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Es ist spätnachts, so spät, dass es bald wieder hell wird. In wenigen Stunden läutet der Wecker, bald danach beginnt die Arbeit, die Schule oder die Vorlesung. Das wird allerdings geschickt verdrängt, denn auf dem Bildschirm läuft gerade das spannende Staffelfinale der neu gefundenen Serienliebe.

Zwei weitere Staffeln folgen noch, aber nach der Episode will man dann endlich schlafen gehen. Na ja, vielleicht. Das Phänomen Binge-Watching, zu Deutsch etwa Exzessschauen, hat sich mit dem Aufkommen von Video-on-Demand-Angeboten verbreitet. Anders als beim linearen Fernsehen entscheidet nämlich nicht mehr das vorgegebene Programm, sondern nur mehr das eigene Gewissen, was und wie viel geschaut wird. Gerade dieser Vorzug hat dem Streaming einen regelrechten Boom verschafft.

Milliardengeschäft

Allein in Europa nutzten laut Statista 2017 rund 50 Millionen Menschen einen Streamingservice, bis 2020 sollen es ungefähr 70 Millionen werden. Dessen ist sich auch die EU bewusst. EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel hat kürzlich verkündet, dass es mit Ostersonntag möglich sein wird, Streamingabos europaweit zu nutzen.

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Geoblocking, also regionale Sperren, wird somit zum Teil abgeschafft. Es ist ein notwendiger Schritt, um einen wirklichen digitalen Binnenmarkt zu schaffen, denn die Bedeutung von solchen Angeboten wird wohl noch weiter steigen: In den USA, Pionier in dem Bereich, behaupten sechs von zehn jungen Erwachsenen laut einer Studie des Pew Research Centers, primär über Streamingdienste fernzusehen.

Mittlerweile gibt es wenige klassische Fernsehsender, die mit den Investitionen der großen Streamingplayer mithalten können. Laut dem Analysten Moffett Nathanson hat Netflix 2017 6,3 Milliarden US-Dollar für sein Angebot ausgegeben, 2018 sollen es sogar acht Milliarden werden. Außerhalb von Sportprogrammen können das inzwischen nur mehr die zum Teil jahrzehntealten Medienunternehmen NBC, Fox, Time Warner und Disney übertreffen.

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Amazon investierte 4,5 Milliarden Dollar, Hulu 2,5. Auch Apple möchte mitmischen und wird vermutlich 2019 einen Streamingservice starten. Das bei der Ankündigung kommunizierte Budget dafür liegt bei einer Milliarde US-Dollar. Zum Vergleich: Eine Milliarde entspricht dem Jahresumsatz des ORF, des weitaus größten österreichischen Medienunternehmens. Disney will ebenfalls einen eigenen Dienst auf den Markt bringen, wobei es noch keine konkreten Angaben dazu gibt, wie viel Geld in die Hand genommen wird. Auch Dienste wie Youtube und Twitch bieten durch ihren Aufbau als soziale Medien potenziell unendlich viele Inhalte.

Die hohen Beträge, die vor allem für Eigenproduktionen ausgegeben werden, rechnen sich in vielen Fällen zumindest mit Erfolg bei Kritikern und der Zufriedenheit des Publikums. Inzwischen werden die Serien der Streaminganbieter nämlich vermehrt bei großen Awardshows nominiert.

Ausgezeichnete Serien

Netflix produziert etwa mit "House of Cards", "Black Mirror" und "Orange is the New Black" gleich mehrere Serien, die bereits zahlreich ausgezeichnet wurden. Das inzwischen fast schon kultige "Game of Thrones" aus dem Hause HBO gibt es hierzulande beim Streamingservice Sky. Auch der nur in den USA operierende, unter anderem zu Comcast und Disney gehörende Dienst Hulu feiert inzwischen Erfolge. "The Handmaid's Tale" konnte bei den diesjährigen Golden Globes die Auszeichnung für die beste Fernsehserie abstauben.

Neben all ihren Vorzügen hat die Streamingwelt auch mit Problemen zu kämpfen. So befinden sich die meisten großen Streamingplattformen hinter einer Abobezahlschranke. Für die meisten Konsumenten bedeutet das, dass sie für wenige sehr erfolgreiche Serien mehrere Abos abschließen müssten.

Fragmentierung steigt

Mit der wachsenden Zahl der Abodienste steigt diese Fragmentierung weiter an. Auch bedeutet die massenhafte Produktion, wie sie etwa bei Netflix der Fall ist, immer öfter schlechte Serien und Filme. In der Vergangenheit wurde die fallende Qualität von Kritikern thematisiert.

Zudem variiert das Angebot vieler Plattformen radikal von Land zu Land – etwa gibt es bei Netflix in den USA ein Vielfaches an Titeln im Vergleich zu Österreich. Das hat damit zu tun, dass die Lizenz für einen Inhalt für das jeweilige Land durch den Service erworben werden muss. Zwar will die Europäische Union auch diese Art von Geoblocking mit Ende des Jahres abschaffen, jedoch sind urheberrechtlich geschützte Inhalte – also auch jene, die auf Streamingseiten zur Verfügung gestellt werden – von der Regelung ausgeschlossen.

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TV im Internet: Wo und wann es gefällt
Wer beim nonlinearen Fernsehen ganz vorn mitmischen will, braucht vor allem: Serien, Serien, Serien – am besten aus eigenem Haus. Eine Übersicht

Netflix

Vor 21 Jahren gründeten Reed Hastings und Marc Randolph in Los Gatos, Kalifornien, einen Online-DVD-Verleih. Daraus wurde ein weltweiter Player, der knapp 120 Millionen Abokunden zählt. Ist unter den Streamingplattformen stärkster Programmlieferant: Allein 2018 pumpt Netflix acht Milliarden Dollar in Eigenproduktionen, die meisten davon sind Serien. Seit 2014 auch hierzulande abrufbar.

Das kommt: "House of Cards 6"
Das gefällt: "Stranger Things"
Anspieltipp: "Nailed It", "Grace & Frankie"
Kosten: ab 7,99 Euro pro Monat

Das beste Pferd im Stall von Netflix: "House of Cards" – in der 6. Staffel allerdings ohne Kevin Spacey wegen #MeToo.
Netflix

Amazon Prime

Lässt sich beim Investment auch nicht lumpen: 4,5 Milliarden US-Dollar Budget stellt Jeff Bezos für Eigenproduktionen und Lizenzen auf. Derzeitige Abozahl: rund 75 Millionen. Österreich-Abozahlen verraten übrigens weder Amazon noch Netflix.

Das kommt: Prequel zu "The Lord of the Rings" als Serie, Kosten: 250 Millionen Dollar
Das gefällt: "Transparent", "The Grand Tour"
Anspieltipp: "One Mississippi"
Kosten: 7,99 Euro monatlich

Hochgelobt: "Transparent" mit Jeffrey Tambour.
Amazon Video

Sky

Kann exklusiv auf Inhalte des US-Kabelsenders HBO zugreifen und hat dadurch gefragte Serien im Paket, etwa "Game of Thrones" und "The Walking Dead", und aus eigener Herstellung Serien wie "Babylon Berlin". Neue Folgen von "House of Cards" sind hier zu sehen, ein Lapsus von Netflix, der aus Vorstreamingzeiten stammt. Eine Tendenz zum Zusammenschluss zeichnet sich ab: Per Kombipaket können Sky-Kunden künftig auf mehr als 700 Netflix-Serien zugreifen.

Das kommt: "Das Boot", "Acht Tage" von Stefan Ruzowitzky
Das gefällt: "Babylon Berlin"
Anspieltipp: "Gomorrha"
Kosten: Ticket ab 9,99 monatlich

Tom Tykwer ist einer der Regisseure von "Babylon Berlin". Eine Folge kostete 2,5 Millionen Euro.
Moviepilot Trailer

Dazn

Wer internationalen Fußball schauen will, kommt um diesen Streaminganbieter früher oder später nicht herum. Dazn (wie "The Zone" ausgesprochen) hält Rechte auf die Uefa Europa League, Spiele der englischen Premier League, der spanischen La Liga, der italienischen Serie A und Frankreichs Ligue 1 und – gemeinsam mit Sky – an der Champions League, dazu Highlights der deutschen Bundesliga.

Kosten: ab 9,99 Euro pro Monat

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Wer Fußball schauen will, wird in Zukunft wohl um Dazn nicht herumkommen.
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Apple TV

Soll spätestens im Sommer 2019 groß ins Streamingbusiness einsteigen und steckt laut eigenen Angaben eine Milliarde Dollar in eigenes Programm, unter anderem für eine Neuauflage von Steven Spielbergs "Unglaubliche Geschichten". Größtes Mysterium: Wie Apple Kunden zur Kasse bitten will.

"Amazing Stories" hieß es 1985 von Steven Spielberg. Apple TV plant eine aufwendige Neuauflage.
VHS Trailer Park

Disney

Zieht spätestens 2019 Inhalte von Marvel bis zu Pixar-Produktionen von Netflix und Co ab und startet einen eigenen Dienst. Alleinstellungsmerkmal: Er soll besonders günstig werden.

Disney wird "Black Panther" eher bei sich haben wollen.
Marvel Entertainment

Maxdome

Abspielplattform von ProSiebenSat1Media und nach eigenen Angaben die größte Onlinevideothek Deutschlands. Betrat 2016 mit Christian Ulmen und Fahri Yardim in der Comedy-Serie "Jerks" das Reich der Originalserien. Am 28. März ging die zweite Staffel online.

Kosten: 7,99 Euro monatlich

"Jerks" von Maxdome mit Christian Ulmen und Fahri Yardim ist schon in der zweiten Saison.
maxdome - Unbegrenzt Filme und Serien

UPC, "3", A1

Der Kabelnetzbetreiber UPC hat mit Horizon Go mehrere Dutzend Sender im Angebot für Kunden, seit einem Jahr ist der Handyanbieter "3" mit 3TV dabei, A1 hat A1 Free Stream. Die Deutsche Telekom ließ mit Entertainment TV unlängst aufhorchen durch den Lizenzkauf der gefeierten Serie "The Handmaid's Tale", die dadurch weder im Free- noch in sonst irgendeinem Pay-TV-Kanal zu sehen ist. Das ist erst der Anfang, verspricht der Kommunikationsanbieter. Eigenproduktionen sind geplant, etwa "Germanized" mit Christoph Maria Herbst.

Kosten: Tagestickets ab 79 Cent, monatlich ab fünf Euro

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UPC bietet Streaming an, 3 ist mi3TV dabei, A1 hat A1 Free Stream.
Foto: REUTERS / DENIS BALIBOUSE

Mediatheken

Der ORF darf in seiner TV-thek lediglich Eigenproduktionen zeigen, die teils zeitlich begrenzt, dafür keine zusätzlichen Gebühren verlangen, und ringt deshalb seit Jahren um "Gleichberechtigung" auf dem Streamingmarkt. Die Beschränkungen erachtet der ORF als ungerecht, diese zu beseitigen ist permanente Forderung des Gebührenfunks und wird heftig für ein neues ORF-Gesetz eingemahnt.

Beschränkte Sicht auf ORF-Programme in der ORF-TVthek.
Screenshot: ORF

Flimmit

Der ORF kam, sah und irrte: Der Gebührensender hält sich seine eigene Abo-Streamingplattform, das Publikumsinteresse dürfte allerdings eher bescheiden sein. Hier bekommt man alles zwischen "Leihopa", "Ein echter Wiener geht nicht unter" und "Vorstadtweiber". Flimmit verfügt aber ebenso über ein ansehnliches Angebot an österreichischen Filmen für Cineasten. Zukunft: ungewiss.

Kosten: 7,50 Euro pro Monat

Auf Flimmit kann man die "Vorstadtweiber" sehen.
HOANZL

Hulu

Seit 2007 gibt es den Service mit 32 Millionen Nutzern, der unter anderem Disney gehört. Mit "The Handmaid's Tale" staubte er einen Golden Globe ab. Hierzulande werden die erfolgreichsten Inhalte meist von anderen Diensten vertrieben.

Auf Hulu läuft "The Handmaid's Tale".
Hulu

HBO

"Game of Thrones" ist mittlerweile ein Haushaltsname, der zuständige Dienst aus den USA mit 130 Millionen Abonnenten bei uns nicht verfügbar. Zumindest bietet Sky viele der Serien und Filme an.

"Game of Thrones" ist im Online-Streamingdienst von HBO jederzeit abrufbar.
Teaser PRO

Zappn

Mit Zappn bietet auch die ProSiebenSat.1 Media Group eine Möglichkeit, das eigene Angebot zu streamen. Neben der Option, die Sender des Medienunternehmens Live mitzuverfolgen, gibt es auch eine Auswahl an Inhalten, die On-Demand abgerufen werden können.

Fremdschauen

Sie heißen Popcorn Time, Movie4k und kinox.tv und sind vermutlich das regste Feld für Abspielfernsehen. Wer sich hier vergnügt, tut dies ohne Erlaubnis der Produzenten. Werden von Sendern und Produzenten mehr oder minder geduldet. Schändliche Praktik, schließlich müssen die vielen schönen Filme und Serien auch finanziert werden.

Kosten: Ehre

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Foto: AP / Elaine Thompson

Alte Fernseher zum Streamen bringen

Moderne Fernsehgeräte haben sich schon den neuen Gewohnheiten ihrer Besitzer angepasst. Seit einigen Jahren sind sie "smart", verfügen also über einen Internetzugang und vorinstallierte Apps zum Abruf von Netflix und anderen Streamingdiensten.

Wer ein nicht ganz so smartes älteres Gerät besitzt, muss beim Streaming trotzdem nicht durch die Finger schauen. Fernseher lassen sich mit einigen Utensilien zu Netflix-Empfängern erweitern. Die einfachste Lösung sind Streaminggeräte, die über den HDMI-Anschluss mit dem Fernsehgerät verbunden werden können.

Chromecast und Fire TV

Die zwei wichtigsten Anbieter sind hier Google und Amazon mit ihren Streamingsticks Chromecast und Fire TV. Sie werden direkt in den HDMI-Port gesteckt und anschließend mit dem WLAN verbunden. Dann können Inhalte via Chromecast oder Fire TV direkt auf dem Fernseher abgespielt werden. Da Google und Amazon miteinander im Clinch liegen, ist Prime Videos nicht auf Chromecast verfügbar. Eine Alternative sind Streamingboxen, etwa Apple TV oder Roku, das in Europa mit Sky kooperiert.

Prinzipiell können auch Spielekonsolen wie die Playstation 4 den Fernseher internetfähig machen. Fast alle Anbieter haben eigene Apps für Konsolen parat. Eine andere, weniger komfortable Möglichkeit ist der Anschluss eines Laptops an den Fernseher, der ebenfalls über HDMI erfolgt.

Mittels Laptop kann auch ein sogenannter VPN-Dienst benutzt werden, der Nutzer virtuell in andere Teile der Welt versetzt. So können User etwa auf die Netflix-Videothek in anderen Ländern oder nur in den USA verfügbare Dienste wie Hulu zugreifen. Damit verstoßen sie jedoch gegen deren Nutzungsbedingungen.

Foto: APA/dpa/Arne Dedert

Sieht eigentlich noch jemand fern?

"House of Cards", "Stranger Things", "Transparent" wann und wo wir wollen, und sei es Nächte, Tage, Wochenenden lang. Wer sieht da noch klassisch fern, der sich in den unendlichen Weiten von Netflix, Amazon Prime und Co verlieren kann?

Das wüssten auch klassische Fernsehsender gern, sie leben von Werbebuchungen für möglichst viele Zuschauer. Oder rechtfertigen mit der Größe ihres Publikums ihre Rundfunkgebühren.

Im Februar 2017 ließen Österreichs TV-Sender, unterstützt von der Rundfunkregulierung RTR, die Marktforscher von GfK 4.000 repräsentativ ausgewählte Menschen fragen, was sie wie schauen. Der Befund:

  • Gut 78 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren sehen täglich zumindest eine Viertelstunde linear fern – also klassisches TV-Programm über den Fernseher. Nicht eingerechnet: zeitversetzte Nutzung über TVtheken, eigene Aufnahmen und Livestreams von TV-Inhalten. Von 8,8 Millionen Österreicherinnen und Österreichern sind 5,3 40 Jahre und älter. Aber:
  • Auch gut 62 Prozent der 14- bis 29-Jährigen schauen laut GfK täglich ganz klassisch TV.
  • Onlinevideoangebote nutzen 25 Prozent der Gesamtbevölkerung – zumindest eine Viertelstunde pro Tag.
  • 54 Prozent der jungen Zuschauer bis 29 nutzen Bewegtbild im Netz.
  • Youtube vor Amazon und Netflix – 35 Prozent dieser Onlinevideos sieht die Gesamtbevölkerung auf kostenlosen Portalen wie Youtube oder Vimeo. Netflix, Amazon und Co kommen auf 26 Prozent.
  • Das junge Publikum bis 29 Jahre schaut Onlinevideos am häufigsten auf Youtube – laut GfK 37 Prozent. Netflix kommt bei Jungen in der Umfrage auf zwölf Prozent, Amazon Prime auf zehn, Facebook auf sechs. (Muzayen Al-Youssef, Doris Priesching, Fabian Schmid, 30.3.2018)