Die Schilderungen der Polizei und der betroffenen Frau gehen auseinander. Die Gesetzeslage sei "hochproblematisch", sagen Juristen.

Foto: Robert Newald

Schwaz – Elisabeth S. will eine Erklärung. Am Nachmittag des 24. Jänner, die 62-Jährige war mit ihren zwei und vier Jahre alten Enkerln vom Skifahren nach Hause gekommen, fuhren drei Polizeiautos in ihrer Einfahrt auf. Sechs Beamte "stürmten", so ihre Erinnerung, auf die Frau zu und wollten forsch wissen, "wo die Asylanten sind". Nachdem sie es nicht sagen konnte, hätte die Polizei ohne ihre Erlaubnis das Haus betreten, um drei bei S. gemeldete Asylberechtigte zu suchen.

Bei den Beamten handelte es sich um Mitglieder der fremdenpolizeilichen Sonderermittlungsgruppe gegen Sozialbetrug, eines Pilotprojekts, das seit Juni 2017 in Tirol läuft. Landeshauptmann Günther Platter und der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) haben diesen Pilotversuch im Rahmen der Tiroler Sicherheitsvereinbarung im Jänner 2017 beschlossen. Bis heute, so die Erfolgsbilanz der Polizei, habe man rund 120 Delikte mit einer Schadenssumme von über 500.000 Euro ausgeforscht.

Nur Ausländer im Visier

Ermittelt wird auf Basis des Paragrafen 119 des Fremdenpolizeigesetzes. Eines "Spezialgesetzes", wie man bei der Fremdenpolizei erklärt, das die unrechtmäßige Inanspruchnahme von Sozialleistungen von Nichtösterreichern betrifft. Ziel der Ermittlungen sind daher ausschließlich Ausländer. Wobei die Fremdenpolizei anmerkt, dass – sollten sich im Zuge der Ermittlungen Verdachtsmomente gegen involvierte Inländer ergeben – auf Basis herkömmlicher Strafgesetzgebung hinsichtlich Betrugs auch gegen diese ermittelt werde.

Wie nun aber Frau S., die sich seit Jahren ehrenamtlich für Flüchtlinge engagiert, ins Visier der Ermittler geraten konnte, ist ihr schleierhaft. In ihrem Haus waren kurzfristig ein syrischer Vater und seine beiden Töchter gemeldet. Die drei gehören zu einer siebenköpfigen Familie, die seit 2015 als anerkannte Flüchtlinge in Österreich sind. Weil man keine passende Wohnung für die Familie im Ort finden konnte, bot S. an, die drei vorerst bei sich aufzunehmen. "Alles war ordnungsgemäß angemeldet, ich habe sogar die Müllgebühren bei der Gemeinde für sie entrichtet", erklärt die Frau. Und sie hat keine Miete verlangt: "Ich dachte, damit spare ich dem Sozialamt Geld."

Behörde sah keinen Grund für Einsatz

Auch die zuständige Bezirkshauptmannschaft (BH) in Schwaz bestätigt, dass es weder gegen S. noch die Familie einen Verdacht auf unrechtmäßig bezogene Sozialleistungen gegeben habe. Die BH versichert, keinerlei derartige Meldung an die Polizei getätigt zu haben. Warum diese aktiv wurde, sei nicht bekannt. Seitens der Polizei verweist man darauf, dem Verdacht einer Scheinmeldung nachgegangen zu sein.

S. erlebte den Polizeieinsatz als "Überfall" und beklagt "das grobe Vorgehen" der Beamten, die ihr bis heute nicht erklärt hätten, warum sie ohne Durchsuchungsbefehl oder Begründung in ihr Haus eingedrungen sind.

Die Polizei weist diese Darstellung zurück. Der "Besuch" sei ordnungsgemäß abgelaufen. Man habe Nachschau gehalten, weil eine unrechtmäßig aufhältige Person im Haus vermutet wurde, und das sei S. auch so mitgeteilt worden. Ein wichtiges Detail, denn der Verdacht des Sozialbetruges hätte ein solches Eindringen in das Haus nicht gerechtfertigt, eine illegal aufhältige Person schon.

Entwertung eines Grundrechtes

Woher nun aber der Verdacht gerührt habe, dass bei S. illegal Aufhältige versteckt seien, obwohl alle Familienmitglieder einen gültigen Aufenthaltstitel haben, dazu wird von der Fremdenpolizei keine Auskunft gegeben. Es handle sich um ein laufendes Verfahren. Die Polizei ließ S. wissen, dass weitere Erhebungen ergeben hätten, dass gegen sie wegen "verwaltungsstrafrechtlicher Tatbestände" Anzeige bei der BH erstattet werde. Auch die syrische Familie sei angezeigt worden. Bei der BH Schwaz sind allerdings keinerlei Anzeigen bekannt.

Der auf Fremdenrecht spezialisierte Jurist Georg Bürstmayr hält die im Fremdenpolizeigesetz festgeschriebene Ermächtigung zum Bruch des Hausrechtes in derlei vagen Verdachtsmomenten, wie auch die Rechtsanwaltskammer, für "hochproblematisch": "Man kann wahnsinnig schnell in so einen Verdacht geraten." Damit werde ein Grundrecht entwertet. (Steffen Arora, 16.3.2018)