Parteigründer Pilz ante portas: Er selbst möchte sein Mandat annehmen, sobald die Belästigungsvorwürfe gegen ihn geklärt sind.

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"Im Parlament gelten höchste moralische Ansprüche – auch für Pilz": ÖVP-Vizeklubchefin Barbara Krenn

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"Auch wenn die Sache in Alpbach eingestellt wird, ist dies kein moralischer Freispruch": ÖVP-Abgeordnete Tanja Graf

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"Die Vorwürfe gegen Pilz sind nicht aus der Welt, das macht mir Unbehagen": ÖVP-Vizeklubchefin Gabriela Schwarz

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"Skandalös wäre, wenn eine der Frauen Platz für Pilz machen müsste": ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli

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"Es gilt die Unschuldsvermutung – aber es stehen nach wie vor Vorwürfe im Raum": ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker

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Wien – Neben dem von den Koalitionären abgeschmetterten roten Antrag auf einen U-Ausschuss zu dem blauen Treiben gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz tun sich im Parlament neue Gräben auf: Weil Parteigründer Peter Pilz für die Untersuchung der BVT-Affäre mit einem Comeback als Abgeordneter liebäugelt oder als Mitarbeiter von Alma Zadic, Mandatarin seiner Liste, fungieren möchte, gehen nun die Frauen des ÖVP-Klubs gegen ihn in die Offensive. "Für Abgeordnete im Parlament gelten die höchsten moralischen Ansprüche – auch für Pilz", so Vizeklubchefin Barbara Krenn zum STANDARD. "Er fordert diese immerzu von anderen ein. Doch er sollte hier bei sich selbst beginnen – einfach Gras über massive Vorwürfe wachsen zu lassen, geht nicht."

Damit meint Krenn die Vorhalte wegen sexueller Belästigung, mit denen sich der jahrzehntelange Aufdecker der Nation seit November herumschlägt – und wegen denen er trotz Einzugs seiner Liste in den Nationalrat sein Mandat im Herbst nicht annahm. Konkret soll Pilz noch als Grüner 2013 in betrunkenem Zustand beim Forum Alpbach vor Zeugen eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei begrapscht haben – was er von sich wies, weil er sich "an so etwas erinnern würde".

Dazu ermittelt die Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen Pilz auch im Fall seiner Ex-Assistentin im grünen Klub – deren Anwältin per Schreiben zwar bereits erklärt hat, dass "kein strafrechtlich relevantes Substrat" vorliege, dennoch laufen die Ermittlungen der Behörde weiter. Pilz selbst will bis zu deren Abschluss ohne Mandat bleiben, aber, so ließ er auch schon wissen: "Wenn die Justiz glaubt, durch Liegenlassen des Verfahrens mich daran hindern zu können, dass ich meiner Arbeit nachkomme: Das spielt’s nicht!"

Front gegen U-Ausschuss-Veteran

Angesichts solcher Aussagen verweisen mehrere ÖVPlerinnen zwar explizit auf die Unschuldsvermutung, gehen mit dem potenziellen Rückkehrer jedoch hart ins Gericht. Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli meint: "Skandalös wäre, wenn womöglich noch eine der Frauen der Liste Pilz Platz für ihn machen müsste. Selbst nach völliger Aufklärung und juristischer Entlastung hielte ich das für ein falsches Zeichen." Dazu ergänzt ihre Parteikollegin Tanja Graf: "Auch wenn die Sache in Alpbach wegen Verjährung eingestellt wird, ist dies kein moralischer Freispruch, von den Vorwürfen seiner Ex-Mitarbeiterin ganz zu schweigen. Daraus, dass diese ihn strafrechtlich nicht belangt hat, abzuleiten, das vorgeworfene Verhalten wäre moralisch in Ordnung gewesen, ist ein Affront gegenüber alle jenen, die mit Belästigungen konfrontiert wurden und werden."

Die weibliche ÖVP-Front formiert sich just auch vor der anstehenden Untersuchung, in der die Opposition nicht nur fragwürdige Vorgänge im Innenministerium seit Amtsantritt von Ressortchefs Herbert Kickl (FPÖ), sondern auch unter dessen schwarzen Vorgängern durchleuchten will. U-Ausschuss-Veteran Pilz brachte mit Insiderwissen jedenfalls auch Rot-Schwarz oft in Verlegenheit – und gilt deswegen seit jeher als der Gottseibeiuns der jeweiligen Regierungsparteien.

Auch in der SPÖ ging man zu ihm auf Distanz. Nicht zuletzt wegen dessen oft unvorhersehbarer Kapriolen wollte Rot den U-Ausschuss lieber im Alleingang einsetzen. Anders als die ÖVP hat jedoch SPÖ-Chef Christian Kern schon im Jänner angesichts von Rückkehrgerüchten rund um Pilz erklärt: "Der Typ hat uns und mein Geschlecht als Volltrotteln dargestellt" – eine Anspielung darauf, dass Pilz sich angesichts der Belästigungsvorwürfe auch als älteres Semester dargestellt hat, sodass man es mit der Political Correctness mitunter nicht immer so genau nehme.

Während man in der ÖVP munkelt, dass der unbequeme Ex-Abgeordnete dennoch auf dem Weg zum roten Parlamentspavillon gesichtet wurde, wohl um der SPÖ beim einzurichtenden Aufklärungsgremium zur Seite zu stehen, hält Kai Jan Krainer, bereits erprobter Fraktionsleiter im Banken- und Hypo-U-Ausschuss, dazu nur spöttisch fest: "Wenn Pilz die SPÖ berät, dann macht er das jedenfalls so geheim, dass es mir noch gar nicht aufgefallen ist."

Personalstrudel bei "den Pilzen"

Hinter vorgehaltener Hand erzählt man im roten Klub jedoch, dass Pilz schon Ratschläge zum Untersuchungsgegenstand und -zeitraum deponieren wollte – doch man habe lieber abgewunken. Auch, weil man sich während der Aufklärungsarbeit garantiert nicht in den andauernden Personalstrudel "bei den Pilzen" mit hineinziehen lassen wolle. Und auch die nicht ausgeräumten Vorwürfe gegen den Parteigründer waren für die SPÖ ein Hindernis für die Zusammenarbeit. Dazu ein Roter, der nicht genannt werden will: "Wenn diese Sachen nicht vollständig eingestellt sind, wäre eine Wiederkehr von Pilz alles andere als schlau." Denn damit schade er sich selbst – und auch dem Ruf aller Parlamentarier, wie man festhält.

Vor nicht allzu langer Zeit war die ÖVP mit den sexistischen Verbaleskapaden des Ex-Stronachianers Marcus Franz konfrontiert – nachdem ihn Ex-Klubchef Reinhold Lopatka im Juni 2015 trotz umstrittener Tweets ("Po-Grapschen kann zu Hochzeit führen") für den schwarzen Klub angeheuert hatte. Warum sie damals nicht gegen diesen Mann wie jetzt gegen Pilz aufgestanden sei?

Dazu ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker: "Das ist mit den im Raum stehenden Belästigungsvorwürfen gegen Pilz nicht vergleichbar – aber Gott sei Dank stellt sich diese Frage im Klub nicht mehr." Neo-Mandatarin Gabriela Schwarz sagt: "Mit der ,Metoo’-Debatte ist allgemein die Sensibilisierung gestiegen – und das ist gut so. Ich gehe daher davon aus, dass solche Dinge nicht mehr möglich wären." Im März 2016 wurde Franz aus dem ÖVP-Klub komplimentiert – nachdem er gebloggt hatte, dass Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel deswegen so viele Flüchtlinge ins Land hole, weil sie damit ihre Kinderlosigkeit "wieder gut machen" wolle. (Nina Weißensteiner, 25.3.2018)