Der mexikanische Axolotl ist der Wunderheiler unter den Wirbeltieren.
Foto: IMP Vienna

Wien – Der Axolotl ist der Star der biomedizinischen Forschung. Der aus Mexiko stammende Schwanzlurch, der sein gesamtes Leben im Larvenstadium verharrt und einen Hang zum Kannibalismus hat, ist ein wahrer Regenerationskünstler: Er kann verlorene Körperteile binnen weniger Wochen wieder nachwachsen lassen – samt Knochen, Muskeln und Nerven. Das funktioniert auch mit verletzter Netzhaut, durchtrenntem Rückenmark, Organen und sogar mit Teilen des Gehirns.

Warum sich die Wissenschaft schon seit dem 19. Jahrhundert für den außergewöhnlichen Salamander interessiert, liegt auf der (noch nicht nachwachsenden) Hand. Einem internationalen Forscherteam um Elly Tanaka vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und Eugene Myers vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden ist nun ein entscheidender Schritt zum besseren Verständnis der Regenerationsfähigkeit des Axolotls gelungen: Die Wissenschafter konnten das Erbgut des Überlebenskünstlers entschlüsseln.

Das Genom des Tieres ist mehr als zehnmal so groß wie das des Menschen – nun wurde es vollständig sequenziert.
Foto: IMP Vienna

Rekordverdächtiges Genom

Das ist zentral, um die Rolle von Genen bei der Regeneration von Gewebe zu erforschen und herauszufinden, warum gerade der Axolotl diese Fähigkeit besitzt. Die im Fachblatt Nature veröffentlichte Arbeit stellt schon aufgrund der schieren Größe des Axolotlgenoms einen Meilenstein dar: Mit 32 Milliarden Basenpaaren ist es mehr als zehnmal so groß wie das des Menschen. "Das Axolotlgenom hat aber etwa gleich viele Gene wie das anderer Wirbeltiere, etwa 23.000", sagt Studienerstautor Sergej Nowoshilow vom IMP zum STANDARD. "Das heißt, die restliche Sequenz besteht aus Wiederholungen, die den ganzen Prozess der Entschlüsselung ziemlich erschweren."

Mithilfe einer neuen Technologie gelang es aber nun, mehr als 72 Millionen längere Genomabschnitte abzulesen, zuzuordnen und daraus mit einer speziell entwickelten Software das gesamte Erbgut zu rekonstruieren. Die ersten Analysen des Ergebnisses brachten auch schon einige Auffälligkeiten zutage, berichtet Nowoshilow: So konnten mehrere auch von anderen Amphibien bekannte Gene identifiziert werden, die in regenerierendem Gewebe aktiv und daher für die Forschung von Interesse sind.

Ein Axolotl am IMP Wien.
Foto: IMP Vienna

Genetische Doppelrolle

Dafür fehlt dem Axolotl ein Entwicklungsgen, das in anderen Wirbeltieren – auch im Menschen – unabdingbar ist: Pax3. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Muskeln und Nerven. "Wenn dieses Gen etwa in einer Maus ausgeschaltet wird, entwickelt sie sich nicht normal. Beim Axolotl fehlt es vollständig, dafür übernimmt ein anderes Gen namens Pax7 dessen Aufgaben", so Nowoshilow. Pax7 kommt beim Menschen und anderen Säugetieren ebenfalls vor, hat aber etwas andere Aufgaben als Pax3. Der Wiener Forschungsgruppe um Tanaka war es bereits Vorjahr gelungen, bestimmte Axolotlzellen mithilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas zu markieren und ihre Aktivitäten gezielt mitzuverfolgen – darunter Zellen, in denen auch Pax7 aktiv ist.

Dank der neuen Daten hofft man nun, bald auch mehr über die Interaktion unterschiedlicher Regionen im Axolotlerbgut herauszufinden. Nowoshilow: "Wir wollen wissen, wie es die Zellen beim Axolotl schaffen, zu einem früheren Entwicklungsstadium zurückzukehren, um Gliedmaßen zu regenerieren. Jetzt haben wir die genetische Karte in der Hand." (David Rennert, 25.1.2018)