Gut möglich, dass der Politbesuch heuer hochrangiger ausfällt als im vergangenen Jahr, als er sich weitgehend auf den Nachwuchs europäischer FPÖ-Partnerparteien beschränkte, der zuvor von Johann Gudenus im Wiener Rathaus empfangen worden war. Nicht unplausibel, dass das Festhalten der FPÖ an ihrer Mitgliedschaft in der rechtspopulistischen bis rechtsextremen ENF-Fraktion des Europaparlaments ("Europa der Nationen und der Freiheit") vom einen oder anderen Spitzenrepräsentanten derselben mit einem Ballbesuch honoriert wird, oder höherrangige ENF-Kräfte die Gelegenheit nutzen, der Regierungspartei in ihren Reihen ihre Aufwartung zu machen.

Ein logischer Kandidat für einen Abstecher nach Wien wäre auch Tomio Okamura, dessen tschechische SPD noch nicht im Europaparlament vertreten ist, sich aber inzwischen der mit der ENF nicht deckungsgleichen Europapartei MENL (mit FPÖ, Vlaams Belang, Lega Nord und Front National) angeschlossen hat. Der verlässlich auf Kreml-Kurs segelnde Okamura könnte Gelegenheit erhalten, auf Aleksandr Dugin zu treffen. Die Ankündigung zweier Veranstaltungen mit Dugin in Wien, unmittelbar vor dem Ball, gibt Anlass zur Vermutung, dass das russische Idol des internationalen Neofaschismus nach 2009 ein Comeback als Ballgast geben könnte.

Am Freitag sind Demonstrationen gegen den Ball angekündigt.
Foto: Robert Newald/derstandard

Keine Horden aus dem Norden?

Nicht zuletzt angesichts des zu erwartenden internationalen Besuchs, wird auch heuer wieder demonstriert – und damit ein im Gedenkjahr 2018 wenig beachtetes Jubiläum begangen werden – die erste Demonstration gegen den damaligen WKR-Ball fand 2008 statt. Dass die Wiener Exekutive einmal mehr den Einfall brandschatzender linksradikaler Horden aus Norddeutschland prophezeit, ist ein einigermaßen verlässliches Indiz, dass ebendiese Horden auch heuer ausbleiben werden. Über eine ebenfalls angekündigte Gegenmobilisierung aus der rechtsextremen Ecke war von Polizeiseite bislang nichts zu hören. Auch diese Mobilisierung wird sich aber am 26. Jänner auf den Straßen Wiens aller Voraussicht nach nicht materialisieren. In Zeiten, in denen Wehrsportveteranen, Teutonen und Olympen hohe Staatsämter bekleiden, erscheint die Straße als vernachlässigbares Terrain. (Bernhard Weidinger, 24.1.2018)

Bernhard Weidinger ist Rechtsextremismusforscher und Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU). 

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