Wien – Es lief von Anfang an schief beim Krankenhaus Nord in Wien Floridsdorf – das wird im vollständigen Rohbericht des Rechnungshofs, der dem STANDARD vorliegt, deutlich. Anhand vieler Beispiele wird klar, dass es dem Krankenanstaltsverband (KAV) vor allem an strukturierter Planung und Expertenwissen fehlte.

Ein frühes Beispiel ist die Entscheidung aus dem Jahr 2006, alle Leistungen als Public-Private-Partnership-Modell an einen Totalunternehmer zu vergeben. Die dabei stattgefunden habende Verknüpfung der Grundstücksbeistellung mit der Vergabe von Planung und Errichtung sei allerdings im internationalen Vergleich atypisch und "weder wirtschaftlich noch zweckmäßig", heißt es im Bericht.

Dass das Verhandlungsverfahren für das PPP-Modell erst fast vier Jahre später widerrufen wurde, habe für eine erste Verzögerung gesorgt. Der Preis, den der KAV letztendlich für das Grundstück zahlte, sei mit rund 292 Euro pro Quadratmeter "am oberen Ende einer vom RH ermittelten Bandbreite" von 228 bis 295 Euro pro Quadratmeter gelegen.

In der danach notwendig gewordenen neuen Vergabestrategie – mit rund 250 Verfahren, die teilweise auf einer nicht ausschreibungsreifen Planung basierten – sehen die Prüfer einen wesentlicher Grund für Mehrkosten und Verzögerungen: Die geplanten Kosten von 1,09 Milliarden Euro – ursprünglich waren 825 Millionen Euro budgetiert – würden voraussichtlich zwischen 27 und 38 Prozent überschritten werden (272 bzw. 388 Mio. Euro). Verringern kann der KAV die Kosten, wenn er sein Ziel, 200 Millionen Euro aus Versicherungen und Rückforderungen zu lukrieren, erreicht.

Empfehlungen in Umsetzung

Apropos Ziele erreichen: In der dem Bericht beiliegenden Stellungnahme des Stadtsenats wird betont, dass einige Empfehlungen bereits umgesetzt wurden bzw. dass daran gearbeitet wird, etwa an der Stärkung der Bauherrenrolle. Der Rechnungshof sieht hier nämlich einen Grund dafür, dass keine "stabile, durchgängige Projektorganisation" möglich war, weil Ressourcen fehlten und viele Leistungen ausgelagert wurden.

Auch an der Finanzierung haben die Prüfer viel auszusetzen, unter anderem, dass bereits 2006 ein Gesamtfinanzierungskonzept gefehlt habe, das habe zu einem beträchtlichen Risiko für die Kosten-, Finanz- und Liquiditätsplanung der Stadt Wien gesorgt.

Für die Wiener Neos liegt hier das Problem. Die "Grundparameter der Planung" seien nicht nachvollziehbar, die Investitionsplanung "desaströs", sagt deren Gesundheitssprecher Stefan Gara. In Hinblick auf das Spitalkonzept 2030 mit weiteren Großprojekten sei man bei den Neos deswegen alarmiert. Auch Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sieht das so. Für die "bisherigen Versäumnisse" müsse die rot-grüne Stadtregierung einstehen. "Die Selbstüberschätzung der handelnden Personen, alles selbst machen zu können, ist eine teure Fehlentscheidung geworden und wird die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch viele hunderte Millionen Euro kosten."

FPÖ sieht "Kriminalfall"

Für die Wiener FPÖ – sie hatte die Prüfung durch den Rechnungshof ursprünglich angeregt – spreche der Bericht für weitreichende Konsequenzen, so Vizebürgermeister Dominik Nepp. Man werde so bald wie möglich einen Untersuchungsausschuss einsetzen. "Und der wird nicht nur politische, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen müssen." Zuerst müsse aber die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger gehen, im kommenden Gemeinderat werde man einen Misstrauensantrag einbringen. Einen U-Ausschuss forderte zuletzt auch die ÖVP.

Wiens SPÖ-Klubobmann Christian Oxonitsch wehrt sich gegen die Angriffe der Opposition, das Krankenhaus Nord sei "weder ein Skandalfall noch ein Kriminalfall". Ja, es habe Fehler gegeben, aber "Kampfrhetorik" sei Fehl am Platz.

Bis Patienten im Krankenhaus Nord behandelt werden, wird es weiterhin dauern – auch ein Aspekt, der Eingang in den Bericht findet. Ursprünglich hätte der Betrieb 2016 starten sollen. Zuletzt sprach KAV-Direktor Herwig Wetzlinger von September 2019. (lhag, 9.2.2018)