Für starkes Übergewicht sollen laut Experten vor allem veränderte Umweltbedingungen verantwortlich sein. Die Öffentlichkeit tendiert dazu, trotzdem dem Einzelnen die Schuld zu geben.

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Fast ein Drittel der Weltbevölkerung ist übergewichtig. Wissenschafter sprechen bereits von einer globalen Gesundheitskrise, und die Weltgesundheitsorganisation fordert eine 20-prozentige Zuckersteuer für Getränke. Denn Experten sind sich einig, dass für die Zunahme von Adipositas, also starkem Übergewicht, vor allem veränderte Umweltbedingungen verantwortlich sind.

Schließlich ernähren sich Menschen in Industrienationen heute weitaus kalorienreicher als früher, während sie sich gleichzeitig weniger bewegen. "Wir haben jahrhundertelang vom Schlaraffenland geträumt. Einem Land mit Essen im Überfluss, das uns ohne Anstrengung quasi in den Mund fliegt. Heute leben wir in einem Schlaraffenland – doch das bringt neue Probleme mit sich", sagt Jutta Mata, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Mannheim und assoziierte Wissenschafterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Schuldzuweisung

Repräsentative Befragungen in Deutschland, Großbritannien und den USA zeigen: Obwohl Experten für die weltweite Zunahme von stark übergewichtigen Menschen hauptsächlich veränderte Umweltbedingungen verantwortlich machen, gibt die breite Öffentlichkeit dem Einzelnen die Schuld an seinem Übergewicht. Dieser vorherrschenden Meinung zufolge sollten Betroffene die damit zusammenhängenden medizinischen Behandlungskosten deshalb selbst tragen. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Universität Mannheim und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, welche in der Fachzeitschrift "Annals of Behavioral Medicine" veröffentlicht wurde.

Die Wissenschafter wollten wissen, wen die Befragten für starkes Übergewicht verantwortlich machen, wer ihrer Meinung nach die Behandlungskosten zahlen sollte und welche politischen Maßnahmen als wirkungsvoll angesehen werden. Um die Ergebnisse besser einordnen zu können, stellten die Wissenschafter zudem dieselben Fragen in Bezug auf Alkohol- und Tabakabhängigkeit. Die damit verbundenen Erkrankungen weisen zum einen einige Parallelen zu starkem Übergewicht auf. Zum Beispiel wird diskutiert, ob ein solches auch die Folge einer Art "Sucht nach Essen" sein könnte.

Essen als Sucht

Zum anderen wurden für sie bereits erfolgreich breite Präventions- und Interventionsmaßnahmen durchgeführt. In allen drei Ländern machten die meisten Befragten den Einzelnen für Fettleibigkeit verantwortlich, genauso wie bei Süchten wie Alkohol- oder Tabakabhängigkeit. Generell gilt: Je höher die persönliche Verantwortung bewertet wurde, desto stärker befürworteten die Befragten, dass der Einzelne für seine Behandlungskosten selbst aufkommen sollte.

In Deutschland und Großbritannien war ein gutes Drittel der Befragten dieser Meinung, in den USA waren es knapp 45 Prozent. Das Haushaltseinkommen der Befragten beeinflusste ihre Aussagen nicht.

Darüber hinaus sollten die Befragten die Wirksamkeit politischer Maßnahmen zur Prävention von Adipositas – beispielsweise hohe Steuern, reglementierte Verfügbarkeit, regulierte Vermarktung und Bewerbung sowie Kennzeichnung und Warnungen – im Vergleich zur Wirksamkeit dieser Maßnahmen in Bezug auf Prävention von Alkohol- und Tabakabhängigkeit einschätzen. Insgesamt bewerteten sie politische Maßnahmen und Regelungen gegen die Verbreitung von starkem Übergewicht als weniger wirksam als die gegen Alkohol- und Tabakabhängigkeit. Darüber hinaus wurde in allen drei Ländern eine hohe Besteuerung als am wenigsten erfolgsversprechend in Bezug auf die Bekämpfung von Adipositas angesehen, auch wenn eine solche Besteuerung zur Bekämpfung von Alkohol- und Tabakabhängigkeit als effektiv eingeschätzt wurde. (red, 5.2.2018)