Kritisiert die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) und verteidigt die karitative Tätigkeit des grünen Planungssprechers Christoph Chorherr: die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Wo konnten sich die Grünen zuletzt gegen die Wiener SPÖ durchsetzen?

Vassilakou: Eines vorweg: In der Politik soll es nicht darum gehen, wer wem ans Bein gepinkelt hat. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Bei der Rettung der Mindestsicherung ist eine deutlich grüne Handschrift zu finden. Mit den Grünen wird es nie möglich sein, bei jenen zu kürzen, die vom Existenzminimum leben müssen. Bürgermeister Häupl war bei den Verhandlungen sehr unterstützend. Mit Blick auf sieben Jahre Zusammenarbeit mit der SPÖ würde ich sagen: Das Nachgeben bei Kompromissen war recht ausgewogen.

STANDARD: Die Grünen fordern Umweltzonen in Wien, für SPÖ-Stadträtin Ulli Sima wird es diese hingegen definitiv nicht geben. Ist das Thema damit erledigt?

Vassilakou: Eine Umweltstadträtin, die gegen Umweltzonen ausreitet, ist ein bisschen wie eine Gesundheitsministerin, die mir erklärt, dass das Rauchen kein Problem ist. Wir müssen darüber diskutieren, ob Umweltzonen oder Ausweitungen des Parkpickerls für Wien der bessere Weg sind. Dass es weitere Maßnahmen braucht, steht außer Frage.

STANDARD: Sima beruft sich aber auf Studien, dass Wien kein Luftgüteproblem hat.

Vassilakou: Für all jene Wiener, die entlang von stark befahrenen Straßen wohnen, ist die Luftqualität sehr wohl ein Problem. Wien braucht jetzt den großen Wurf. Den gibt es nach wie vor nicht. Nach anfänglichen Erfolgen durch das Öffi-Jahresticket oder das Parkpickerl stagnieren wir.

STANDARD: Sie haben angekündigt, im Frühjahr eine Studie zu Umweltzonen zu präsentieren. Werden Sie diese vorstellen – oder wird sie in der Rundablage verschwinden?

Vassilakou: Wenn diese Berechnungen vorliegen, wissen wir, was zu tun ist. Dass wir etwas tun müssen, liegt auf der Hand.

STANDARD: Sie fordern einen massiven Ausbau der Öffis samt Parkpickerl in ganz Wien – egal ob der Lobautunnel kommt oder nicht. Da sind enorme Investitionen nötig. Wurden die Pläne mit der SPÖ akkordiert?

Vassilakou: Der Tunnel ist ein sündhaft teures Prestigeprojekt, das Milliarden kosten wird. Dieses Geld, investiert in Öffis, würde der Region viel mehr bringen. Am Öffi-Ausbau führt kein Weg vorbei, sonst ist auch der Lobautunnel nicht nachhaltig verkehrswirksam. Die genauen Kosten für dieses Aktionsprogramm werden wir nun gemeinsam errechnen und danach alle Parteien zu Gesprächen einladen. Nach Möglichkeit sollten das Öffi-Ausbauprogramm und die Einführung des Parkpickerls in ganz Wien bis 2025 abgeschlossen sein.

STANDARD: Groß angekündigte grüne Projekte sucht man derzeit vergebens. Was ist mit dem neuen Busbahnhof oder der Umgestaltung des Schwedenplatzes?

Vassilakou: Das letzte große Projekt war die Sanierung des Stephansplatzes, das hat uns für zwei Jahre alle Geldmittel abverlangt. Das ist fertig, jetzt geht der Umbau des Schwedenplatzes los. Die Bauarbeiten wird man 2019 wahrnehmen. Im ersten Bezirk könnten wir in Absprache Grätzeln schaffen, wo nur Anrainerverkehr möglich sein wird – nach dem Vorbild Salzburgs. Das wäre für Wien neu.

STANDARD: Der Busbahnhof wurde 2014 angekündigt, alle drei angedachten Standorte wurden nichts. Steht man hier wieder am Anfang?

Vassilakou: Nicht ganz. Aufgrund der ablehnenden Haltung des Bezirks prüfen wir die Waldmanngründe beim Hauptbahnhof. Nachteil ist, dass Busse dorthin wesentlich länger durch die Stadt fahren müssen als beim Verteilerkreis. Wenn die beste Lösung nicht geht, muss die zweitbeste herhalten.

STANDARD: Sie haben eine Neuausrichtung der Grünen in Wien angekündigt. Werden Sie die Grünen in die Wien-Wahl 2020 führen?

Vassilakou: Ich habe sehr viel vor. Was die Kandidatur 2020 betrifft, bin ich am Nachdenken.

STANDARD: Gegen den grünen Planungssprecher Christoph Chorherr regt sich Kritik, weil er hohe Spenden für seinen karitativen Verein von Immobilienfirmen und auch der Stadt Wien erhielt – und dafür teils selbst im Gemeinderat mitstimmte. Was sagen Sie dazu?

Vassilakou: Chorherr unterstützt mit diesem Verein seit Jahrzehnten Schulprojekte in Südafrika, die Kindern aus den Townships die Möglichkeit geben, die Schule zu besuchen. Und das in einer Zeit, wo alle über Massenmigration von Afrika nach Europa und Hilfe vor Ort reden. Ich stelle umgekehrt die Frage: Darf ein Politiker karitativ tätig sein oder nicht?

STANDARD: Gegenfrage: Soll ein Politiker für seine Vereine im Gemeinderat mitstimmen dürfen?

Vassilakou: Dann kann kein Politiker mehr in Sozialvereinen tätig sein, weil Gemeinderäte unweigerlich Subventionen beschließen. In vielen Vereinen in Österreich sind Gemeinderäte aus allen Parteien in Vorständen zu finden. Hier eine Verflechtung zu sehen halte ich für verwegen. Chorherr hat trotzdem seine Obmannschaft in den Vereinen zurückgelegt.

STANDARD: Ist die Sache damit für Sie erledigt?

Vassilakou: Er hatte von Anfang an mein Vertrauen. Und er wird es bis zum Schluss haben. Wir sind alle darauf bedacht, Transparenz zu schaffen. Gemeinderäte sollten offenlegen, in welchen Vereinen sie im Vorstand sitzen. Aber wir sollten auch nicht eine Debatte vorantreiben, an deren Ende Politiker sich nicht mehr trauen, karitativ tätig zu sein.

STANDARD: Die Zahl der Leihräder in Wien stieg zuletzt rasant. Sie werden aber auch vermehrt widerrechtlich geparkt oder weggeworfen. Sie kündigten schärfere Regeln an. Wie sieht es diesbezüglich aus?

Vassilakou: Diese Räder, richtig eingesetzt, können eine Bereicherung sein. In Wien artete das Ganze Richtung Plage aus. Jetzt kommen strikte Regeln für die Firmen. Räder müssen korrekt abgestellt und dürfen nicht beschädigt sein. Wenn Anbieter das nicht erfüllen, werden Räder kostenpflichtig entfernt. Wiederholungstäter verlieren die Berechtigung, Räder aufzustellen. Das ist eine gute Gelegenheit, um Arbeitsplätze in Wien zu schaffen, wozu ich die Anbieter herzlich einladen möchte. Wir wollen nicht, dass die Stadt mit Radleichen zugemüllt wird. (David Krutzler, 5.3.2018)