Der Anteil der Katholiken nimmt stetig ab – und die, die katholisch sind, sind weniger fromm. Ihr Wahlverhalten ist aber konstant geblieben.

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Wenn am kommenden Wochenende das höchste Fest des Christentums begangen wird, wird nur eine kleine Minderheit der Menschen in Österreich aus diesem Anlass den Weg in die Kirche finden. Ein Grund dafür ist, dass der Anteil der Menschen mit christlichem Glaubensbekenntnis schrumpft. Die römisch-katholische Kirche etwa hatte hierzulande 2016 knapp 5,2 Millionen Mitglieder – das sind rund 59 Prozent der Bevölkerung. 2003 waren es immerhin noch 71 Prozent (Quelle hier).

Aber nicht nur der rückläufige Anteil an Christen lässt die Kirchen leerer werden, selbst unter den Personen mit römisch-katholischem Bekenntnis wird der regelmäßige Messbesuch seltener. Im Jahr 2003 wurden beim sogenannten Zählsonntag in der Fastenzeit noch knapp 860.000 Messbesucher gezählt (15 Prozent aller Katholiken römischen Bekenntnisses) – im Jahr 2016 waren es nurmehr rund 540.000 (elf Prozent).

Diese Trends haben natürlich auch politische Konsequenzen. Traditionell war die ÖVP ab 1945 die politische Heimat des katholischen Lagers. Besonders praktizierende Katholiken waren der Volkspartei politisch stark verbunden.

Wie die Grafik zeigt, hat diese Verbundenheit auch in den vergangenen Jahrzehnten nicht abgenommen. In den vier dargestellten Befragungen (European Values Study und European Social Survey) zwischen 1990 und 2017 wählt jeweils rund die Hälfte der regelmäßigen Kirchgänger (mindestens einmal im Monat) unter den Katholiken die ÖVP. Im selben Zeitraum aber halbiert sich der Anteil der regelmäßigen Kirchgänger unter den römisch-katholischen Befragten von 52 auf 26 Prozent.

Während also sowohl der Anteil der Katholiken an der Wählerschaft als auch der Anteil der regelmäßigen Messbesucher unter den Katholiken stark zurückgegangen ist, ist der Effekt von Messbesuch auf das Wahlverhalten seit Jahrzehnten praktisch konstant. Es gibt demnach heute weniger praktizierende Katholiken als früher – aber die, die es noch gibt, sind im gleichen Maß der ÖVP verbunden wie vor 30 Jahren.

Dieses Beispiel zeigt einen wichtigen Mechanismus für politische Veränderungen auf. Langfristige Verschiebungen im Wahlverhalten kommen nicht immer dadurch zustande, dass eine bestimmte soziale Gruppe ihre politischen Präferenzen ändert. Allein dadurch, dass der Anteil einer Gruppe an der Wählerschaft mit der Zeit stark zu- oder abnimmt (Bauern, Gewerkschaftsmitglieder, Arbeiter, höher Gebildete, Pensionisten, …), kann die politische Bedeutung einer gesellschaftlichen Konfliktlinie steigen oder sinken. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 30.3.2018)