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Ein Oxfam-Geschäft in London, in dem unter anderem gebrauchte Kleidung, Bücher, Spielzeug oder Haushaltswaren verkauft werden. Die Erlöse werden zur Finanzierung der Hilfsorganisation verwendet. Diesbezüglich könnte es bald zu gröberen Problemen kommen.

Foto: Reuters / Peter Nicholls

Oxford/London/Wien – "Wir haben Angst vor dem, was als Nächstes kommt", zitierte der Guardian einen Mitarbeiter von Oxfam. Die internationale Hilfsorganisation mit Sitz im britischen Oxford steht seit Freitag in den Schlagzeilen. Die Zeitung The Times hatte aufgedeckt, dass Mitarbeiter 2011 im Zuge der Erdbebenhilfe auf Haiti Prostituierte engagiert hätten. Von "Orgien" und "Sexpartys" war in britischen Medien die Rede. Dann wurde es kompliziert.

Berichte, wonach die Prostituierten von Spendengeldern bezahlt wurden, wies Oxfam prompt zurück. Ebenso, dass manche der Frauen minderjährig gewesen seien. Die NGO betonte dafür, dass 2011 eine interne Untersuchung durchgeführt wurde und man sich im Zuge dessen von sieben Mitarbeitern getrennt habe. Aber: Sex gegen Geld oder sonstige Leistungen ist laut Oxfam-Verhaltenskodex verboten, zudem ist Prostitution in Haiti illegal. Man habe aber keine Anzeige erstattet, so Oxfam, weil sie angeblich kaum Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

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Ein weiterer Vorwurf gegen Oxfam mit seinen mehr als 5.000 Mitarbeitern und über 22.000 Freiwilligen: Man habe den Vorfall zu vertuschen versucht. Die betroffenen Mitarbeiter haben danach Jobs bei anderen NGOS bekommen. Diese wurden nicht vorgewarnt, kritisieren sie nun. Sehr wohl, so Oxfam, habe man den Vorfall 2011 öffentlich gemacht. Die britische Charity Commission, die für Hilfsorganisationen zuständige staatliche Behörde, teilte am Wochenende mit, dass sie damals zwar informiert wurde. Doch betonte sie, dass viele Informationen, die nun ans Tageslicht kamen, von Oxfam damals nicht weitergeleitet wurden.

Vorwürfe auch im Tschad

Auch gibt es mittlerweile ähnliche Vorwürfe gegen Oxfam-Mitarbeiter im Tschad. Außerdem sind im letzten Jahresbericht der Organisation 87 Fälle festgehalten, in denen Mitarbeitern sexueller Missbrauch vorgeworfen wird.

Die Angst, die besagter Oxfam-Mitarbeiter hat, galt dann wohl den Ereignissen vom Montag. Denn Großbritannien ist mit umgerechnet etwa 36 Millionen Euro einer der größten Spender. Penny Mordaunt, Ministerin für internationale Zusammenarbeit, erklärte am Wochenende, die Zuwendungen zu streichen, wenn NGOs Schutzmaßnahmen gegen solche Vorfälle nicht umsetzen.

Am Montag fand deshalb ein Treffen von Vertretern der Regierung, von Oxfam und der Charity Commission statt, um die weiteren Schritte zu besprechen. Denn derlei Zuwendungen sind ohnehin ein Zankapfel auf der Insel. Großbritannien gehört zu den nur sechs Ländern weltweit, die die Vorgabe der Uno erfüllen, 0,7 Prozent des BIP in Entwicklungshilfe zu investieren. Vor allem konservative Politiker kritisieren das immer wieder.

Auch EU prüft Zahlungen

Die EU-Kommission kündigte am Montag ebenfalls an, die Hilfsmittel für Oxfam zu prüfen. Man erwarte eine rasche und transparente Aufarbeitung, so eine Sprecherin in Brüssel. Die EU hatte die Arbeit der NGO in Haiti 2011 mit 1,7 Millionen Euro unterstützt.

Oxfam könnte den drohenden Verlust dieser Zuwendungen vermutlich verkraften, laut letztem Jahresbericht hat man insgesamt etwa 461 Millionen Euro über Spenden eingenommen. Doch befürchten Mitarbeiter, dass nun auch die privaten Spenden einbrechen könnten. "So etwas führt zu einem doppelten Reputationsverlust: Die Marke wird beschädigt, und ein Teil des Spendenpublikums fällt weg", sagt denn auch Günther Lutschinger, Geschäftsführer vom Fundraising Verband Austria, zum STANDARD.

Wichtig für Oxfam sei nun eine schnelle Aufarbeitung, so Lutschinger, der auch sechs Jahre lang Präsident der European Fundraising Association war, denn bei "Spenden gehe es vor allem um Vertrauen". Als Negativbeispiel nannte er den Spendenskandal 2008 bei der deutschen Sektion von Unicef. Dabei wurden Zahlungen überhöhter Honorare und anteiliger Provisionen an externe Spendenwerber bekannt. "Nur peu à peu wurde das aufgearbeitet, der Schaden war so ein nachhaltiger", so Lutschinger. Das UN-Kinderhilfswerk hatte in der Folge einen Spendeneinbruch in Millionenhöhe zu verkraften.

Oxfam-Vizechefin tritt zurück

In einem ersten Schritt der Aufarbeitung trat am Montag die britische Oxfam-Vizechefin Penny Lawrence zurück. Sie übernehme die Verantwortung dafür, dass auf die Vorfälle nicht "adäquat" reagiert wurde, hieß es. Das Problem betrifft aber nicht nur Oxfam: Die Charity Commission gab am Montag bekannt, dass sie jährlich etwa 1000 Meldungen erhält, in denen Hilfsorganisationen in derlei Zwischenfälle involviert sind. (Kim Son Hoang, 12.2.2018)