Martin Grunwald, "Homo hapticus. Warum wir ohne Tastsinn nicht leben können".
304 Seiten / 20,60 Euro.
Droemer Knaur 2017

Cover: Droemer

Es gibt Bücher, die sollten Pflichtlektüre sein: Homo hapticus zum Beispiel. 300 Seiten, in denen es um das wichtigste und am wenigsten erforschte Sinnesorgan des Menschen geht: den Tastsinn. Geschrieben hat es der Hirnforscher Martin Grunwald, der in Leipzig ein Haptiklabor betreibt und seine Erkenntnisse in gut lesbarer Art und Weise zusammengefasst hat.

Schon nach ein paar Seiten ist klar: Der Tastsinn ist so allumfassend, dass er sich der rationalen Vorstellungskraft entzieht. Ein Wunderwerk der Natur, das jeder ganz intuitiv kennt. Das Buch sollten Eltern lesen: Denn Grunwald beschreibt die Entwicklung des Nervensystems, der Schaltstelle des Fühlens, das als erster Sinn des Menschen bereits im Mutterleib existiert, sich zeitlebens entwickelt und bis zum letzten Atemzug von zentraler Bedeutung ist. Magersucht etwa ist eine sensorische Störung, sagt Grunwald, von der die Selbstwahrnehmung betroffen ist.

Beziehungen prägen

Die Lektüre könnte aber auch Ärzte, Pflegekräfte, Kindergartenpädagogen, Lehrer ihre Arbeit neu überdenken lassen. Denn Berührungen (oder Nichtberührungen) prägen Beziehungen. Vor allem ältere Menschen, so Grunwald, leiden unter dem Mangel an Berührungen, viele kaufen sich ein Haustier, um dieses Manko zu kompensieren.

Auch dem Schmerzempfinden ist ein Kapitel gewidmet. Männer und Frauen fühlen tatsächlich unterschiedlich. Wehleidigkeit hat anatomische Ursachen. Haut, Muskeln, Knochen und Gehirn sind bei schmerzempfindlichen Menschen viel stärker miteinander vernetzt als bisher angenommen. Gut zu wissen, wie sehr. (Karin Pollack, 26.5.2018)