Sexualgewalt zu beweisen ist schwer: Es gibt keine Zeugen, oft fehlt es an forensischen Beweisen. Die Dunkelziffer ist hoch.

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Wien – Wer anderen sexuelle Gewalt zufügt, soll härter bestraft werden: Mit dieser Forderung ging die ÖVP in den Wahlkampf, nun soll sie mit Leben erfüllt werden. Das Strafrecht könnte noch vor dem Sommer entsprechend geändert werden, kündigte Justizminister Josef Moser an.

Dabei landet ein Großteil der Sexualgewalttaten nie vor Gericht. Sexualdelikte machen 2,4 Prozent aller gerichtlichen Verurteilungen aus. Und das, obwohl laut einer Studie aus dem Jahr 2011 fast 30 Prozent der Österreicherinnen schon einmal sexuelle Gewalt erfahren haben.

Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass die Dunkelziffer bei sexueller Gewalt in Österreich besonders hoch ist.

Ohne Anzeige kein Verfahren

Eine umfassende ländervergleichende Studie aus dem Jahr 2009 kam zum Schluss, dass in Österreich weniger Sexualdelikte angezeigt werden als im europäischen Durchschnitt. Im Jahr 2006 kamen auf 100.000 Einwohner 8,5 Anzeigen – in Schweden waren es 46,5 Anzeigen. Zwar steigt die Anzeigenrate stetig an, wohl auch aufgrund besserer Aufklärung, doch auch dieses Wachstum findet hier gebremster statt als anderswo.

Was hält Frauen davon ab, Anzeige zu erstatten? Der Hauptgrund liege in der Angst, sich einer belastenden Befragungsprozedur auszusetzen, meint Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung, die sich seit Jahren dem Thema Sexualgewalt und Strafjustiz widmet. Zwar würden die Einvernahmen vor Polizei und Gericht in den meisten Fällen höchst professionell und sensibel ablaufen, sagt Haller. Die Angst davor sei trotzdem groß.

Wenn der Täter in der Nähe ist

Eine Erklärung könnte auch im Profil der Täter liegen. Laut der Untersuchung handelt es sich in 74 Prozent der Fälle sexueller Gewalt bei den Tätern um Bekannte des Opfers. In 30 Prozent der Fälle ist der Täter der Partner oder Expartner der betroffenen Frau. "Vergewaltigungen im sozialen Nahraum werden viel seltener angezeigt als Vergewaltigungen durch fremde Täter", sagt Haller.

Selbst wenn Taten bei der Polizei angezeigt werden, landen sie in vielen Fällen nicht vor Gericht. Meist fehlt es an Beweisen, weil es außer der Aussage der Betroffenen keine Anhaltspunkte gibt. Die Staatsanwälte kommen deshalb zum Schluss, dass eine Verurteilung nicht wahrscheinlich ist und stellen das Verfahren ein. Forensische Daten würden helfen. Doch auch hier schneidet Österreich im Ländervergleich schlecht ab: Nur in 45 Prozent der untersuchten Vergewaltigungsfälle wurde eine gerichtsmedizinische Untersuchung angeordnet.

Handelt es sich beim Täter um den Beziehungspartner, steht das Opfer im Strafverfahren unter besonders hohem Druck. Immer wieder komme es vor, dass die Betroffenen dem nicht standhalten und ihre Aussagen widerrufen, sagt Haller. Sollten die Strafdrohungen weiter erhöht werden, dann könnte das in solchen Fällen sogar kontraproduktiv wirken, meint die Juristin: Die Aussicht, dass der Partner für noch längere Zeit ins Gefängnis muss, könnte den Druck auf Opfer erhöhen – und sie vor einer Anzeigeerstattung abhalten.

Was die Verurteilungsrate bei Vergewaltigungen betrifft, liegt Österreich im Mittelfeld, die Quote sinkt jedoch. Obwohl im Jahr 2016 mehr Fälle angezeigt wurden als 2015, ging die Zahl der Verurteilungen leicht zurück. 2015 waren es Justizministerium 117 Verurteilungen, im Jahr darauf 109 Schuldsprüche.

Justiz besser schulen

Gegen höhere Strafen für Sexualstraftäter spricht sich die Vorsitzende des Bundesverbands der Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen Österreichs, Maria Schwarz-Schlöglmann, aus. Schon derzeit werde der Strafrahmen oft nicht ausgeschöpft. Den Grund sieht Schwarz-Schlöglmann in "mangelnder Sensibilisierung" von Staatsanwälten und Richtern: Gewalttaten, die in anderen Bereichen als schwer gelten, würden als weniger gravierend betrachtet, wenn sie im Kontext häuslicher Gewalt begangen werden, meint die Interventionsstellen-Sprecherin. Sie plädiert deshalb für einen Ausbau der themenspezifischen Schulungsmaßnahmen in der Ausbildung angehender Richter und Staatsanwälte. (Maria Sterkl, 7.2.2018)