"Ich bin vor etwa zwei Jahren mit dem Tiermedizinstudium fertig geworden. Das Studium war lang und ziemlich hart. Das letzte Jahr musste ich mir von meiner Familie und Freunden Geld ausborgen, da ich keinen Unterhalt mehr bekam und sich Arbeiten neben Vorlesungen und Diplomarbeit einfach nicht ausgegangen wäre. Bei meinem Start ins Arbeitsleben hatte ich also schon über 5000 Euro Schulden.

Kurz vor meinem Abschluss habe ich zwei Monate in einer Klinik hospitiert, ohne Anstellung. Der Chef hat mir für die zwei Monate allerdings 500 Euro aus der eigenen Tasche gegeben.

Nach dem Studium habe ich dann ein sogenanntes Akademikertraining für drei Monate an dieser Klinik beantragt. Das wird vom Arbeitsmarktservice finanziert, man bekommt in etwa die Mindestsicherung, also um die 750 Euro pro Monat. Somit wurde meine Vollzeitarbeit in der Klinik zumindest soweit bezahlt, dass ich knapp damit auskam. In dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt und bin so langsam ins Tierärztinnensein reingekommen, was natürlich auch sehr anstrengend ist.

Pause von allem

Im Sommer brauchte ich eine Pause von allem. Ich habe ein bisschen als Tierbetreuerin und in einem Besucherzentrum gearbeitet und mich vorwiegend um meine Doktorarbeit (mit etwa 400 Euro pro Monat finanziert) gekümmert. In dieser Zeit habe ich beschlossen, dass ich keine Anstellung im klinisch-praktischen Bereich suchen werde, weil ich gesehen habe, wie heftig das ist und wie wenig man bezahlt bekommt. Im Frühjahr 2017 habe ich dann einen Job als Selbstständige entdeckt, bei einer Firma, die Kontrollen für Gütesiegel und Zertifizierungen durchführt. Im Herbst fing ich dort an, neben meiner Anstellung an der Klinik.

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In der Klinik kündigte die Tierärztin, mit der der STANDARD für diese Serie gesprochen hat. Nun arbeitet sie selbstständig zwei Tage pro Woche für 1600 Euro netto im Monat.
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Denn im Sommer kam die Klinik auf mich zu, man brauche mich dort unbedingt, hieß es. Ich willigte ein, eine einwöchige Urlaubsvertretung zu machen – ich kannte ja alles soweit. Aus einer Woche wurden sechs Monate. Offiziell habe ich, nach der Urlaubsvertretung, 16 Stunden gearbeitet, also zwei Tage in der Woche – immer an den Wochenenden. Verdient habe ich ungefähr 670 Euro netto (11,63 Euro brutto, 9,73 Euro netto pro Stunde). Das heißt nicht einmal zehn Euro pro Stunde netto.

Schweren Herzens gekündigt

Bei 16 Stunden blieb es nicht. Aufgrund von Urlauben, Fortbildungen und Krankenständen der anderen Tierärzte arbeitete ich die ersten zwei Monate circa 35 Stunden pro Woche. Für eine Mehrarbeitsstunde bekam ich brutto 14,53 Euro. Diese bekamen wir allerdings nur zweimal jährlich ausbezahlt.

Nach sechs Monaten habe ich schweren Herzens gekündigt. Das Team und die medizinischen Möglichkeiten waren großartig, dennoch überwog für mich die Belastung die Freude an der Arbeit. Ich finde die Bezahlung für die Menge an Verantwortung, benötigtem Wissen und täglichen Anstrengungen nicht gerechtfertigt. Auch wenn, im Vergleich zu anderen Praxen, diese Klinik ohnehin schon besser zahlte.

Ein zusätzlicher Grund war der ständige Zeitdruck. Ich hatte das Gefühl, nicht genug Zeit für die Patienten zu haben, geschweige denn für Pausen. Zu erkennen, was das Problem ist, und die geeignete Therapie auszuwählen – das alles in einer Viertelstunde schaffen zu müssen ist herausfordernd.

1600 Euro pro Monat

Nun habe ich also 'nur' noch den Job als Selbstständige und meine, seit kurzem nicht mehr finanzierte, Doktorarbeit. Ich bekomme die Aufträge von der Firma und mache mir die Termine selbst aus. Dann fahre ich hin, mache zuerst einen Stallrundgang, lasse mir alles erklären, messe eventuell die Boxen aus und nehme Proben. Am Ende fülle ich eine Checkliste aus und schreibe Anmerkungen. So eine Kontrolle dauert zwischen zwei und drei Stunden pro Betrieb.

Pro zweistündiger Kontrolle bekomme ich 54 Euro brutto. Pro zusätzliche Stunde im Betrieb brutto 26 Euro pro Stunde. Dazu werden Kilometergeld (0,42 Euro/ Kilometer) und Übernachtungen bezahlt.

Mit den Tieren habe ich nun weniger direkt zu tun, ich bin lediglich ein Kontrollorgan für ihr Wohlergehen. Das bedeutet weniger Krankheit, Leid und Tod und dafür mehr Natur, Ruhe, Selbstständigkeit, Flexibilität und Freiheit. Und eine bessere Bezahlung.

Einnahmen und Ausgaben im Überblick.
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Wenn ich zwei Tage pro Woche arbeite und ungefähr 200 netto pro Tag verdiene, komme ich auf 1600 Euro pro Monat. Eine ehemalige Studienkollegin, die 50 Stunden in einer Praxis arbeitet, verdient etwa dasselbe. Ein 13. und 14. Gehalt bekomme ich allerdings als Selbstständige nicht.

Für geringen Lohn arbeiten

Warum Tierärzte im klinischen Bereich weniger verdienen als Humanmediziner? Ich glaube, weil viele meinen, man tue das freiwillig, weil man Tiere liebt. Auch mit Kunden gibt es immer wieder Diskussionen, weil sie nicht verstehen, warum sie so viel bezahlen sollen. Das Verständnis, dass die Medizin für Mensch und Tier die gleiche ist und dementsprechend das Gleiche kostet, ist nicht vorhanden. Das andere Problem ist, dass sehr viele junge Tierärztinnen und Tierärzte bereit sind, für einen geringen Lohn zu arbeiten.

Alle Tierärzte müssen auch verpflichtend einen Betrag an die Tierärztekammer zahlen. Das sind etwa 300 Euro pro Monat. Je mehr man verdient, desto höher sind die Beiträge.

Ausgaben gering halten

Ich wohne gemeinsam mit zwei anderen in einem gemieteten alten Haus im 22. Bezirk in Wien. Wir haben einen Garten und eine Garage. Meine Miete beträgt, inklusive Betriebskosten, 480 Euro pro Monat. Ich habe eine Rechtsschutzversicherung (zehn Euro pro Monat), Autoversicherung (60 Euro im Monat), Haushaltsversicherung (15 Euro im Monat) und Sozialversicherung (60 Euro im Monat). Telefonieren kostet mich etwa 20 Euro pro Monat. Ich habe Haustiere zu versorgen und betreibe regelmäßig Sport, was ebenfalls kostet. Sporadisch gehe ich essen.

Da es geldmäßig in den letzten Jahren immer sehr knapp war, versuche ich, meine Ausgaben möglichst gering zu halten. Ich kaufe sehr wenige Lebensmittel ein. Im Sommer baue ich Gemüse und Obst selbst an. Seit zwei Jahre hole ich über einen Verein abgelaufene Lebensmittel bei Supermärkten ab. Der Großteil kommt in ein Flüchtlingsheim, als 'Bezahlung' kann ich mir Lebensmittel für den eigenen Gebrauch mitnehmen. Davor bin ich Dumpstern (Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten mitnehmen, Anm.) gegangen. Mittlerweile habe ich schon etwa 800 Euro meiner Schulden abbezahlt." (Gesprächsprotokoll: Lisa Breit, 24.2.2018)