Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hatte von 2010 bis 2018 einen Gewerbeschein als Humanenergetikerin

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Anwendungen mittels Klang, Düften und Edelsteinen sind Methoden der Energetik. Die Auftragsvergabe an diese Berufsgruppe sorgt für Kritik.

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Wien – Energetiker werden kann jeder, so wie das in jedem freien Gewerbe der Fall ist. Auf der offiziellen Website des Fachverbands der persönlichen Dienstleister beschreibt man sich als "Experten im feinstofflichen Bereich". So weit, so unklar. Die Wirtschaftskammer (WKO) ist da schon genauer: Humanenergetiker sind Personen, "die im Rahmen des freien Gewerbes Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen beziehungsweise energetischen Ausgewogenheit" bestimmte Methoden anwenden.

Über diesen Gewerbeschein verfügte über acht Jahre Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Bevor sie in die Politik berufen wurde, legte sie ihren Zweitberuf zurück, erklärte ein Pressesprecher auf STANDARD-Nachfrage. Zu Praktiken von Energetikern zählen etwa Anwendungen mit Lichtquellen, Edelsteinen und die Interpretation der Aura sowie Kinesiologie und Magnetfeldanwendungen.

Energetischer Hollerbusch in Aspern

Angesichts des Bekanntwerdens von Aufträgen der öffentlichen Hand für energetische Leistungen steht die Berufsgruppe in der Kritik: angefangen vom "Schutzring" für das Krankenhaus Nord um 95.000 Euro bis zum Gutachten für einen Hollerbusch in der Seestadt Aspern für 19.000 Euro. Doch wie sieht die berufliche Laufbahn eines Energetikers aus? Eine einheitliche Ausbildung gibt es für die Berufsgruppe nicht.

Wer sich dazu berufen fühlt, kann freiwillig ein dreistufiges "Qualitätssicherungsprogramm" durchlaufen. Dieses reicht von Bronze bis Gold und wurde "von Energetikern für Energetiker" entwickelt. Wer ein entsprechendes Gewerbe angemeldet hat, kann online mit drei Klicks die Bronze-Etappe abschließen. Das ist die Bestätigung dafür, die entsprechenden Lehrvideos gesehen zu haben. Gleichzeitig ist es ein Bekenntnis dazu, Berufsbild und Standesregeln einzuhalten. Ob die Videos tatsächlich gesehen wurden, werde in der Regel nicht überprüft, sei aber theoretisch möglich, wie Wolfgang Jaspers, Wiener Landesgeschäftsführer des Fachverbands der persönlichen Dienstleister, im STANDARD-Gespräch erklärt

Selbstüberprüfung für Silberabzeichen

In Österreich sind etwa 18.000 Personen Mitglieder der Fachgruppe, allein in Wien sind es 3.000. Für den Abschluss gibt es jedenfalls Urkunde und Abzeichen als Aufkleber und für die digitale Verwendung. Für die Silber-Etappe wird die praktische Umsetzung der erlernten Grundlagen "durch eine Selbstüberprüfung anhand der Inhalte des Kriterienkatalogs" überprüft. Dazu zählt, dass Werbemittel und Website keine Heilsversprechungen beinhalten dürfen, "die nur Ärzte geben können", sagt Jaspers. Auch ein Erste-Hilfe-Kurs im Ausmaß von acht Stunden ist vorgesehen.

Für den Gold-Energetiker muss ein Multiple-Choice-Test über ein vierstufiges Basismodul der Fachbibliothek Humanenergetik absolviert werden. Warum nicht gleich die Gold-Ausbildung gefordert wird? Das Bronze-Siegel diene Interessenten als ein leichter Einstieg. Als weitere Maßnahme wird Mitgliedern nahegelegt, ihren Kunden eine Erklärung über Wirkungsweisen der Energetik vorzulegen, um keine falschen Erwartungen zu wecken.

Berufsausbildung bei privaten Anbietern

Von den anfangs erwähnten Praktiken werde aber keine in diesem Programm gelehrt, und dieses sei daher auch kein "Qualifizierungsprogramm", wie Jaspers betont. Die Methodenschulung finde überwiegend für viel Geld durch private Anbieter statt: "Wir sind die Interessenvertretung, die Berufsausbildung holt man sich woanders." Nachsatz: Der Markt trenne später die Spreu vom Weizen.

Wie nun "Profil" berichtete, wurde vor dem Bau der Seestadt Aspern für 19.000 Euro ein "Geomant" engagiert, um einen Beitrag zur "Stärkung der Lebenskraft des Projektgebiets" zu leisten. Einem Hollerbusch schrieb er "spezifische energetische Eigenschaften" zu: Dieser solle daher bei der Planung berücksichtigt werden. Normalerweise entscheide der Konsument, ob er an die Wirkung solcher Methoden glaubt, sagt Jaspers. Die Beurteilung der Auftragsvergabe der Stadt Wien sei aber nicht Angelegenheit der Wirtschaftskammer.

In seiner dreijährigen Tätigkeit kann Jaspers von nur zwei Beschwerden berichten. Ähnlich wie bei anderen Gewerben würde der Kunde entscheiden, ob er die Leistung wieder in Anspruch nehme. Verstößt ein Energetiker wiederholt gegen die Auflagen, kann ihm die Berechtigung zur Ausübung des Berufs entzogen werden. (Verena Richter, 26.03.2018)