Alois Brunner war einer wichtigsten Mitarbeiter von Adolf Eichmann.

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Ronen Bergman, geboren 1972, ist Chefkorrespondent für Militär- und Geheimdienstthemen bei der israelischen Tageszeitung "Yediot Acharonot". Für sein über 860 Seiten starkes Buch "Der Schattenkrieg" hat er mehr als 1.000 Interviews geführt und mehr als 1.000 Mossad-Dokumente und Quellen anderer israelischer Geheimdienste ausgewertet.

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Wien / Tel Aviv – Bis vor wenigen Monaten war er auf der Homepage des Innenministeriums unter der Rubrik "Austria's Most Wanted Persons" zu finden. Im Juni 2017 stellte das Bundeskriminalamt die öffentliche Fahndung nach dem 1912 im Burgenland geborenen Alois Brunner ein, der unter der Nazi-Herrschaft der wichtigste Mitarbeiter von Adolf Eichmann war. Gemeinsam organisierten die beiden SS-Männer die Deportation der Juden aus Berlin, Wien, Frankreich und Griechenland in NS-Vernichtungslager. Während Eichmann 1960 von israelischen Agenten aus Argentinien entführt, in Jerusalem vor Gericht gestellt und 1962 hingerichtet wurde, blieb Brunner zeit seines Lebens gerichtlich unbehelligt. Er lebte jahrzehntelang unter dem Schutz des Assad-Regimes in Syrien.

Briefbomben

In seinem am Montag erschienen Buch "Der Schattenkrieg" bestätigt der israelische Journalist Ronen Bergman, dass der Mossad dem NS-Kriegsverbrecher dicht auf den Fersen war und versuchte, ihn mittels Briefbomben zu töten. Demnach machte ihn ein Topagent des israelischen Geheimdiensts ausfindig, der in eine hohe Position in den syrischen Verteidigungsbehörden eingeschleust worden war. Nach den Recherchen Bergmans erteilte der damalige israelische Premierminister David Ben-Gurion "die Genehmigung für Brunners Beseitigung". Dieser überlebte 1962 jedoch das Attentat, erlitt aber schwere Verletzungen im Gesicht und verlor sein linkes Auge.

Post vom Kräuterpfarrer

Im Juli 1980 schickte ihm der Mossad eine weitere Bombe per Post. Mit Zustimmung des damaligen Ministerpräsidenten Menachem Begin, wie Bergman schreibt, der sich auf Gespräche mit ehemaligen Agenten und ehemaligen Chefs des israelischen Auslandsgeheimdiensts beruft. Das Päckchen wurde damals in Österreich, in Karlstein an der Thaya, aufgegeben. Der Absender: der "Verein Freunde der Heilkräuter" des 2004 verstorbenen Kräuterpfarrers Hermann-Josef Weidinger, der durch seine Beiträge in der "Kronen Zeitung" und TV-Auftritte österreichweit bekannt war. Der Absender war bewusst gewählt, Brunner galt als überzeugter Anhänger der Naturheilkunde. "Er öffnete den Brief, der daraufhin explodierte, was ihn mehrere Finger kostete", schreibt Bergman.

Diese Aufnahme aus dem Jahr 1985 soll Alois Brunner zeigen.
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Fünf Jahre später gab Brunner, der sich in Syrien "Georg Fischer" nannte, der Illustrierten "Bunte" ein Interview, in dem er sagte: "Israel wird mich nie bekommen." Er gab zu, an der Judenverfolgung im NS-Regime beteiligt gewesen zu sein, das sei auch gut und richtig gewesen. 1987 traf und interviewte der "Krone"-Journalist Kurt Seinitz Brunner in Damaskus. Er habe "mit dem widerwärtigsten Menschen", der ihm "je untergekommen ist", gesprochen, berichtete Seinitz daraufhin. Ein Schlüsselsatz des Reuelosen lautete: "Seien Sie froh, dass ich das schöne Wien für Sie judenfrei gemacht habe."

Kontakte zu Neonazis in Österreich

Brunner unterhielt während seiner Zeit in Syrien Kontakte nach Österreich. 1988 wurde er von dem Wiener Neonazi und Holocaust-Leugner Gerd Honsik besucht, der ihn in seinem später erschienen Buch "Freispruch für Hitler?" als Zeugen "wider die Gaskammer" präsentierte. 2001 wurde Brunner noch einmal in einem Luxushotel in Damaskus gesichtet. Seither fehlt jede Spur des NS-Verbrechers.

Ein Grund dafür, die Geheimdienste aufzubauen, war laut Bergman auch der Holocaust. "Die Lehre daraus war, dass wir ein eigenes Land als Schutzraum für Juden brauchen und dieses Land gegen zahlreiche Feinde verteidigen müssen", sagte Bergman in einem Gespräch mit dem "Spiegel", der das Buch auch verlegte. Für Israels Staatsgründer Ben-Gurion sei Krieg allerdings das allerletzte Mittel gewesen. "Eine Dauermobilisierung der Streitkräfte konnte sich das junge, kleine Land allerdings nicht leisten." Die Geheimdienste boten eine Alternative. (Markus Sulzbacher, 25.1.2018)