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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP, oben) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im Parlament.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Wien – Die SPÖ ist am Donnerstag mit ihrem Antrag für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) im Nationalrat gescheitert. Der Geschäftsordnungsausschuss wertete das SPÖ-Verlangen mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ als "gänzlich unzulässig" – mit der Begründung, dass der Untersuchungsgegenstand inhaltlich nicht entsprechend abgegrenzt worden sei.

Kurz: Untersuchungsausschuss wird kommen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rechnet mit einem Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre. Wenn die SPÖ dies wünsche, werde der Untersuchungsausschuss plangemäß und ohne Verzögerung kommen, sagte der Kanzler am Freitagnachmittag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. "Das halte ich persönlich auch für richtig und gut."

Es gebe aber auch Rechtsgrundlagen, die einen rechtskonform eingebrachten Antrag verlangen würden, betonte Kurz. "Ich bin aber vollkommen überzeugt davon, dass das möglich sein wird." Mehrere Parteien hätten diesbezüglich schon Unterstützung dafür angeboten.

Das Gutachten, das dem STANDARD vorliegt und auf das sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bezieht, stammt aus der Parlamentsdirektion, erstellt hat es der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst des Parlaments. Die vierseitige Expertise trägt den Titel "Rechtliche Ersteinschätzung für Herrn Nationalratspräsidenten zum Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – Umfang des Untersuchungsgegenstandes" und stellt auf den 22. März ab.

Die Juristen kommen zu dem Resümee, dass der Gegenstand der Untersuchung gemäß Verfassung (Artikel 53 Absatz 2 B-VG) "nur ein bestimmter abgeschlossener Vorgang sein kann". Das Verlangen der SPÖ im Antrag beschreibe den Untersuchungsgegenstand aber "in sehr allgemeiner Weise", es müsse daher davon ausgegangen werden, dass (in einem etwaigen U-Ausschuss) "Konflikte über Zulässigkeit und Umfang des Gegenstandes und der daraus in Folge erwachsenden Verpflichtungen entstehen".

Prüfung durch Verfassungsgerichtshof

Zuständig für die Prüfung der Zulässigkeit eines U-Ausschusses ist laut juristischem Dienst des Parlaments der Geschäftsordnungsausschuss – und der hat ja den Antrag zum BVT-Ausschuss inzwischen abgelehnt. Diese Entscheidung kann und wird nun vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) geprüft, das hat die SPÖ am Donnerstag bereits angekündigt. Sollte der VfGH entscheiden, dass der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses rechtswidrig ist, gilt der U-Ausschuss als eingesetzt.

Der Text, den die SPÖ in ihrem Antrag verwendet hat, lautet konkret so:

"Untersuchungsgegenstand ist die Klärung der politischen Verantwortung betreffend die Aufgabenerfüllung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und allfälliger in diesem Bereich der Vollziehung bestehender Missstände im Zeitraum 16. Dezember 2013 bis 13. März 2018."

Der juristische Dienst sieht nun also die verfassungsrechtliche Vorgabe nicht erfüllt, wonach nur "ein bestimmter abgeschlossener Vorgang" untersucht werden könne. Gemäß Gutachten, das sich dabei auf parlamentarische Vorgaben beruft, ist der Untersuchungsgegenstand "jedenfalls dann bestimmt", wenn der "maßgebliche Verdacht oder Anlass, die maßgeblichen Akteure, betroffene Zeiträume und Zielrichtung der Untersuchung" benannt werden.

In den Augen der Parlamentsjuristen ist das im Antrag der SPÖ nicht der Fall. Es würden zwar "die aktuellen Anlassfälle (Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT) genannt, ansonsten aber allgemeine Fragen der Aufgabenerfüllung und Funktionsweise des BVT angesprochen". Ein klar bestimmter oder bestimmbarer Vorgang werde nicht benannt.

Daher sei es "fraglich", ob der Untersuchungsgegenstand "ausreichend definiert ist und auf welche Vorgänge er sich konkret bezieht". Zudem bezweifeln die Juristen, ob der Vorgang, der untersucht werden soll, bereits "abgeschlossen" ist und im Bereich der Vollziehung des Bundes liegt. Die SPÖ hat sich in ihrem Antrag dabei auf die "bundesgesetzlichen Regelungen für den Staatsschutz (PStSG; Polizeiliches Staatsschutzgesetz)" berufen, die die Ende 2013 angelobte Bundesregierung vorgesehen habe und mit denen das BVT geschaffen werden sollte.

Terminfrage

Die Parlamentsjuristen hinterfragen nun, ob die Vorbereitung von Gesetzgebungsprojekten der Bundesregierung funktionell überhaupt der Gesetzgebung zugeordnet werden könne – zudem erscheint ihnen "nicht ganz klar", warum dieser Vorgang am 13. März 2018 (das ist der Endtermin, der im Antrag genannt wurde) als abgeschlossen dargestellt werde.

ORF

Wie die Verfassungsrichter entscheiden werden, ist völlig offen, denn: Judikatur zu dieser Frage gibt es nicht. Das Untersuchungsausschussrecht ist ja ganz neu, der erste U-Ausschuss, der gemäß neuer Rechtslage geführt wurde, war jener über die Hypo Alpe Adria.

Die obersten Richter werden binnen 14 Tagen entscheiden.

Parlamentsdirektion weist SPÖ-Vorwürfe zurück

Die Aussagen von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder über das Gutachten wies die Parlamentsdirektion am Freitagnachmittag zurück: Er sehe "keinerlei politische Instrumentalisierung der Parlamentsdirektion", sagte Parlamentsdirektor Harald Dossi.

Nationalratspräsident Sobotka habe – obwohl nicht er, sondern der Geschäftsordnungsausschuss über den Antrag zu befindet hat – beim Wissenschaftlichen Dienst ein "Gutachten mit gewünschtem Ausgang in Auftrag" gegeben und dieses vorneweg nur den Regierungsfraktionen und nicht der Opposition übergeben, hatte Schieder in seiner Pressekonferenz erklärt. Auf Nachfrage, ob er das Gutachten nicht für sauber halte, meinte er, es argumentiere doch auf relativ dünnem Boden.

Es sei üblich, dass der Nationalratspräsident zu Rechtsfragen eine kurzfristige Ersteinschätzung verlange, sagte Dossi dazu. Der Rechts- und Legislativdienst habe die U-Ausschuss-Rechtsfrage – "ohne irgendwelchen politischen 'Wunsch'" – nach bestem fachlichem Wissen beurteilt und das Ergebnis dem Präsidenten vorgelegt. (Renate Graber, APA, 23.3.2018)