Donald Trump und Tayyip Erdogan trafen einander bei der Uno-Generalversammlung in New York

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Deutscher "Leopard 2"-Panzer am türkisch-syrischen Grenzübergang Oncupinar, 27. Jänner 2018

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Damaskus – Eine Woche nach Beginn der Offensive gegen die kurdische Miliz YPG in Nordwestsyrien will die Türkei den Einsatz auf weitere Landesteile ausweiten. Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte am Samstag an, dass die Armee nach der Einnahme der kurdisch kontrollierten Region Afrin in Richtung der südlich gelegenen Provinz Idlib marschieren wird, die von syrischen Rebellen kontrolliert wird.

Am Freitag hatte Erdoğan zudem angekündigt, dass die Offensive von Afrin aus nach Osten in Richtung der kurdisch kontrollierten Stadt Manbij und "bis zur irakischen Grenze" ausgeweitet werde. Manbij liegt in der Nähe der türkischen Grenze. Unterdessen vermeldete die Türkei die ersten strategischen Erfolge in Nordwestsyrien, die jedoch zunächst nicht bestätigt wurden. Die türkische Armee flog weiter Luftschläge.

Die Türkei hatte die Offensive gegen die YPG in Afrin vergangenes Wochenende mit Unterstützung der Freien Syrischen Armee (FSA) begonnen. Für das Nato-Mitglied Türkei ist die YPG der verlängerte Arm der kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation.

USA unterstützen YPG

Die Türkei will eine langfristige kurdische Kontrolle der Grenzgebiete verhindern. Für die USA dagegen ist die YPG ein Verbündeter im Kampf gegen den IS. Besonders brisant wäre ein Vorrücken der Türkei in Richtung Manbij, denn dort hat die USA Ausbildner stationiert.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu forderte am Samstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die USA dazu auf, ihre Truppen aus Manbij zurückzuziehen. Nach Angaben des türkischen Präsidentenbüros vom Samstag telefonierten Erdoğans Sprecher Ibrahim Kalin und der Nationale Sicherheitsberater der USA, Herbert Raymond MacMaster, am Freitag und vereinbarten, dass die USA keine weiteren Waffen mehr an die YPG liefern werde.

Widersprüchliche Angaben

Als strategischen Erfolg verkündete Erdogan am Sonntag, die türkische Armee habe den wichtigen Berg Barsaja in der Nähe der Grenze unter ihre Kontrolle gebracht. "Gott sei Dank, sie haben den Berg Barsaja eingenommen", sagte er. Die Syrische Beobachtungsstelle dementierte das und erklärte, die türkische Armee und FSA-Kämpfer hätten lediglich einen Teil des Berges unter ihrer Kontrolle.

Der Berg gilt als wichtig, weil man von dort aus die Stadt Asas, die von protürkischen Rebellen gehalten wird, überblicken kann. Die türkischen Streitkräfte erklärten, sie hätten in der Nacht zu Sonntag zahlreiche YPG-Stellungen in Afrin bombardiert. Der türkische Staatssender TRT und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldeten zudem starken Beschuss vonseiten der Türken um den Berg Barsaja.

Zivilisten getötet

Nach Angaben der Beobachtungsstelle kamen am Sonntag drei Mitglieder einer Familie durch die türkischen Luftangriffe ums Leben. Insgesamt gab es demnach seit Beginn der Offensive 46 zivile Todesopfer, davon 13 Kinder. Nach Angaben von Erdogan wurden bisher sieben türkische Soldaten und 13 FSA-Kämpfer getötet. Die Menschenrechtsbeobachter sprachen von mehr als 60 getöteten FSA-Mitgliedern. Die türkischen Streitkräfte meldeten, 484 gegnerische Kämpfer seien bisher "neutralisiert" worden. Mit "neutralisiert" ist in der Regel getötet gemeint, der Begriff kann aber auch verletzt oder gefangen genommen bedeuten. Die kurdischen Milizen bestätigten das zunächst nicht. Die Menschenrechtsbeobachter sprachen von 59 getöteten kurdischen Kämpfern.

Der syrische Kurden-Politiker Salih Muslim rief in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Presse am Sonntag" dazu auf, die türkische Offensive in Afrin zu stoppen. "Die Türkei und das syrische Regime fürchten die Demokratisierung, die wir vorantreiben. Aber ich denke, Syriens Armee ist nicht stark genug, um etwas zu unternehmen. Sie wird von den Iranern und der Hisbollah gestützt. Natürlich: Wenn sie versuchen sollte, in unser Gebiet einzudringen, werden wir uns verteidigen." Zugleich beteuert er, dass die kurdische Selbstverwaltung in Syrien keine Bedrohung für Ankara darstelle. An den Friedensgesprächen im russischen Sotschi würden die Kurden wegen der türkischen Offensive nicht teilnehmen.

Muslim war bis September Vorsitzender der Partei der demokratischen Union (PYD), die in Syriens Kurdengebieten regiert und als Schwesterorganisation der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gilt. Muslim zählt nach wie vor zum Führungsteam der PYD und der Selbstverwaltung in Nordsyrien. Ankara behauptet, er sei ein "Terrorist" und sucht ihn per Haftbefehl. (APA, 28.1.2018)