Vor einigen Wochen war hier im Blog zu lesen, wie man im Mittelalter Lebensmittel haltbar machte. Neben Techniken wie Trocknen, Salzen, Zuckern, Abkochen, Einlegen oder Räuchern, gibt es schon seit der Frühzeit die Methode der Fermentation durch Mikroorganismen, genauer durch Bakterien und vor allem durch Pilze. Diese Art der Konservierung wurde erstmals durch Louis Pasteur (1822–1895) im Jahre 1857 wissenschaftlich beobachtet und als vie sans l’air (Leben ohne Luft) beschrieben. Der Ausdruck Fermentation (lat. fermentare, gären) wurde ebenfalls von dem französischen Chemiker eingeführt. Die Lebensmittelkonservierung durch Mikroorganismen gibt es wahrscheinlich schon seit dem Neolithikum, als die Menschen die Kunst der Töpferei erlernten und damit die Lagerung von (flüssigen) Lebensmitteln möglich wurde.

Es gab und gibt vier Gründe, um Lebensmittel durch Fermentation zu verändern: 1. die Konservierung durch Säuren (Milch-, Essigsäure), Alkohol, Biozide und so weiter, 2. die Erhöhung der Lebensmittelsicherheit durch die Hemmung von schädlichen Mikroorganismen oder Abbau von giftigen Bestandteilen, 3. die Erhöhung des Nährwertes durch Aufspaltung schlecht beziehungsweise unverdaulicher Eiweiße und Mehrfachzucker (Stärke) und 4. die Erzeugung von organoleptischen (geschmacklichen) Qualitäten, hier vor allem der sogenannte fünfte Geschmack umami – neben süß, sauer, salzig, bitter.

Käseherstellung (Tacuinum sanitatis, Rom, Biblioteca Casatanense 4182, 14. Jh.)
Foto: Public Domain

Die Geschichte des Schimmelkäses

Käse wurde vermutlich erstmalig vor etwa 8.000 Jahren im Zweistromland aus Ziegen- und Schafmilch in Folge der Agrarrevolution produziert. Um aus Milch Käse zu machen, gibt es zwei Möglichkeiten: Koagulation (Gerinnung) durch Säure (Hüttenkäse, Quark, Frischkäse, Queso blanco) oder durch den Zusatz von Lab, einem Enzym aus dem Kälbermagen. Die Veredelung des Käses durch Schimmelpilze ist seit mehr als 1.000 Jahren bekannt. Zu den ältesten dokumentierten Schimmelkäsen gehören der Gorgonzola (897 n. Chr.), Roquefort (1070), Stilton (1785) und Camembert (1791). Durch die Reifung unter dem Einfluss von bestimmten Schimmelpilzen kommt es zu chemischen Reaktionen im Käse, die dessen Eigenschaften teils massiv verändern. Es werden die Hauptbestandteile Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße durch Glycolyse (Zuckerspaltung – macht den Käse süßer), Lipolyse (Fettspaltung – der Käse wird weicher) und Proteolyse (Eiweißspaltung – der Käse bekommt einen anderen Geschmack und Geruch) umgeformt. Daneben kommt es durch den Stoffwechsel der Pilze auch zur Bildung von neuen Molekülen, die für den jeweils charakteristischen Geruch und Geschmack verantwortlich sind. So wird im reifenden Blauschimmelkäse unter anderem 2-Heptanon gebildet, eine farblose Flüssigkeit, die den typischen Schimmelgeruch ausmacht.

Schimmel im Inneren ...

Zur Erzeugung von Blauschimmelkäse werden vor allem Schimmelpilze der Gattung Penicillium (Pinselschimmel) eingesetzt. Diese werden auf extra dafür gebackenen Brotlaiben gezüchtet, bis diese gänzlich von Schimmel durchwachsen sind. Das verschimmelte Brot wird getrocknet, vermahlen, verflüssigt und mit einer Spritze in den noch unreifen Käse eingebracht.

Mikroskopische Aufnahme von Penicillium roqueforti, einem typischen Pinselschimmel.
Foto: Walter Buzina

Der wahrscheinlich bekannteste Blauschimmelkäse ist der aus Schafsmilch hergestellte Roquefort. Schon der römische Gelehrte Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) erwähnte in seinen Aufzeichnungen einen Käse, der stark an den Roquefort erinnert (Naturalis Historiae XI 97):

"Et caprarum gregibus sua laus est, in recenti maxime augente gratiam fumo, qualis in ipsa urbe conficitur cunctis praeferendus; nam Galliarum sapor medicamenti vim optinet."

"Auch die Ziegenherden liefern einen geschätzten Käse, wie er in der Stadt selbst zubereitet wird, ist allen anderen vorzuziehen; denn der aus Gallien kommende (Käse) hat den starken Geschmack einer Arznei."

Der erste schriftliche Beleg für Roquefort findet sich in den Büchern des Klosters Conques bei Roquefort-sur-Soulzon und stammt aus dem Jahr 1060. Bereits 1411 erließ Karl VI. eine Schutzbestimmung für die Herstellung von Roquefort. 1925 erhielt der Roquefort als erster französischer Käse das AOC-Siegel (Appellation d’Origine Contrôlée), das seinen Namen schützt und seine kontrollierte Herkunft gewährleistet. Auch heute noch darf ein Käse nur dann Roquefort heißen, wenn er in den Höhlen am Cambalou-Berg in der Nähe des Ortes Roquefort gereift ist. Zu den bekanntesten Blauschimmelkäsen in Europa gehören neben dem Roquefort der Bleu d’Auverne (F), Saint Agur (F), Gorgonzola (I), Dolce Latte (I), Blue Stilton (GB), Bavaria Blu (D), Bergader (D), Castello Blue (DK), Queso de Cabrales (SP), aber zum Beispiel auch die österreichischen Käsesorten Österkron, Ennstaler Steirakas und Vorarlberger Ziegenbrie (Blau- und Weissschimmel).

Blauschimmelkäse mit Pilzrasen auf den Oberflächen
Foto: Walter Buzina

... Schimmel von außen

Weissschimmelkäse, wie der Camembert aus der Normandie und der Brie aus Meaux oder Melun, werden nur äußerlich mit dem Schimmelpilz Penicillium camemberti behandelt. Während des Wiener Kongresses 1815 wurde der Brie de Meaux zum "König aller Käse" gekürt, als der französische Diplomat Talleyrand zur Auflockerung der Verhandlungen um die Neuordnung Europas nach den napoleonischen Kriegen einen Wettbewerb veranstaltete, bei dem Staatenvertreter aus Europa ihre landestypischen Käsesorten präsentierten. Der echte Camembert durfte ursprünglich nur aus Rohmilch (von der Kuh) hergestellt werden, doch erst vor kurzem wurde nach zehnjährigem Streit auch der Einsatz von pasteurisierter Milch erlaubt – der "Camembert-Krieg" in Frankreich war somit beendet.

Eine für den Brie typische Spanschachtel.
Foto: Walter Buzina

Um die Entstehung dieser Käse ranken sich die wildesten Legenden, Hannes Etzelsdorfer fasst eine für die Entstehung des Camemberts zusammen: 

"Einzelne berühmte Sorten sollten im 18. Jahrhundert erfunden werden, wie der Camembert, der seine Entstehung Madame Marie Harel (1761–1818) verdankt. Harel stammt aus dem Dörfchen Camembert, das fünf Kilometer von Vimoutiers im Herzen der Normandie entfernt liegt und wo sie nach alter Tradition laut Ehevertrag auch die Käsebereitung auf dem Hof übernahm. Als im Zuge der blutigen Französischen Revolution der junge Priester Abbé Gobert aus Brie, wo man schon seit dem 11. Jahrhundert den bäuerlichen Brie-Käse erzeugte, bei seiner Cousine Marie Harel Zuflucht vor dem Terror suchte, soll er sie in die Kunst des Käsemachens eingeweiht haben. In monatelangen Experimenten entwickelten sie dann ihre spezielle Herstellungsmethode eines geschmackvollen aromatischen Weichkäses mit essbarer Schimmelschicht. Sein vorzüglicher Ruf als delikater Schimmelkäse wurde in höchsten Kreisen erst bekannt, nachdem Napoleon III. seinen erlauchten Gästen zu jeder Gelegenheit Camembert servieren ließ. Der französische Ingenieur Ridel entwickelte dann jene dünnen Spanholzschachteln, in denen man Camembert nun problemlos exportieren konnte."

Getreidefermentation in Asien

Getreidefermentation ist im asiatisch-pazifischen Raum wahrscheinlich seit 10.000 Jahren bekannt. Gründe dafür waren eine hohe Bevölkerungsdichte zusammen mit einem Klima, in dem gelagerte Lebensmittel leicht verderben. Es gab nur relativ wenig Viehzucht, daher war es notwendig, die zur Verfügung stehenden Lebensmittel so gut wie möglich zu nutzen. Die Fermentation durch Schimmelpilze setzt un- beziehungsweise schwer verdauliche Eiweiße und Mehrfachzucker in verwertbare Stoffe um.

So werden zum Beispiel bei der Fermentation von Soja zu Sojasauce 75 Prozent der eingesetzten Rohproteine in für den Menschen verwertbare Bestandteile überführt, das ist 15-mal mehr als bei der Verwertung von Futtermittel-Soja bei der Rindermast oder sechsmal mehr als bei der Schweinemast. 

Eine Besonderheit bei der asiatischen Getreidefermentation ist die Verwendung von Starterkulturen (chinesisch Chu, japanisch Koji, koreanisch Meju, SO-Asien Ragi, Indien Murcha). Anders als bei zuckerhaltigem Obst oder bei Milch muss die Stärke in Cerealien in einem "Verzuckerung" genannten Prozess aufgespalten werden. Dazu gibt es drei Möglichkeiten: Kauen von Getreide und Ausspucken in ein Sammelgefäß (Masato in Amazonien), Mälzen (Ankeimen) für die Bierproduktion und das Anlegen von Starterkulturen (Asien). Koji (Blüte des Schimmels) wird aus gedämpftem Reis und Sojabohnen hergestellt. Dazu wird die Masse mit Kulturen von Aspergillus oryzae beimpft und circa drei bis vier Tage bei 30 Grad inkubiert. Genetische Untersuchungen des Schimmelpilzes haben gezeigt, dass dieser vom Menschen aus einem Schimmelpilz (Aspergillus flavus) gezüchtet wurde, der für sein überaus gefährliches Mykotoxin (Schimmelpilzgift) bekannt ist. Im Shijing, (Buch der Lieder), einem der fünf Chinesischen Klassiker aus dem 10. bis 7. vorchristlichen Jahrhundert, findet sich der erste Hinweis auf die Herstellung und Verwendung von Koji, ursprünglich wahrscheinlich aus Fisch und Fleisch. Die älteste Verwendung von Sojabohnen wird im Chi chiu p'ien von Shih Yu aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert beschrieben. Koji ist Ausgangsprodukt für die Herstellung von Miso, Sojasauce und Reiswein.

Was wird alles fermentiert?

Tapé Ketan ist eine fermentierte, leicht alkoholische Reispaste aus Indonesien. Die grüne Variante (tapé ketan hijau) bekommt man aus mit Blättern gefärbtem weißen Reis, die rote (tapé ketan hitam) aus schwarzem Reis – zum Fermentieren werden unterschiedliche Pilzarten verwendet.

Eine Fermentation von Reis mit Monascus purpureus (ein Schimmelpilz) ergibt einen dunkelroten Reis (Ang Kak, red yeast rice), der in Asien als natürliche Lebensmittelfarbe – unter anderem auch für Sake und die Peking-Ente – verwendet wird. Daneben wird Ang Kak auch in der traditionellen Chinesischen Medizin als verdauungsfördernde und Blut revitalisierende Droge verwendet. Studien haben gezeigt, dass Ang Kak eine stark cholesterinsenkende Wirkung aufweist und daher auch als Anti-Alzheimer und Anti-Atherosklerose Nahrungsergänzungsmittel angepriesen wird.

Ang Kak, durch Monascus purpureus fermentierter "Roter Reis".
Foto: Walter Buzina

Eine Spezialität aus Mexico ist Cuitlacoche (Huitlacoche), das sind Maiskörner, die mit dem Erreger des Maisbeulenbrandes (Ustilago maydis) befallenen sind. Die Körner sind durch den Parasitenbefall extrem vergrößert und durch die Pilzsporen schwarz gefärbt. Diese auch als Maistrüffel bekannten Körner werden meist wie Pilze zubereitet und in Füllungen (Tortillas, Tacos) oder Saucen verwendet. Angeblich haben die Azteken Maiskörner bewusst angeritzt, damit sie leichter befallen werden.

Su-Fu (Tofu cheese, fermented bean curd) bedeutet verdorbener Tofu und entsteht durch Fermentation von Tofu durch Jochpilze (unter anderem Mucor racemosus, Rhizopus oligosporus oder Actinomucor elegans), er wird vor allem in China und in Vietnam produziert. Es gibt ihn in verschiedenen Varianten wie zum Beispiel mit Chili, mit rotem Reis gefärbt oder als "stinky Su-Fu". Diese Arten werden, da sie leichter verdaulich als normaler Tofu sind, vor allem für Kleinkinder, ältere Personen und Kranke empfohlen.

Tempeh wird vor allem in Indonesien aus gekochten Sojabohnen oder Erdnüssen durch Fermentation mit Rhizopus-Schimmelpilzen (zum Beispiel Rhizopus oligosporus) hergestellt. Tempeh hat ein erdig-pilzig-hefiges Aroma und wird meist frittiert (tempeh goreng) als Beilage verzehrt. Der Eiweissgehalt ist mit circa 20 Prozent vergleichbar mit Hühnerfleisch oder einem Hamburger.

Ontjom stammt aus West-Java und ist dem Tempeh ähnlich, wird aber hauptsächlich aus Erdnüssen hergestellt und mit Neurospora sitophila fermetiert. Auch ihm werden positive gesundheitliche Effekte nachgesagt: So soll Ontjom den Plasma-Cholesterinwert reduzieren und die fäkale Ausscheidung von Steroiden positiv beeinflussen.

Diese Aufzählung beinhaltet natürlich bei weitem nicht alle durch Fermentation veredelten Lebensmittel, sondern soll nur einen kleinen Überblick über die bekanntesten und verbreitetsten der Milch- und Getreideprodukte darstellen. Fleisch, Fisch und Getränke sind hier überhaupt nicht thematisiert worden – die Veredelung dieser Lebensmittel soll aber zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Blog thematisiert werden. (Walter Buzina, 28.3.2018)

Literaturhinweise

  • Bourdichon F. et al. Food fermentations: microorganisms with technological beneficial use. Int J Food Microbiol. 2012; 154: 87-97.
  • Etzelstorfer, Hannes (Ed.): Küchenkunst und Tafelkultur. Kulinarische Zeugnisse aus der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien: Brandstätter 2006.
  • Fox PF, McSween, PLH, Cogan TM, Guinee TP. Fundamentals of Cheese Science. Springer Verlag, ISBN 978-0-8342-1260-2.
  • Hachisu NS. Preserving the Japanese Way: Traditions of Salting, Fermenting, and Pickling for the Modern Kitchen. Andrews McMeel Publishing, 2015.
  • Gibbons JG et al. The evolutionary imprint of domestication on genome variation and function of the filamentous fungus Aspergillus oryzae. Current Biology 2012; 22: 1403-1409.
  • Lee CH, Lee SS. Cereal fermentation by fungi. Appl Mycol Biotechnol. 2002; 2: 151–170.

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