Baden im Blütenstaub: Honig- wie auch Wildbienen brauchen kein ausgefallenes Menü, ganz gewöhnliche Wiesenpflanzen wie Rotklee und Schafgarbe tun es auch.

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Graz/Zürich – Es ist jedes Jahr dasselbe Spiel: Kaum hat die noch blasse Aprilsonne Stadt und Land ein wenig aufgewärmt, erscheinen die geflügelten Frühlingsboten. Honigbienen treffen bereits scharenweise bei den Weidenkätzchen ein, während ihre wilden Verwandten noch einzeln aus den Winterverstecken hervorkriechen. Auf der Suche nach geeigneten Nistplätzen schweben Hummelköniginnen schwerleibig über den Waldboden. Das große Summen hat begonnen.

Bis zum Herbst sollte es, zusammen mit dem Vogelgesang, die Begleitmusik der schönen Tage sein, doch leider scheint das Milliardenorchester schon seit Jahren leiser zu werden. Fachleute schlagen Alarm: In weiten Teilen Europas herrsche Insektenschwund, berichten Studien. Besonders das Bienensterben wird breit diskutiert. Die Folgen könnten enorm sein – und nicht nur der Landwirtschaft teuer zu stehen kommen.

An der Vielfalt dürfte es eigentlich nicht liegen. Allein in Österreich kommen rund 700 verschiedene Apoidea-Arten, sprich Bienenspezies, vor, wie der Biologe Robert Brodschneider von der Universität Graz erläutert. Die Hummeln mit 48 Arten werden dieser Gruppe zugerechnet. Von der kultivierten Westlichen Honigbiene, Apis mellifera, leben hierzulande circa 350.000 Völker in der Obhut von Imkern.

Kaum Daten über Wildbienen

Derzeit schwankt die Wintersterblichkeit zwischen zehn und 20 Prozent. Verursacht wird diese relative hohe Verlustrate unter anderem durch parasitische Varroa-Milben. Trotzdem bleibt die Zahl der Völker in Österreich dank der menschlichen Fürsorge in etwa stabil, erklärt Brodschneider. "Da muss man sich noch keine Sorgen machen."

Wie es allerdings um die wildlebenden Arten bestellt ist, wisse niemand so genau. Viele stehen auf der Roten Liste, weil ihre bevorzugten Lebensräume und Futterpflanzen rar geworden sind, aber verlässliche Daten über die Populationsentwicklungen fehlen meist. "Sie haben keine Fürsprecher", sagt Brodschneider. Kaum einer interessiert sich für Wildbienen, außer natürlich ein paar Entomologen und Naturschützer.

Eine schweizerisch-italienische Forschergruppe hat sich der Problematik nun aus einem anderen Blickwinkel angenommen. Die Experten wollten wissen, welche Pflanzenarten für die Bienenfauna als Nahrungsquellen die wichtigsten Rollen spielen. So manche Blume könnte bei vielen besonders beliebt sein, vermutete man. Als Testareale wählten die Wissenschafter 64 verschiedene Wiesen, Buntbrachen (mit Wildkräutern angesäte Ackerflächen) und Grünstreifen von Hecken im Rafzerfeld und angrenzenden Gebieten nördlich von Zürich aus.

Registrierter Blütenbesuch

Die Flächen wurden eine Vegetationsperiode lang regelmäßig untersucht, jeder beobachtete Blütenbesuch von Bienen wurde exakt notiert. Insgesamt registrierten die Biologen 3507 solche Interaktionen, wie sie im Journal of Applied Ecology berichten. Kultivierte Honigbienen stellten mit 2277 Visiten die Mehrzahl der Besucher, doch es waren auch noch weitere 68 Bienenspezies unterwegs – darunter 18 Arten von der Roten Liste. Das gesamte Arteninventar der Region umfasst ungefähr 80 verschiedene Bienenspezies, sagt Studienautor Louis Sutter, Wissenschafter am eidgenössischen Forschungsinstitut Agroscope.

Die anschließende statistische Analyse der Daten hielt noch eine Überraschung parat. Das Team hatte die beobachteten Bienen in drei Kategorien unterteilt. Neben den Honigbienen und den seltenen Spezies gab es auch diverse häufige und landwirtschaftlich wichtige Wildarten wie die Ackerhummel (Bombus terrestris). Die Forscher verglichen die von den unterschiedlichen Gruppen bevorzugten Blüten und stellten fest, dass es tatsächlich deutliche Überlappungen gibt.

Rotklee (Trifolium pratense) zum Beispiel ist sowohl bei den seltenen Bienen als auch bei Ackerhummel und Co äußerst beliebt. Letztere wiederum teilen sich die Wiesenflockenblume (Centaurea jacea) oft mit den Honigbienen, und die Schafgarbe (Achillea millefolium) wird von Vertretern aller drei Gruppen frequentiert. Viel wichtiger ist jedoch das relativ kleine Artenspektrum aller häufig besuchten Futterquellen. Nur 17 verschiedene Pflanzenspezies reichen anscheinend aus, um dutzenden Bienenarten ein Auskommen zu bieten. Und darunter sind keine speziellen, seltenen Pflanzen, wie Louis Sutter betont.

Die Studienergebnisse dürften Artenschützer nun erfreut aufhorchen lassen. Der Löwenanteil der mitteleuropäischen Bienenfauna braucht offenbar kein besonders abwechslungsreiches Nahrungsangebot, ein überschaubares Sortiment an Allerweltspflanzen genügt, um eine große Artenvielfalt aufrechtzuerhalten. Das ließe sich durch relativ einfache Maßnahmen auch in intensiv genutzten Agrarlandschaften umsetzen. Buntbrachen und dergleichen machen den Unterschied. Bestimmte Risikofaktoren seien dennoch zu berücksichtigen, meint Robert Brodschneider. "Blühstreifen können womöglich auch zu ökologischen Fallen werden" – falls sich dort Pestizide sammeln. Aus der Futteroase würde dann schnell ein vergifteter Brunnen.

Unterschiedliche Förderung

Louis Sutter weist noch auf weitere Aspekte hin. "Honigbienen und Wildbienen müssen grundsätzlich unterschiedlich gefördert werden", sagt der Experte. Durch die gemeinsame Nutzung mehrerer Blütenarten könne eine Verdrängung wildlebender Spezies stattfinden. Deshalb sollte man vor allem im Juni, wenn das Nahrungsangebot auf Landwirtschaftsflächen knapp ist, im Umfeld von Naturschutzgebieten besser keine Bienenstöcke aufstellen.

Abgesehen davon brauchen Wildbienen nicht nur ausreichend Futter. Ohne geeignete Nistplätze können sie sich nicht fortpflanzen. Deshalb sollten in der Landschaft zum Beispiel auch Totholz, offene Bodenstellen und sogar leere Schneckenhäuser vorhanden sein, betont Sutter. Ausgeräumte Flure bieten solche Plätze kaum. Sie werden zu stummen Einöden. (Kurt de Swaaf, 5.4.2018)