Einem Liederbuch der Burschenschaft Bruna Sudetia werden antisemitische Reime zugerechnet.

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Strache verwies am Mittwoch auf Aussagen der Burschenschaft, man habe mit den Liedtexten nichts zu tun.

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Wien – Die antisemitischen Reime aus einem Liederbuch, das der Burschenschaft Bruna Sudetia zugerechnet wird, beschäftigten auch am Mittwoch die österreichische Innenpolitik. Vizekanzler und FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache stellte sich – wie auch Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) – voll hinter die Burschenschaft und den dort verorteten Mitarbeiter Hofers, Herwig Götschober. Strache stritt einen Zusammenhang zwischen dem Liederbuch und der Burschenschaft ab und kündigte rechtliche Schritte gegen den "Falter" an, der die Lieder publikgemacht hatte. Andernorts häufen sich die Rücktrittsforderungen an Götschober und andere Mitglieder der Bruna Sudetia.

Während für Strache und Hofer die Vorwürfe haltlos sind, hat die Staatsanwaltschaft Wien am Mittwochmorgen ein Ermittlungsverfahren gegen die Bruna Sudetia eröffnet. Am Mittwochabend wurde eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der Burschenschaft im achten Bezirk durchgeführt. Götschober erklärte bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Donnerstag, dabei seien mehrere Kisten mit unbekanntem Material beschlagnahmen worden.

Götschober sagte, er wisse nicht, was in den beschlagnahmten Kisten enthalten ist: "Der Inhalt dieses Materiales ist uns nicht bekannt." Es dürfte sich dabei um Kisten aus dem zweiten Untergeschoß der "Bude" – der Räumlichkeiten der Burschenschaft – handeln. Eventuell geht es dabei "um Nachlässe von vor Jahrzehnten verstorbenen Bundesbrüdern", meinte Götschober. Er wisse weder, was der Inhalt sei, noch, ob etwas strafrechtlich Relevantes dabei sei.

Das Ministerium gab am Mittwochabend bekannt, dass Götschober bis zur Klärung der Vorwürfe beurlaubt sei. Die Staatsanwaltschaft Wien wollte die Ermittlungen auf Nachfrage vorerst nicht weiter kommentieren.

Kein Kontakt der Kultusgemeinde zu FPÖ-Politikern

Klare Worte gab es am Mittwoch von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). In seiner Rede auf dem Kongress An End to Antisemitism sagte IKG-Präsident Oskar Deutsch zum Liederbuch der Bruna Sudetia: "Solange es in der FPÖ solche Vorkommnisse gibt, wird es keinen Kontakt der Kultusgemeinde zu FPÖ-Politikern geben. In der kurzen Zeit, da die FPÖ in der Regierung ist, hat es 16 Vorfälle antisemitischer, rassistischer und rechtsradikaler Natur gegeben, wie etwa die Mitgliedschaft des Kandidaten für die Wahl in Niederösterreich in der Germania zu Wiener Neustadt oder die Bezeichnung Untermenschen für Flüchtlinge. Das sind keine Einzelfälle, sondern das ist System."

Einfluss auf Kommunalpolitik

Die Causa spielt auch in die Kommunalpolitik hinein: Nachdem Götschober am Dienstag von den Grünen als Bezirksrat des Bezirks Leopoldstadt zum Rücktritt aufgefordert worden war, meldeten sich am Mittwoch die Grünen aus dem Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus. Dort sitzt mit Dominik Weber ebenfalls ein FPÖ-Bezirksrat, der Mitglied jener Burschenschaft sein soll, in deren Liederbuch Juden unter anderem der Tod gewünscht wird oder sie als "stinkend" beschrieben werden.

Beitrag aus der "ZiB" um 6 Uhr.
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Es sei auch im 15. Bezirk mit seiner jüdischen Geschichte nicht hinnehmbar, dass "80 Jahre nach der Reichspogromnacht Antisemitismus wieder salonfähig wird", so der grüne Bezirksrat Christian Tesar. Für die Bezirksvertretungssitzung am Donnerstag habe man schon vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe die Verabschiedung einer Resolution gegen Antisemitismus geplant gehabt, die werde man nun nützen können, um zu Weber Stellung zu beziehen, so Tesar weiter.

Antisemitismus als Tradition

Die Verteidigung der Bruna Sudetia durch die FPÖ-Parteispitze ist umso bemerkenswerter, wenn man sich deren Geschichte ansieht. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) hat reichlich Material zu den sogenannten Brunen zusammengetragen: Die 1882 aus den Verbindungen Bruna und Sudetia fusionierte Burschenschaft nahm schon drei Jahre nach ihrer Entstehung keine Juden mehr auf, 1888 schmiss sie dann sogar ihre jüdischen Alten Herren hinaus.

Die Befürwortung des Nationalsozialismus ist bei der Bruna Sudetia schon 1933 dokumentiert, den Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland sahen die Brunen noch 1971 als die Erfüllung eines Traums. Während der NS-Zeit bestand die Burschenschaft als Kameradschaft Otto Planetta (benannt nach dem nationalsozialistischen Mörder von Engelbert Dollfuß) im NS-Studentenbund nahtlos weiter. Die Brunen, die zu den rechtsextremsten unter den österreichischen und deutschen Burschenschaftlern zählen, nahmen auch an Pegida-Aufmärschen in Dresden teil.

Staatsanwaltschaft ermittelt noch

In der Causa um das NS-Liederbuch der Burschenschaft Germania laufen noch die Ermittlungen, sagte Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, am Donnerstag im Gespräch mit der APA. Erste Einvernahmen hat es ja bereits gegeben, geplant sei die Befragung aller Mitglieder, die vom Landesamt für Verfassungsschutz erhoben werden. Zudem warte die Anklagebehörde auf ein Gutachten des Bundeskriminalamtes bezüglich des Zeitpunkts der Schwärzungen der inkriminierten Texte, sagte Habitzl.

Im Zuge einer Hausdurchsuchung bei der Germania waren Liederbücher mit teilweise geschwärzten Passagen sichergestellt worden. Ermittelt wird gegen vier Verdächtige, die für das 1997 neu aufgelegte Liederbuch mit NS-verherrlichenden Inhalten verantwortlich zeichneten.

"Widerlich und verurteilenswert"

Konsequenz der vom "Falter" aufgedeckten Affäre, die im Finale des niederösterreichischen Landtagswahlkampfs im Jänner hohe Wellen schlug, war der Rücktritt des FPÖ-Spitzenkandidaten von seinen politischen Ämtern im Land und in der Stadt. Bereits zuvor hatte Udo Landbauer seine Mitgliedschaft in der Pennäler-Burschenschaft zurückgelegt und bekräftigte mehrmals, mit antisemitischem und nationalsozialistischem Gedankengut nichts am Hut zu haben. Er wurde bereits von der Staatsanwaltschaft als Zeuge befragt.

Mit dem Wiener Landtagsabgeordneten Stefan Berger verließ ein weiterer FPÖ-Politiker die Burschenschaft. Er bezeichnete die Liedtexte, die er – ebenfalls – nicht gekannt habe, als "widerlich und verurteilenswert". In der Folge wurde bekannt, dass der als einer der Verdächtigen geführte damalige Buch-Illustrator SPÖ-Mitglied war – sein Parteiausschluss erfolgte umgehend. (APA, Colette M. Schmidt, Hans Rauscher, 21.2.2018)