Eni (23) streamt seit zwei Jahren auf Twitch – zuvor war er im E-Sport tätig.

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Der 21-jährige Rafael streamt auf Twitch sechsmal die Woche bis zu zehn Stunden pro Tag.

Foto: Venicraft

Sie füllen mit ihren Zuschauern Fußballstadien und sind zumeist von ihren Schlafzimmern aus tätig: Streamer. Stundenlang spielen sie unterschiedliche Videospiele vor der Kamera und lassen sich von anderen dabei online zuschauen. Für die Streamer ein lohnendes Geschäft. Die beliebteste Plattform ist Twitch, wo sie durch Spenden, Produktplatzierungen und Abonnements ein regelmäßiges Einkommen haben. Auch für Spieleentwickler nehmen sie mittlerweile eine tragende Rolle ein.

Reichweite von Streamern "gigantisch"

"Streamer können helfen, das Spiel einer größeren Zielgruppe zu zeigen", sagt PR-Experte Fabian Mario Doehla, der für Sega und gog.com tätig ist. "Sie sind inzwischen eine tragende Säule und gehören genauso in die PR-Planung wie Fachmedien und Publikumsmedien", fügt Doehla hinzu. Die Reichweite der Streamer in der DACH-Region ist mittlerweile "gigantisch", und man würde laut dem PR-Experten "nachvollziehbare Auswirkungen auf Verkäufe oder Vorbestellungen merken", wenn ein Streamer ein Spiel spielt.

Bei Spieleentwicklern heißbegehrt

Dementsprechend sind diese Influencer auch bei Spieleanbietern heißbegehrt. Bei Games wie "Tom Clancy's The Division" oder "The Culling" sollen Onlinestreams gar 20 Prozent der Verkäufe ausgemacht haben. Interessierte schauten anderen beim Spielen zu und kauften danach das Game selbst. Seit 2017 kann man deshalb mit einem Mausklick Spiele direkt über die populärste Streamingplattform Twitch beziehen. Die Streamer selbst schneiden bei jedem Verkauf mit – fünf Prozent des Verkaufspreises werden an sie ausgeschüttet.

Rafael, der unter dem Namen Venicraft bekannt ist, streamt auf Twitch sechsmal die Woche bis zu zehn Stunden lang.
Foto: Twitch.tv/Venicraft

Bis zu zehn Stunden pro Tag sechsmal die Woche

Der 21-jährige Rafael aus Wien ist so ein Streamer. Unter dem Namen Venicraft ist er sechsmal die Woche auf Twitch online – manchmal sogar um die zehn Stunden pro Tag. Der 21-Jährige kann gut davon leben. Er hat mittlerweile seine eigene Wohnung mit Studio, von dem aus er streamt. 2011 startete er mit seiner Karriere, zuvor war dies aufgrund der schwachen Internetleitung in der Wohnung seiner Eltern nicht möglich.

Eni, bekannt als XoYnUzi, hat ursprünglich als E-Sportler begonnen.
Foto: twitch.tv/xoynuzi

Vom E-Sport zum Streaming

Auch Eni ist seit zwei Jahren als Streamer tätig. Der 23-Jährige, der unter dem Namen XoYnUzi bekannt ist, hatte seine Anfänge im E-Sport. Er war zeitweise einer der zehn besten "League of Legends"-Spieler in Europa und spielte in dem sogenannten "Challenger Series"-Turnier für eine der größten E-Sports-Organisationen Europas, Fnatic, mit. Bis vor sechs Monaten lebte er noch in einem sogenannten Gaminghaus in Deutschland, entschied sich dann aber, hauptberuflich zu streamen. "Ich habe schon immer gerne Leuten etwas beigebracht und bin gut im Spielen. Da habe ich mir gedacht, wenn ich ja sowieso zocke, wieso ich Leuten nicht gleich 'League of Legends' näherbringe", sagt der 23-Jährige dem STANDARD. Im E-Sport ist er zwar auch noch tätig, allerdings in Österreich, wo ein kleinerer Zeitaufwand reiche.

Die populärsten Ausschnitte auf der Streaming-Plattform.
Twitch is my city

Zwei Arten von Streamern

Fast 250.000 Follower hat Rafael auf Twitch, der aufstrebende Eni mittlerweile 57.000 Fans. Beide haben auch eine Erklärung dafür, wieso so viele Menschen anderen beim Spielen zuschauen. So soll es zwei Arten von Streamern geben – die einen sind Entertainer, die anderen Informierende. Erstgenannte Gruppe setzt alles auf Unterhaltung, während die andere den Zusehern hilft, besser bei einem Spiel zu werden. Sowohl Venicraft wie auch XoYnUzi sehen sich als eine Mischung aus beiden. Eni hatte seine Anfänge allerdings, auch aufgrund seiner Vergangenheit im E-Sport, als informativer Streamer.

Interaktion mit Fans besonders wichtig

Rafael nimmt seine Tätigkeit sehr ernst, achtet aber gleichzeitig darauf, dass er zwecks Authentizität immer noch Spaß beim Spielen hat. "Ein Tag, an dem du streamst, ist ein Schritt nach vorne, ein Tag ohne Stream sind fünf Schritte nach hinten", betont der Streamer. Ihm ist auch die Interaktion mit seinem Publikum wichtig. Er weiß sehr viel von seinen zahlenden Zusehern, die sich in einem Chat mit ihm unterhalten können. "Ich kann sagen, dass ich weiß, was bei ihnen abgeht. Es ist halt wirklich so, als würdest du mit ihnen regelmäßig reden", sagt Rafael. Dem stimmt auch Eni zu. Er fände das Streamen ohne Interaktion mit seinem Publikum monoton und hätte ansonsten vermutlich aufgehört.

Kurz vor einem Burnout

Natürlich gibt es aber auch Schattenseiten. Neben seinen Streams veröffentlichte Rafael das ganze Jahr 2017 über täglich Videos auf seinem Youtube-Kanal. Seit Jahresanfang nicht mehr. "Ich würde nicht sagen, dass ich einen Burnout hatte, aber wenn ich das jetzt noch machen würde, wäre ich jetzt komplett am Ende", erklärt der Wiener seine damalige Situation. Der 21-Jährige will nun aber zwecks Ausgleich seiner alten Leidenschaft Fitness nachgehen.

Internet regelmäßig meiden

Eni betont, wie wichtig es ist, einen Ausgleich zu finden. "In meinem ersten Jahr als Streamer hatte ich noch keinen, weil ich mich komplett auf den Job konzentrieren wollte. Das war ein großer Fehler, weil ich deswegen extrem unglücklich war." Inzwischen hat er einen strengen Zeitplan: Streamen beginnt bei ihm täglich um 9 Uhr und endet gegen 14 Uhr, sechs Tage die Woche. "Ich sehe das als Arbeitszeit, anders funktioniert das nicht. Wenn du unregelmäßige Zeiten hast, streamst du oft acht bis zehn Stunden durchgehend. Das kannst du auf längere Zeit nicht durchziehen." Nach der Arbeit versucht er deswegen sich Zeit für sich selbst zu nehmen und regelmäßig das Internet zu meiden. (Muzayen Al-Youssef, Daniel Koller, 4.2.2018)