Hat sich der Distanzierungs- und Klarstellungswut enthalten: Rolf Holub.

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In der österreichischen Geschichte der Jahre 2017 und 2018 gibt es eine Erzählung, die wie folgt lautet: Die Grünen sind am absteigenden Ast, machen sich selbst kaputt und sind kaum mehr wählbar. Und wie bei solchen Narrativen einer informellen Kampagne gleich üblich, wird alles, was auch nur im Entferntesten dazu passt, darunter subsumiert und als Bestätigung dafür empfunden.

Diese Geschichte hat natürlich viele Auslöser und die grausliche bürgerliche Biederkeit, mit der sich die Grünen seit Jahren präsentieren, ist darunter sicher nicht der geringste. Egal ob rechtskonservative Hofratswitwe oder linksintellektueller Innenstadt-Literat, die Grünen blöd zu finden, ist immer hip, ein kleinster gemeinsamer Nenner für gefühlt alle.

Moralische Überlegenheit

Und so wird auch der Fall einer ehemaligen Politikerin, die jetzt für einen Glücksspielkonzern arbeitet, dankbar aufgenommen und anhand des allgegenwärtigen Deutungsrahmens ausgeschlachtet. Zeitungen veröffentlichen Leitartikel und Schlagzeilen, soziale Medien kochen über vor lauter Empörung, die in ihrem Pathos von moralischer Überlegenheit kaum zu überbieten ist. Man hat förmlich das Gefühl, eines über alle Anschauungen hinausgehenden, integrativen Elements, das es vor Häme strotzenden Rechten genauso wie in ihrer Enttäuschung stolz gewordenen Linken erlaubt, Arm in Arm aus einem Mund "Ha, die Grünen, als ob wir es nicht gewusst hätten" zu tönen.

Und wenn etwas derart breite Zustimmung findet, dann können natürlich auch die Grünen selbst nicht außen vor bleiben und schon stimmen sonst kluge Politiker vom EU-Abgeordneten Michel Reimon bis zum Salzburger Landtagsabgeordneten Simon Heilig-Hofbauer ein in den Chor all derer, die die Untragbarkeit Eva Glawischnigs beschwören und damit die "die Grünen sind kaputt"-Maschine zu einer weiteren Runde anheizen. Einzig Rolf Holub, der von all dem wohl am direktesten betroffen ist, scheint ein bisschen schlauer zu sein und sich der umgehenden Distanzierungs- und Klarstellungswut, die in seiner Partei ausgebrochen ist und die Arbeit des politischen Gegners besser macht, als der das selbst je könnte, zu enthalten.

Grünes Spektakel

Dass Glawischnig seit über einem halben Jahr mit der Parteipolitik nichts mehr zu tun hat und in ihrer aktiven Zeit – also dem, woran eine Politikerin zu messen ist – gegenüber dem Problem des Glücksspiels eine untadelige und eindeutige Position vertreten hat, dass die Grünen nach wie vor klare Positionen in diesem Feld vertreten, dass in anderen Parteien ausgediente Politikerinnen und Politiker viel problematischere Rollen gespielt haben (Gusenbauer et al), das alles ist genauso uninteressant, wie die Themen, die vor der Kärnten-Wahl eigentlich die Gemüter bewegen sollten, wie der Populismus der beiden Kartellparteien oder dem wohl in seinem Rassismus niederträchtigsten FPÖ-Wahlkampf seit langem, dem gegenüber die Grünen mit ihrem gewohnt – sicher zu kritisierenden, aber eben doch wieder – konsistenten Wahlprogramm quasi fast schon ein Alleinstellungsmerkmal haben. Das alles scheint reizlos angesichts der viel ergiebigeren Möglichkeit, sich von Kommentarspalten bis zu Twitter geistreich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und dem Spektakel hinzugeben: "Die Grünen machen sich selbst kaputt. Haha". (Maximilian Hofbauer, 4.3.2018)