Washington/Warna/Wien – Zuerst kam die Nachricht aus Deutschland, dann folgten die USA. Am Ende waren es mehr als 20 Staaten – darunter neben den USA auch 16 EU-Mitglieder, Norwegen, Kanada, Australien und die Ukraine –, die sich an der konzertierten Aktion am Montag beteiligten: Sie alle kündigten an, wegen des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal im englischen Salisbury russische Diplomaten auszuweisen. Washington etwa weist 60 russische Geheimdienstmitarbeiter aus, außerdem werde das russische Konsulat in Seattle geschlossen, gab das Weiße Haus bekannt.

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Nachdem die Briten bereits 23 Angehörige der russischen Botschaft in London ausgewiesen haben (Bild), ziehen weitere Staaten nach.
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Nach den Worten von EU-Ratspräsident Donald Tusk haben damit nach Großbritannien insgesamt 16 EU-Staaten beschlossen, russische Diplomaten zu unerwünschten Personen zu erklären. Das gab Donald Tusk am Montag im bulgarischen Warna bekannt: "Wir bleiben kritisch gegenüber den Aktionen der russischen Regierung." Zusätzliche Sanktionen und weitere Ausweisungen in den kommenden Wochen seien nicht ausgeschlossen, sagte Tusk. Auch dass weitere Länder eine Ausweisung prüfen, war am Montag aus europäischen Kreisen zu vernehmen.

Österreich weist nicht aus

Österreich ist nicht Teil der Aktion. Die Regierung in Wien bleibt bei ihrer bisherigen Position: Am vergangenen Freitag hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine Ausweisung russischer Diplomaten ausgeschlossen. Die Gesprächskanäle zu Russland sollten auch nach der Schuldzuweisung der EU an Moskau für den Giftanschlag in Salisbury offengehalten werden, betonte Kurz nach dem EU-Gipfel in Brüssel Ende vergangener Woche. "Wir sind ein Land mit traditionell gutem Kontakt zu Russland", sagte Kurz.

Außenministerin Karin Kneissl bekräftigte diese Haltung Dienstagfrüh im Ö1-"Morgenjournal". Selbst im Fall, dass eine unabhängige Untersuchung ergeben sollte, dass Russland hinter dem Anschlag steckt, will sich Kneissl nicht auf diplomatische Sanktionen festlegen. "Alles ist im Fluss", meint die Ministerin dazu. Auch Kanzler Kurz sagt, man werde lediglich "auf diplomatischer und politischer Ebene unsere Möglichkeiten wahrnehmen, um hier auch auf Russland einzuwirken" und auf Moskau "Druck zu machen", um bei der Aufklärung einen Beitrag zu leisten.

Ganz anders tönte es am Montag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin: "Wir haben heute vier russische Diplomaten aus Deutschland ausgewiesen." Grund dafür sei auch, dass Moskau nach dem Giftanschlag von Salisbury weiterhin nicht zur Aufklärung beitrage. "Wir senden damit auch ein Zeichen der Solidarität mit Großbritannien", twitterte der deutsche Außenminister Heiko Maas. Die Entscheidung sei "nicht leichtfertig getroffen" worden, schrieb Maas weiter. Allerdings wiesen Fakten und Indizien im Fall Skripal nach Russland.

Auch in Frankreich, Polen, Tschechien und Italien müssen russische Diplomaten das Land verlassen. Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sagte, die Regierung in Warschau halte die Maßnahme für die richtige Antwort auf die "aggressiven Handlungen" Russlands.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May macht Russland für den Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia am 4. März verantwortlich. Auf dem jüngsten EU-Gipfel in Brüssel hat May die anderen EU-Staats- und Regierungschefs über den Stand der Ermittlungen informiert. Sie hat die EU-Staaten aufgefordert, ebenfalls Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen. Die Londoner Regierung hat bereits 23 russische Diplomaten des Landes verwiesen.

Gemeinsame EU-Erklärung

Zum Abschluss des Gipfeltreffens hatten die Staats- und Regierungschefs schließlich gemeinsam erklärt, dass Russland sehr wahrscheinlich für den Angriff auf Skripal verantwortlich sei. Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, warnte daraufhin vor Gegenmaßnahmen.

Am Montag dann hieß es aus dem Moskauer Außenministerium: "Es versteht sich von selbst, dass der unfreundliche Schritt der Ländergruppe nicht folgenlos bleiben wird." Einem Mitglied des Oberhauses zufolge werden zunächst mindestens 60 US-Diplomaten des Landes verwiesen. Nach russischer Darstellung wolle Großbritannien mit dem Fall Skripal die Beziehungen der EU zu Russland untergraben.

Zudem gebe es keine objektiven Beweise, dass Moskau für den Anschlag verantwortlich sei. "Das Land, das die EU verlassen will, missbraucht den Faktor der Solidarität", schrieb eine Sprecherin des russischen Außenministeriums auf Facebook. Großbritannien zwinge die verbleibenden EU-Staaten dazu, mit Sanktionen die Zusammenarbeit mit Russland zu erschweren. (giu, gian, 26.3.2018)