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Wien – Das Ermittlungsverfahren rund um das milliardenschwere Autobahnprojekt samt Lobautunnel vor dem Bundesverwaltungsgericht ist geschlossen. Dieses hatte in zweiter Instanz den im März 2015 erteilten positiven Umweltverträglichkeitsbescheid für den Lückenschluss Schwechat-Süßenbrunn geprüft und im Frühjahr 2018 bestätigt.

Zusätzliche Genehmigungen nötig

Das Projekt ist aber noch nicht durch. Ausständig sind zusätzlich nötige Genehmigungen für Wasser- und Naturschutzrecht. Diesbezügliche Anträge müssen von der Asfinag in den betroffenen Bundesländern Wien und Niederösterreich eingereicht und von diesen bewilligt werden. "Das Verfahren für die Materienrechte ist bereits eingeleitet", sagte Walcher.

Bei einer positiven Entscheidung der Länder ist mit weiteren Einsprüchen von Gegnern zu rechnen. Das wäre laut Walcher "nicht überraschend". Dann käme das Autobahnprojekt samt Lobautunnel neuerdings vor das Bundesverwaltungsgericht. Walcher geht im besten Fall von einer Entscheidung Ende 2018 aus.

Bereits 50 Millionen Euro Kosten

Parallel zu den behördlichen Verfahren ist die Asfinag beim Bauprojekt "planerisch in der Detailplanung". Auch die Ausschreibung für Firmen werde bereits vorbereitet. 160 Hektar Fläche wird für das Autobahnprojekt benötigt, davon 120 permanent. Betroffen sind 109 Grundstückseigentümer. Mehr als 50 Prozent der Flächen wurden laut Asfinag schon eingelöst – vor allem im nördlichen Teil. Der zehn Kilometer lange Abschnitt Süßenbrunn-Groß-Enzersdorf (noch ohne den 8,2 Kilometer langen Tunnel) soll zuerst gebaut werden. Frühestmöglicher Start ist 2019.

Die Kostenrechnung der Asfinag für die Wiener Nordostumfahrung läuft seit 2002. "Die Kosten für die bisherigen Vorarbeiten machen 50 Millionen Euro aus", sagt Walcher. Budgetiert sind aktuell 1,9 Milliarden Euro.

Die Streitpunkte des umstrittenen Vorhabens im Überblick:

1. WIRTSCHAFT

Foto: Martin Putschögl

FÜR: Wirtschaftskammer, SPÖ, ÖVP, FPÖ und ÖAMTC sehen sich im internationalen Expertenbericht zum Lobautunnel im Auftrag der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou vollends bestätigt: Der Autobahn-Lückenschluss samt Tunnel ist alternativlos, hieß es von oben genannten Vertretern unisono. Christof Schremmer vom Institut für Raumplanung, einer der Autoren der Studie, erachtete den Lobautunnel als "unbedingt notwendig". Tatsächlich finden sich in der kürzlich präsentierten internationalen Expertenstudie gewichtige Gründe für den Bau. Die Bevölkerung Transdanubiens – in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt, aber auch im nordöstlichen Umland Wiens – wird laut Prognosen besonders stark wachsen. Gerechnet wird bis zum Jahr 2030 mit rund 110.000 zusätzlichen Einwohnern jenseits der Donau, der Bedarf an Arbeitsplätzen wird mit deutlich mehr als 60.000 beziffert. Dabei gebe es dort schon heute ein "erhebliches Arbeitsplatzdefizit". Für eine wirtschaftliche Entwicklung sei "jedenfalls nach Einschätzung potenzieller Investoren" eine S1-Donauquerung erforderlich. Vorgesehene Bauprojekte in der Seestadt Aspern und in weiteren Stadtentwicklungsgebieten müssten ohne Autobahn-Lückenschluss unterbleiben. Die Siedungs- und Wirtschaftsentwicklung in Floridsdorf, Donaustadt und dem Umland würden laut Studie ohne S1-Donauquerung "erheblich behindert und zeitlich verzögert".

WIDER: Neben der Studie der internationalen Experten wurde auch eine Grundlagenstudie der Technischen Universität Wien zum Tunnel präsentiert. Die Autoren, die auf Basis von Verkehrszahlen vier Szenarien entwickelten, kamen zu einer anderen Schlussfolgerung als die Hauptstudie.

Demnach ist das Milliardenprojekt samt Lobautunnel gar nicht nötig, um die Verkehrsbelastung und den Pkw-Anteil in Wien nachhaltig zu senken und Staus, die auch die Wirtschaft nicht schätzt, zu vermeiden, wie Experte Harald Frey ausführte. Mit einem signifikanten Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel samt flächendeckendem Parkpickerl in Wien würde das beste Ergebnis erreicht.

Auf Platz zwei kommt das Szenario mit Lobautunnel samt Öffi-Ausbau und Parkraumbewirtschaftung. Ohne diese Begleitmaßnahmen würde die Verkehrsbelastung auf der Südosttangente und der geplanten S1 mit Lobautunnel mittelfristig zunehmen. "Der Tunnel allein wäre kontraproduktiv", sagt Frey. Das würde auch "mehr Verkehrsbelastung für die Ortskerne in Transdanubien" bedeuten.

2. UMWELT

Foto: Robert Newald

FÜR: Zugegeben: Positive Umweltargumente für ein Autobahnprojekt zu finden, das die Donau und den Nationalpark Donau-Auen durchquert, ist mehr als ambitioniert. Alexander Walcher, Geschäftsführer der Asfinag-Bau-Management, ist jedenfalls von positiven Auswirkungen des Autobahn-Lückenschlusses überzeugt. So soll der gesamte Durchzugsverkehr aus dem Weinviertel und dem Marchfeld auf die Autobahn gezogen werden. Die Ortskerne in der Donaustadt sowie die volle Tangente (A23) sollen dadurch entlastet werden. "Es gibt weniger Stop-and-Go-Verkehr und damit weniger Emissionen", sagt Walcher. Der Lobautunnel unter Donau und Nationalpark würde auch nicht in das Landschaftsbild eingreifen. Das Thema Abgase bleibt freilich auch mit Tunnel erhalten.

Ursprünglich war eine Brücke über die Donau überlegt worden, erst beim Öllager sollte die Autobahn in den Nationalpark abtauchen. Diese Variante wurde, auch aus ökologischen Aspekten, verworfen, weil eine Baustelle beim Öllager sensibel gewesen wäre.

WIDER: Die Grünen bezeichnen das Autobahnprojekt, das zwischen der damals alleinregierenden SPÖ und Infrastrukturminister Hubert Gorbach (FPÖ) im Jahr 2005 paktiert wurde, als "Umweltsünde". Der grüne Umweltsprecher Rüdiger Maresch nennt den Tunnel "umweltschädlich, zu teuer und nicht stadtverträglich". Mit der Kritik sind die Grünen nicht alleine: Gleich zehn Parteien, darunter Umweltschutzorganisationen wie Virus, Bürgerinitiativen, Privatpersonen oder auch die Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf, haben gegen den im Frühjahr 2015 in erster Instanz erteilten positiven Umweltverträglichkeitsbescheid Beschwerde eingelegt. Das UVP-Verfahren läuft seit 2009 – und ist noch immer nicht abgeschlossen. Umweltschützer von verschiedenen Organisationen hatten bereits 2014 mit Verweis auf Experten davor gewarnt, dass bei höheren Grundwasserpegeln drei von vier Wannen des Lobautunnel-Projekts überschwemmt werden könnten. Zudem könnte laut einem Geologen ein riesiger unterirdischer Wasserspeicher unter dem Nationalpark durch einen undichten Tunnel kontaminiert werden. Auch die Prüfung der Erdbebensicherheit sei nicht nach dem neuesten Stand der Technik erfolgt. Als Kritikpunkte wurden auch zu lange Fluchtwege im Tunnel sowie eine mangelhafte Planung des Entlüftungssystems ins Treffen geführt. Alle Vorwürfe wies die Asfinag umgehend zurück.

(Recherche: David Krutzler, 1.2.2018)