Es gibt Leute, auf deren Senf man nicht sehnlichst wartet. Felix Baumgartner ist einer davon, in Sachen Politik. Rüdiger Dahlke ist sein Pendant in Fragen der Medizin. Er hat immer eine Erklärung parat, ungefragt. Nicht nur für jeden Körper, sondern auch für manchen Volkskörper. Als im Jahr 2011 der von einem Erdbeben im Pazifik verursachte Tsunami das Kernkraftwerk Fukushima in Japan zerstört, sterben rund 16.000 Menschen. Dahlke schreibt den Japanern etwas ins Stammbuch, das man einem Volk von blutrünstigen Walfängern bei dieser Gelegenheit einfach sagen muss: "Auf schreckliche Art hat sich das Meer eine Verschnaufpause von den Japanern verschafft, vielleicht nutzen wir und sie diese zum Umdenken". Denn, so Dahlke weiter mit einem schönen Wortspiel, mit dem er behände den Bogen zu seinem Thema spannt: "Nicht nur in den AKWs läuft vieles schief, in den AKHs ist es nicht besser". Auch dort bedürften "die Zustände dringend einer Sicherheitsüberprüfung".

Dahlke ist Mediziner, Psychotherapeut und Autor von mittlerweile 64 Büchern, die allesamt darauf hinauslaufen, dass er ein recht properer Sicherheitsbeauftragter für eine offenbar marode "Schulmedizin" in maroden Krankenhäusern der "Schulmedizin" wäre: "Fehler der Ärzte und Nebenwirkungen der Pharmaka" seien dort die dritthäufigste Todesursache.

Ruediger Dahlke

Selbstvorstellung Rüdiger Dahlkes.

Bakterien sind Hilfsmittel 

Berühmt wurde Dahlke mit den Büchern "Krankheit als Weg", "Krankheit als Sprache der Seele" und "Krankheit als Symbol". Der Tenor: Nicht der Körper ist krank, sondern "der Mensch". Die Krankheit ist lediglich und ausschließlich ein Symptom. Kausalitäten werden da schon mal abgetan: Bakterien verursachen keine Krankheit, aber "... der Mensch benutzt sie als Hilfsmittel, sein Kranksein zu verwirklichen", schreibt er in "Krankheit als Weg" (1983). Da macht die Darmgrippe im Sommer doch gleich Sinn. 

Der Körper ist für Dahlke lediglich eine Arena, in dem sich der offenbar kränkelnde Geist einen kleinen oder größeren Karl macht. Andersrum: Wer im Einklang mit sich lebt, der kann doch gar nicht krank werden. 

Dahlke missbraucht die Wissenschaft der Psychosomatik für Plattitüden, die massentauglich serviert werden. Wer sich das Maul darüber zerreißen will, warum die Nachbarin Brust- oder der Nachbar Prostatakrebs hat, der wird in Dahlkes Büchern oder in stundenlangen Gesprächen auf willfährigen Esoterikportalen fündig. Dort apportieren hingerissene Interviewpartner Dahlkes Metaphern artig. Probleme mit der Prostata? Der gute Mann hat sie Zeit seines Lebens einfach zu wenig genutzt und zu wenig "Liebesfeste" gefeiert. Und da wächst sie halt im Alter, wie zum Trotze, heißt es dort. 

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Dahlke über die Prostata. Video ab Minute 8:15.

Wenn die Diagnose Brustkrebs "reinrauscht"

Bei der Diagnose Brustkrebs weiß Dahlke bereits Gynäkologen auf seiner Seite. Die Schulmedizin erwache und Dahlkes Freunde weckten betroffenen Frauen recht einfühlsam: "Wenn so eine Diagnose Brustkrebs reinrauscht, sagt er: lesen sie erst mal in diesem Taschenbuch nach".  

Schlag doch mal beim Dahlke nach statt im medizinischen Nachschlagewerk Pschyrembel, wenn die Diagnose Krebs "reinrauscht". Die Kranke erfährt im Dahlke: "Die Krebskrankheit ist Ausdruck unserer Zeit und unseres kollektiven Weltbildes". Ehe der Soziologenjargon die Kranken zu sehr verwirrt, mahnt des Doktor Dahlkes Zeigefinger schon wieder zur individuellen Verantwortung in "Krankheit als Weg": "Wir erleben in uns als Krebs nur das, was wir selbst ebenfalls leben".

Wer auf Präparate der "Schulmedizin" angewiesen ist, dem schreibt Dahlke auch was ins Stammbuch. Für Patienten, die Blutverdünnungsmittel einnehmen müssen, hält unser Arzt eine smarte Alternative parat und serviert sie salopp: "Halten Sie Ihr Leben in Fluss, seien sie gespannt und offen". Hey, einfach locker sein und nicht verstockt und lebenslang Marcumar schlucken, Mann!

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Dahlke über einen Gynäkologen in Graz. Video ab Minute 14:12.

Pillen im Webshop gegen Liebeskummer

Nicht alles stoffliche hat eine schlechte Nachrede bei Dahlke. Im gut sortierten Webshop des Mediziners ("Heilkundeinstitut-Shop") findet sich neben "Glücksnahrung" und "Vitalwasser mit kolloidalem Silber" ein Päckchen, das ein wenig an Aspro erinnert. 20 Filmtabletten Amorex wandern um knappe 19 Euro über Dahlkes virtuellen Ladentisch und versprechen Linderung bei Liebeskummer und anderen Symptomen von "romantic stress".  

Pillen, die Dahlke mag. Dragees gegen Liebeskummer im Webshop.
Screenshot: Heilkundeinstitut Webshop

Gib doch Gas, Mann! 

Nicht nur Krankheiten, auch Unfälle sind Zeichen der kranken Seele – auch solche, an denen man nicht selbst schuld ist. Dahlke analysiert messerscharf einen Patienten, der nach unverschuldeten Auffahrunfällen nicht nur unter dem Schleudertrauma leidet, sondern offenbar auch unter einer Gattin, die Dahlkes "Krankheit als Symbol" anstelle eines spannenden Krimis am Nachtkästchen liegen hat. Dahlke gibt dem Unfallopfer etwas mit auf den Weg: "Der muss aufhören, anderen im Weg zu stehen, der muss mal Gas geben (...) der braucht auch einen Tritt in den Hintern". 

Der Rohrbruch: Wenn sich ein Seelenelement rührt

Die Schicksalsgesetze sind es, die uns leiten, lehrt Dahlke, und das gilt nicht nur für unseren Körper, dessen Organe, Gewebe und Röhren in Resonanz zum kranken Geist brüchig werden, sondern auch für unser Haus. Wenn es dort immer wieder zu Rohrbrüchen kommt, dann solle man sich überlegen, "warum dieses Seelenelement Wasser ausgerechnet über diesen Weg versucht, im mein Haus einzudringen". Ein echter Seelenklempner weiß da Rat.

Medizinmänner im Hochland von Neuguinea würden ob solch platter Analogiezaubereien vermutlich mit einem nassen Fetzen aus dem Dorf gejagt. Dahlke indes wird von der Esoterikszene hofiert. Fastenwochen, Detoxwochen, Urprinzipien-Bewusstseins-Seminare, Vorträge – der Terminkalender ist so dicht und voll, dass Dahlke – wendet man seine eigene Logik an – wohl unter hartnäckiger Obstipation leiden muss.  

Demnächst: Dahlkes Hollywood-Therapie

Das Œvre Dahlkes kennt kaum Grenzen, das Portfolio des Plaudermediziners metastasiert munter: Im oberösterreichischen Garsten referiert Dahlke am 6. April zur "Spielfilm-Therapie" und schlägt in der Vorankündigung einen Bogen, der den ungeübten Dahlke-Kunden gar zu überfordern droht: "Der Brückenschlag zwischen der veganen Bewegung mit pflanzlich-vollwertigem Schwerpunkt und der Welle glutenfreier Kost mit dem Ergebnis eines weiterentwickelten 'Peace-Food'-Konzepts (...). Der ganz neue Vortrag enthält Anregungen zu Filmen, die seelisches Wachstum und Bewusstseinserweiterung fördern – mit Deutungen von der psychologischen Ebene bis zu jener der Lebensprinzipien". Der Arzt mit einer Hollywood-Therapie? "Kill Bill" gegen Krebszellen? "Casablanca" gegen Heimweh? Doch wir wollen nicht spotten, denn das Buch "Die Hollywood-Therapie" soll im April 2018 erscheinen. Die Presseaussendung verspricht Tiefgang: "Die 'Hollywood-Therapie' macht aus Spielfilmen Psychotherapie und erlaubt uns, unsere Abende zurück zu erobern ..." Bitte nicht auf das heilende Popcorn vergessen!

Hoffnung machen, Hoffnung dämpfen

Das Wochenseminar "Unfruchtbarkeit als Weg" macht Frauen, die "ungewollt kinderlos sind" Hoffnungen, um sie ein paar Zeilen weiter wieder zu dämpfen: "Selbstverständlich kann die Integrale Medizin Ihnen das eigene Wunschkind nicht versprechen. Ziel dieses Seminars ist es aber (...) den weiteren Weg 'erfüllender' und 'fruchtbarer' zu gestalten, egal ob dieser irgendwann zum Endziel 'Wunschkind’ führen mag oder nicht".

Ist doch egal ob Wunschkind oder nicht, immerhin plaudern wir mit dem Meister locker darüber im italienischen Seminarhotel um 585 Euro, Unterkunft und Verpflegung extra.  

Zeigt her Eure Zehen! 

Aus dem Äußeren auf das Innere schließt Dahlke im Wochenseminar "Integrale Medizin" im Juni. Und die Teilnehmer können darauf wetten, dass Sie unserem Guru nicht nur die Hände, sondern auch die Zehen zeigen dürfen. Hat Dahlke doch einst dem Esoterikkanal "Mystika-TV" verraten, was die große Zehe über den Menschen und dessen Bestimmung verrät: Ist sie klein geraten, nimmt sich der Mensch gerne zurück. Zum Beispiel: Krankenschwestern, die viel arbeiten und sich alles gefallen lassen und sich nicht beklagen, bei denen ist der große Zeh klein. Da hilft dann vermutlich auch kein Betriebsrat. Dahlke würde jedenfalls niemanden einstellen, dessen Zehen er nicht gesehen hat und niemanden, dessen große Zehe über den Zehenbogen hinausragt. Der tauge nämlich nicht als Assistent, weil er ja selbst in der ersten Reihe stehen will. Dahlkes großer Zeh, so vermuten wir, ragt deutlich über den Zehenbogen hinaus. (Christian Kreil, 3.4.2018)   

Die Bewertung der Stiftung Gurutest:

  • Esoterikfaktor: ★★★☆☆
  • Pseudomedizinfaktor: ★★★★☆
  • Verschwörerfaktor: ★★☆☆☆
  • Rechtsaußenfaktor: ☆☆☆☆☆
  • Marketinggeniefaktor: ★★★☆☆ 

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