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Der Präsident und einer seiner Oligarchen: Wladimir Putin und Oleg Deripaska beim Apec-Gipfel in Vietnam im vergangenen November.

Foto: Mikhail Klimentyev, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP

Moskau – Zur gehobenen Literatur zählt das Tagebuch zur Verführung eines Milliardärs mitnichten. Trotzdem ist es eines der derzeit am heißesten diskutierten Bücher in ganz Russland. Die Autorin Nastja Rybka – eigentlich heiß sie Anastasija Waschukewitsch, ein Escort-Girl aus Weißrussland – enthüllt darin eine pikante Affäre mit einem Dollarmilliardär, den sie "Ruslan" nennt. Ansonsten hält sich die Konspiration bei dem Büchlein allerdings in Grenzen, zumal auf ihrem Instagram-Account zumindest bis zum Wochenende zahlreiche Fotos von ihr und "Ruslan" zu sehen waren, der darauf als Oleg Deripaska zu erkennen ist.

Deripaska galt vor zehn Jahren als der reichste Mann Russlands. Selbst nach der Finanzkrise, die tiefe Risse in seinem Aluminium-Imperium hinterlassen hat, ist er nach Schätzung von "Forbes" immer noch 6,7 Milliarden Dollar (5,5 Milliarden Euro) "wert"– immerhin Platz 19 unter Russlands Oligarchen. In Österreich ist er unter anderem wegen seines Einstiegs bei der Strabag und seiner engen Beziehungen zu Magna bekannt. In Russland hingegen gilt er seit langem vor allem als eng mit dem Kreml verbunden.

Heikle Aufnahmen

Wie eng, das wurde nun durch ebenjene Nastja Rybka publik. Deren Account durchforsteten nämlich Oppositionelle um den Blogger Alexej Nawalny, und sie stießen dabei auf Bild- und Tonaufnahmen, die neben Rybka und Deripaska auf dessen Luxusyacht auch einen Mann zeigen, der so aussieht wie der Vizepremier und Leiter des russischen Regierungsapparates: Sergej Prichodko.

Nawalny bezichtigte Prichodko prompt der Korruption. Dieser habe seinen Urlaub auf der Yacht eines Oligarchen verbracht, zumal in Begleitung mehrerer Prostituierter – laut Rybka befanden sich immerhin sechs Escort-Mädchen dort. Die Anreise nach Norwegen, wo die Yacht zum Zeitpunkt der Aufnahmen im Sommer 2016 lag, erfolgte mithilfe eines Privatjets von Deripaska. Klingt nach Vorteilsannahme und einem Fall für das Ermittlungskomitee. Stattdessen wurde die Medien aufsichtsbehörde aktiv, blockierte mehrere Internetseiten, auf denen das Enthüllungsvideo zu sehen war, und verbot Medien die Weiterverbreitung der Bilder.

Außenpolitiker des Kremls

Das Brisanteste waren nicht einmal die Korruptionsvorwürfe, sondern dass Deripaska und Prichodko auf der Yacht anscheinend über die Politik gegenüber den USA verhandelten. Deripaska war schon früher von Medien verdächtigt worden, als einer der Mittelsmänner in der Affäre um die mutmaßliche Einmischung in die US-Wahlen 2016 fungiert zu haben. Immerhin stand Donald Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort auf der Gehaltsliste des Oligarchen, er soll ihm im Gegenzug für Schulden auch private Briefings angeboten haben.

Das mögen wacklige Spekulationen sein, da unklar war, welches Interesse ein russischer Oligarch an einer Unterrichtung über den US-Wahlkampf haben sollte. Für den Kreml allerdings wären diese Informationen durchaus interessant, und Prichodko lenkt die russische Außenpolitik. Nicht so laut und demonstrativ wie Außenminister Sergej Lawrow, aber kaum weniger mächtig.

Wohl auch deshalb landete die Geschichte sofort auf dem Index. Prichodko selbst will sich nicht mit einer Klage in die Öffentlichkeit drängen. Dafür klagt Oligarch Deripaska wegen Verletzung seines Privatlebens. Das Schema wurde schon bei den Korruptionsvorwürfen gegen Premier Dmitri Medwedew erfolgreich angewandt. (André Ballin aus Moskau, 11.2.2018)