Für im Ausland lebende Kinder wird es in der Regel zu Kürzungen bei der Familienbeihilfe kommen.

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Wien – Die von der Regierung geplante Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder stößt weiter auf Skepsis. Arbeiterkammer und ÖGB halten die schwarz-blauen Pläne für EU-rechtswidrig. Beamtenministerium und Beamtengewerkschaft sorgen sich indessen, dass die Kürzung auch österreichische Diplomaten im Ausland treffen könnte. Die Frist für Stellungnahmen zum Gesetz ist am Freitag abgelaufen.

ÖVP und FPÖ wollen die Familienbeihilfe für Kinder, die im EU-Ausland leben, an das dortige Preisniveau anpassen. In der Regel bedeutet das eine Kürzung, weil besonders viele Kinder in Osteuropa betroffen wären. Für einige EU-Länder (sowie für betroffene Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz und Norwegen) wäre aber eine Erhöhung der Zuschüsse nötig. Die Regierung erhofft sich davon Einsparungen von 114 Millionen Euro jährlich. 2016 wurden 273 Millionen Euro für 132.000 Kinder im Ausland ausbezahlt. In Kraft treten soll die Reform heuer.

Drohende EU-Rechtswidrigkeit

Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund lehnen die Pläne in ihren Stellungnahmen ab. Sie verweisen erstens auf die drohende EU-Rechtswidrigkeit des Gesetzes. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits 1986 Frankreich untersagt, Familienleistungen für in Italien lebende Kinder zu kürzen. Unter Verweis auf dieses Urteil haben zuletzt auch die EU-Kommission und der EuGH-Präsident die Regierungspläne skeptisch bewertet. Auch Slowenien, Ungarn und die Slowakei haben protestiert.

"Die Bundesregierung riskiert damit, dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung einer europarechtlichen Prüfung der Höchstgerichte nicht standhält", schreibt nun die AK dazu. Außerdem verweisen sowohl AK als auch ÖGB darauf, dass für ausländische Arbeitnehmer dieselben (Arbeitgeber-)Beiträge in den Familienfonds bezahlt werden wie für österreichische. Daher drohe ein Verstoß gegen das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort". Mit ähnlichen Gründen fordert auch der Frauenring den Verzicht auf die Kürzung.

Auch die Volksanwaltschaft schreibt klar von "Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzesentwurf, der mit unionsrechtlichen Vorgaben schwerlich zu vereinbaren ist". Konkret wird ein Verstoß gegen das im Unionrecht verankerte Freizügigkeitsrecht geortet. Alle Mitgliedstaaten seien "verpflichtet, nationale Maßnahmen zu unterlassen beziehungsweise zu beseitigen, die dieses Freizügigkeitsrecht behindern", heißt es.

Wirtschaftskammer dafür

Begrüßt wird der Plan dagegen von der Wirtschaftskammer. Sie sieht keine EU-Rechtswidrigkeit, weil die Familienbeihilfe aus dem Familienfonds finanziert wird. Und dieser werde – anders als die Sozialversicherung – nicht durch Beiträge der Arbeitnehmer gespeist, sondern durch Arbeitgeberbeiträge. Außerdem erwartet die Arbeitgebervertretung durch die Leistungskürzung Spielraum für die weitere Senkung dieser Beiträge.

Das Beamtenministerium und die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) fordern, dass die Indexierung nicht für österreichische Beamte gelten soll, die im Ausland arbeiten. Die Beamtengewerkschaft verweist in ihrer Stellungnahme zwar auf eine Bestimmung der Bundesabgabenordnung, die ohnehin festlegt, dass "Auslandsbeamte" zu behandeln sind, als hätten sie ihren Wohnsitz in Österreich. Dennoch plädiert die Gewerkschaft für eine Klarstellung, um Auslegungsprobleme zu vermeiden. Auch das von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) geführte Beamtenressort möchte so eine Klarstellung prüfen.

Die Neos lehnen eine solche Ausnahme ab. "Diese Ausnahmen sollen natürlich nur für Straches Beamten gelten; die Kinder von Pflegekräften aus Osteuropa werden weiterhin von Kürzungen betroffen sein", kritisiert Familiensprecher Michael Bernhard.

Das Familienministerium kündigte indes an, eine solche Ausnahme prüfen zu wollen. Man werde sich das Thema ansehen wie andere Begutachtungsstellungnahmen auch, sagte ein Sprecher auf APA-Anfrage. Ausständig ist allerdings noch eine europarechtliche Einschätzung des umstrittenen Gesetzes durch die zuständige Abteilung im Kanzleramt.

Nicht vergleichbar

Experten vom EuGH-Präsidenten abwärts haben auf die mögliche EU-Rechtswidrigkeit der Regierungspläne zur "Indexierung" der Familienbeihilfe hingewiesen, weil der Europäische Gerichtshof bereits 1986 Frankreich ein ähnliches Vorgehen untersagt hat. Das Familienministerium hält die beiden Fälle aber nicht für vergleichbar, wie der Sprecher von Ministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) am Freitag sagte. Frankreich habe die Zahlungen von Familienleistungen nach Italien nämlich komplett streichen wollen, Österreich plane nur die Anpassung an die Kaufkraft im jeweiligen EU-Staat.

Der Verfassungsdienst im Justizministerium wünscht sich in seiner Stellungnahme jedoch "spezifischere Aussagen" zur Vereinbarkeit der Regierungspläne mit dem EU-Recht. Konkret vermisst man angesichts der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine Begründung, "durch welche zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses die vorgeschlagene Regelung zu rechtfertigen ist". Eine Stellungnahme der für EU-Fragen zuständigen Abteilung im Kanzleramt zum Entwurf lag bis Freitagmittag nicht vor. (APA, red, 16.2.2018)