Wien – Wenn, wie im Sankt Pöltener Vergewaltigungsprozess, ein Gericht einen Freispruch fällt, führen die Richterinnen und Richter in der Begründung gerne aus, ob dieser "im Zweifel" gefällt wurde oder ein "lupenreiner" ist. Vorgesehen ist das in der Strafprozessordnung aber nicht: Im Paragraf 259 findet sich der Passus, dass ein Angeklagter freizusprechen ist, u. a. wenn "... der Tatbestand nicht hergestellt oder nicht erwiesen sei, daß (sic) der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe".

Im aktuellen Fall ist allein aufgrund des Abstimmungsergebnisses des Schöffensenates klar, dass sich die beiden Berufs- und zwei Laienrichter nicht einig gewesen sind. Zwei Personen stimmten für eine Verurteilung, zwei dagegen – wie sich die Stimmen aufgeteilt haben, unterliegt dem Beratungsgeheimnis. Bei Stimmengleichstand wird jedenfalls das für den Angeklagten günstigere Ergebnis herangezogen. Im Gegensatz zu einem Geschworenenverfahren, in dem acht Laienrichter allein über die Schuld entscheiden, kann ein Schöffenurteil auch nicht ausgesetzt und der Prozess wiederholt werden.

Vermeiden könnte man die Problematik, indem der Senat mit einer ungeraden Zahl an Richtern besetzt wird. Seit dem 1. Jänner 2015 ist das aber nicht mehr der Fall: Bei schweren Delikten wie etwa Totschlag, Vergewaltigung oder schwerem Raub sind zwei Berufsrichter vorgeschrieben, sonst genügt einer. (moe, 29.3.2018)