"Wir meinen, dass es nicht in die Befugnisse der Sicherheitsbehörden fallen darf, sich bei Bestehen eines Verdachts unbemerkt in die Privatsphäre der Bürger einzuschleichen", meint Rupert Wolff

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Justizminister Josef Moser habe eigentlich eine neuerliche Begutachtung versprochen, kritisieren die Rechtsanwälte.

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Mit dem sogenannten Bundestrojaner soll es möglich werden, Dienste wie Whatsapp zu überwachen.

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Wien – Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Rupert Wolff, übt auch am neuen Sicherheitspaket der Regierung scharfe Kritik, nachdem er bereits im Jahr zuvor diesbezügliche erste Entwürfe kritisiert hat. Er beklagt, dass auch unbescholtene Bürger von der Überwachung durch Bundestrojaner betroffen sein könnten.

STANDARD: Die Rechtsanwälte haben im Vorjahr massive Kritik an den Entwürfen zum Sicherheitspaket geübt. Nun gibt es einen neuen Anlauf. Wie fällt Ihr Urteil aus?

Wolff: Wir haben die Entwürfe studiert und sind zum Schluss gekommen, dass sich im Wesentlichen nichts geändert hat. Wir finden es befremdlich, dass das Sicherheitspaket keiner erneuten Begutachtung unterzogen wird. Immerhin hat sich die Regierungskonstellation geändert. Das hat uns Justizminister Josef Moser eigentlich versprochen. Entweder hat er das vergessen, oder er hält sein Versprechen nicht ein. Ebenfalls befremdlich ist, dass in einigen Punkten sogar die Fristen erweitert wurden, was einen gravierenden Eingriff in die Rechte der Bürger darstellt.

STANDARD: Ein Beispiel dafür?

Wolff: Die Sicherheitsbehörden haben das Recht, auf Bild- und Tonüberwachungsanlagen, die von öffentlichen Anstalten, aber auch von Privaten betrieben werden, direkt zuzugreifen oder diese abzurufen. Die Aufbewahrungsverpflichtung für diese Aufnahmen durch die Sicherheitsbehörden wurde nun von zwei auf vier Wochen verlängert.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Erfassung von Autokennzeichen?

Wolff: Auch hier wurde die Frist verlängert. Automatisch erfasst werden Autotyp, Marke und Farbe des Kfz sowie die Identität des Kfz-Lenkers. Für diese Daten war im alten Entwurf eine Löschungsfrist von 48 Stunden vorgesehen, die wurde nun auf zwei Wochen erweitert. Das sehen wir kritisch. Es fehlt jegliche Begründung über die Angemessenheit dieser Maßnahme im Verhältnis zum erwünschten Erfolg. Und schließlich wurde auch das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren neu geregelt.

STANDARD: Dabei geht es um Anordnungen der Staatsanwaltschaft an einen Telefon- oder Internetbetreiber, Verbindungdaten zu speichern.

Wolff: Ja, der Zugriff auf Daten durch den Staatsanwalt erfordert zwar eine richterliche Bewilligung und ist nur bei konkretem Tatverdacht möglich, aber auch hier wurde die Dauer der Speicherung von sechs auf zwölf Monate verlängert. Das ist eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür. Wir sind der Auffassung, dass die strengen, vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien, wann eine solche Vorratsdatenspeicherung zulässig ist, damit nicht erfüllt werden.

STANDARD: Am meisten Kritik gab es bisher immer am Einsatz eines Bundestrojaners, mit dem Messengerdienste wie Whatsapp oder Skype überwacht werden können. Hat sich bei diesem Punkt an Ihrer Kritik etwas geändert?

Wolff: Dieser Punkt erfährt nach wie vor unsere ungeteilte Kritik. Künftig sollen die Behörden die Möglichkeit bekommen, durch Einbruch in Räume, in denen sich Handys oder PCs befinden, Schadsoftware auf diesen Geräte zu installieren. Alternativ dazu wird die Remote-Installation ermöglicht, also die unbemerkte Installation eines Programms auf den Endgeräten. Von unseren technischen Fachleuten wissen wir, dass solche Programme auch die Fähigkeit haben, alle Daten, die sich auf diesen Geräten befinden, abzurufen – also nicht nur die Verbindungsdaten einer Video- oder Sprachtelefonie. Wir meinen, dass es nicht in die Befugnisse der Sicherheitsbehörden fallen darf, sich bei Bestehen eines Verdachts unbemerkt in die Privatsphäre der Bürger einzuschleichen.

STANDARD: Der Bundestrojaner darf aber nur eingesetzt werden bei Straftaten mit einer Strafobergrenze von mindestens zehn Jahren, bei Verdacht auf terroristische Straftaten oder bei Straftaten mit einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren, wenn Leib und Leben und/oder die sexuelle Integrität gefährdet sind.

Wolff: Das stimmt nicht ganz. Diese Überwachungsmaßnahmen können nicht nur bei Geräten des Verdächtigen eingesetzt werden, sondern auch an Geräten von Dritten, von denen die Sicherheitsbehörde meint, dass diese mit dem Verdächtigen in Verbindung treten könnten. Damit wird der Personenkreis der potenziell Betroffenen deutlich erweitert. Laut dem Gesetzesentwurf kann die Sicherheitsbehörde also auch auf Computern von unbescholtenen Bürgern einen Bundestrojaner installieren.

STANDARD: Gibt es auch Verbesserungen gegenüber den alten Entwürfen?

Wolff: In drei Bereichen schon. Bei den Sicherheitsforen – das sind von Bürgern organisierte Gruppen, die sich um die Sicherheit im Bezirk oder im Wohnblock kümmern – gab es eine Entschärfung. Diese bekommen doch nicht das Recht, Daten von Behörden abzufragen. Positiv ist auch die Bestimmung betreffend Netzsperren. Da war ursprünglich vorgesehen, dass Internetprovider die Möglichkeit haben, eine Art Zensur auszuüben und bestimmte Seiten einfach zu sperren. Das ist nicht mehr drinnen.

STANDARD: Und der dritte Punkt?

Wolff: Die akustische Überwachung in Fahrzeugen soll nurmehr angewandt werden bei Delikten mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe. Im alten Entwurf waren es fünf Jahre. (Günther Oswald, 22.2.2018)