Gegenstand der Klage von FPÖ-Redakteur Robert Lizar gegen Wolfgang Blankschein ist auch ein Foto von Herbert Kickl, damals FPÖ-Generalsekretär und jetzt Innenminister. Kickl ist hier bei einer Sondersitzung des Nationalrates am 19. März 2018 zu sehen.

Foto: APA/Punz

Wien – Normalerweise unterrichtet er Deutsch und Philosophie, jetzt studiert er auch Paragrafen nach dem Urheberrecht: Der deutsche Blogger Wolfgang Blankschein soll FPÖ-Redakteur- und Fotograf Robert Lizar 8400 Euro zahlen. Aber er denkt nicht daran. Lizar klagt Blankschein nämlich auf Schadenersatz wegen Veröffentlichung von Lichtbildwerken in 21 Fällen.

Der Deutsche hat auf seiner Onlineplattform Confessiones Screenshots von Fotos veröffentlicht, die auf der rechten Seite Info-direkt.at gezeigt wurden. Sie sind bildliche Dokumente des "Kongresses Verteidiger Europas" aus dem Jahr 2016, als dessen Veranstalter das oberösterreichische Magazin "Info-Direkt" fungierte. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) stuft es als rechtsextrem ein, für das Mauthausen-Komitee ist es rechtsextrem und antisemitisch.

Auf den Fotos ist etwa ein Infostand der rechtsextremen Identitären oder FPÖ-Politiker Herbert Kickl zu sehen – damals noch Generalsekretär, heute Innenminister der Republik – als er bei seiner Rede beim Kongress Verteidiger Europas gegen die so genannten Mainstreammedien wetterte und nicht etwa die "Kronen Zeitung" oder "Österreich" meinte, sondern den STANDARD, dem er eine Art "Gesinnungs-Stasi" vorwarf.

Kongress Verteidiger Europas

Kickl steht demnach auch im Zentrum jener zwei Artikel, die Blankschein mit den Screenshots samt Bildtexten garnierte. In einem zeichnet Blankschein Kickls Aufstieg nach: "Vom Rechtspopulisten zum mit Rechtsradikalen vernetzten Politiker im Zentrum der Macht." Die Screenshots wurden mittlerweile entfernt.

Kein Fotograf ersichtlich

Blogger Blankschein, im Brotberuf arbeitet er als Gymnasiallehrer in Schleswig-Holstein, beruft sich dabei auf das Recht auf Bildzitate, Lizar hingegen wittert Verletzungen nach dem Urheberrecht, obwohl er im Artikel auf info-direkt.at gar nicht als Urheber jener Fotos vom umstrittenen Kongress aufscheint. Das müsse er auch nicht, sagt Lizar, denn die beklagte Partei hätte sich informieren müssen, wer die Fotos gemacht habe – etwa direkt bei den Betreibern von "Infodirekt". Nur "Infodirekt" als Quelle anzugeben, reiche nicht.

Hinter dem Magazin und seinem Onlinependant steckt die Info-Direkt VerlagsGmbH mit Sitz in Linz. Der Geschäftsführer ist Michael Siegfried Scharfmüller, er hält laut Firmenbuch 40 Prozent der Anteile. Scharfmüller war Anfang der 2000er Jahre Teil der rechtsextremen Jugendorganisation "Bund freier Jugend", heute arbeitet er als Publizist und Mentaltrainer. Für seine Aktivitäten damals saß er in Untersuchungshaft, wurde aber vor Gericht freigesprochen. In "Info-Direkt" schreibt er jetzt über "linken Gutmenschenterror" – für ihn der "neue Faschismus". Laut Homepage gehört auch der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Efgani Dömez zu den "regelmäßigen Autoren und Gastautoren". In der Dezember-Ausgabe war Dönmez mit einem Kommentar zum "Euro-Islam" vertreten, was ihm heftige Kritik einbrachte.

Lizar: Klage als Privatperson und nicht im Namen der FPÖ

Dass Blankschein mit seinem Portal laut Selbstdefinition gegen "Rassismus und Rechtsextremismus" kämpft und sich in mehreren Artikeln kritisch mit der FPÖ auseinandersetzt, habe bei seiner Klage keine Rolle gespielt, betont Fotograf Lizar auf STANDARD-Anfrage, es gehe ihm rein um seine Profession. Er hätte auch eine "rechtsextreme Seite" geklagt. Auch mit der FPÖ habe die Geschichte nichts zu tun, er klage als Privatperson und trage das Klagsrisiko. Lizar ist bei der FPÖ-eigenen "Neue Freie Zeitung" angestellt, er fotografiert bei FPÖ-Veranstaltungen und arbeitet etwa auch für FPÖ-TV. Für Aufsehen sorgt er bereits einmal: 2013 schrieb Lizar auf Facebook "Mein Mitleid hält sich in Grenzen", als die mittlerweile verstorbene Flüchtlingshelferin Ute Bock mit einem Schlaganfall ins Spital eingeliefert werden musste.

Vertreten wird Lizar von der Kanzlei Gheneff-Rami-Sommer, aus deren Reihen Michael Rami jetzt auf einem FPÖ-Ticket zum Verfassungsrichter avanciert ist. Ob die Forderung von 8400 Euro bei einem Streitwert von insgesamt über 34.000 Euro verhältnismäßig sei, müssten die Gerichte entscheiden, die Rechtsanwaltskanzlei reagiert auf STANDARD-Anfrage nicht.

Verfassungsschutz sah Medien kritisch

Lizar hat die Nutzung seiner Fotos nach eigenen Angaben neben "Info-Direkt" auch der FPÖ-nahen Seite unzensuriert.at gestattet. Der Verfassungsschutz klassifizierte Inhalte beider Medien als "zum Teil äußerst fremdenfeindlich" und mit "antisemitischen Tendenzen". Es würden auch "verschwörungstheoretische Ansätze und eine pro-russische Ideologie vertreten", heißt es 2016 in einem Dossier, das der Verfassungsschutz zum Kongress Verteidiger Europas anfertigte (pdf).

Als Initiator der Plattform unzensuriert.at gilt Martin Graf, damals, im Jahr 2009, dritter Nationalratspräsident der FPÖ, seit November 2017 wieder FPÖ-Parlamentarier. Chefredakteur der Seite war bis vor wenigen Monaten Alexander Höferl. Mit dem Regierungseintritt der FPÖ wechselte er als Kommunikationschef ins Innenministerium Herbert Kickls. In einer Undercover-Reportage von RTL gab Höferl zuvor Einblicke in sein Verständnis von Journalismus. In seiner Funktion als Chefredakteur wurde er gefragt, welches Ziel er mit der Gründung von unzensuriert.de verfolge, dem Pendant in Deutschland: "Wir machen ja nicht dieses Medium, weil uns am unabhängigen Journalismus so sehr gelegen ist, sondern weil wir diese politischen Bewegungen in gewisser Weise unterstützen wollen", sagte er. Was in Österreich die FPÖ ist, sei in Deutschland die AfD.

Reichsbürgerbingo

FPÖ und AfD sind auch jene zwei Parteien, die im Mittelpunkt von Blankscheins publizistischer Auseinandersetzung stehen. Sein Dogma: "Menschenrechte verteidigen gegen Rechtspopulismus und Rechtskatholiken." Als österreichische Rechtsvertretung hat Blankschein die Kanzlei Jarolim Partner Rechtsanwälte vom SPÖ-Abgeordneten Hannes Jarolim engagiert. In der Klagserwiderung verteidigt Blankschein sein Vorgehen so: Es sei ihm bei der Verwendung der Screenshots nicht um Illustrationszwecke gegangen, sondern um "Bildzitate" und darum, "Aussagen zu untermauern bzw. Tatsachen zu belegen". Nämlich, dass Herbert Kickl einer der Redner beim rechtsextremen Kongress war. Gegenstand der Klage ist auch, dass Blankschein das Foto mit Kickl bearbeitet hat – in "künstlerischer Form als Comic", argumentiert der Beklagte.

Anzeige bei der Staatsanwaltschaft

Klein beigeben werde er im Urheberrechtsstreit jedenfalls nicht, betont Blankschein im Gespräch mit dem STANDARD. Ganz im Gegenteil: Er hat Lizar bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen falscher Zeugenaussage angezeigt. Lizar habe in seiner Klage vermerkt, dass er 2016 der Info-Direkt VerlagsGmbH die Nutzung der Fotos gestattet habe. Diese sei allerdings erst 2017 gegründet worden, sagt wiederum Blankschein mit Verweis auf das Firmenbuch. Zuvor habe es einen anderen Rechtsträger gegeben. Die Staatsanwaltschaft sieht hier aber keinen Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung. Sie leitet kein Ermittlungsverfahren ein. In der Causa Fotorechte liegt der Ball vorerst noch bei den Anwälten. Einen Verhandlungstermin vor Gericht gibt es noch nicht.

Reihe an Klagen und Streitereien mit Medien

Neu sind Klagen im Umfeld der FPÖ und juristische Scharmützel ihrer Protagonisten mit Medien jedenfalls nicht. Die Klage und der letztendlich außergerichtliche Vergleich zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und ORF-Moderator Armin Wolf ist nur das jüngste Beispiel einer Reihe an Prozessen mit FPÖ-Beteiligung. ORF-3-Chefredakteurin Ingrid Thurnher ging aufgrund eines Facebook-Postings gegen den Kärntner FPÖ-Landtagsabgeordneten Harald Trettenbrein vor. Bereits vor zwei Jahren wehrte sich "Kurier"-Fotograf Jürg Christandl mit Erfolg gegen eine Behauptung Heinz-Christian Straches und Johann Gudenus‘, Wiener FPÖ-Chef, dass er eine Aufnahme mit Flüchtlingen inszeniert habe. Gegen Vorwürfe der FPÖ gewehrt hatten sich auch "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk oder ORF-Redakteur Ed Moschitz. Nach jahrelangem Rechtsstreit nach seiner "Am Schauplatz"-Reportage über Neonazis bekam Moschitz 2017 vom Oberlandesgericht Wien eine Entschädigung in der Höhe von 17.000 Euro zugesprochen. Die FPÖ musste auch Moschitz‘ Anwaltskosten zahlen – laut seinen Angaben über 29.000 Euro. (Oliver Mark, 30.3.2018)