Das ist nicht die Milchstraße, sondern die ihr sehr ähnliche Spiralgalaxie NGC 4565. Sie diente Forschern als Modell.
Foto: Ken Crawford

Liverpool – Etwa 100.000 bis 120.000 Lichtjahre misst unsere Heimatgalaxie im Durchmesser – Tendenz steigend. Denn die Milchstraße dürfte sich in einem zwar langsamen, aber konstanten Wachstumsprozess befinden, berichteten spanische Forscher auf der Europäischen Woche der Astronomie in Liverpool. Dieses Wachstum versuchten sie zu berechnen.

Während draußen im galaktischen Halo sowie in der zentralen Ausbuchtung der Milchstraßenscheibe alte Sterne dominieren, findet man junge und kurzlebige Sterne vor allem in der Scheibe selbst. An deren Rändern liegen aktive Sternentstehungsgebiete, die der Scheibe immer neue Sternsysteme hinzufügen und sie damit zumindest theoretisch größer werden lassen müssten.

Ausweichziele

Da wir uns selbst in der Milchstraße befinden, lässt sich dieser Prozess leider kaum mitverfolgen. Die Astronomen um Cristina Martínez-Lombilla vom Instituto de Astrofísica de Canarias nahmen daher der Milchstraße ähnliche Galaxien ins Visier, um aus den Beoabchtungsdaten Rückschlüsse auf die Prozesse zu gewinnen, die auch um uns herum ablaufen dürften. Mit den Weltraumteleskopen Spitzer und GALEX und dem Bodenteleskop des Sloan Digital Sky Survey wurde daher unter anderem die 30 bis 50 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie NGC 4565 beobachtet, die in Form und Größe der Milchstraße stark ähnelt.

Kompositbild von NGC 4565: Das Wachstum dieser Galaxie soll dem unserer Milchstraße entsprechen.
Foto: C. M. Lombilla / IAC

Die Untersuchungen wurden im Bereich des sichtbaren Lichts sowie im nahen Infrarot und nahen Ultraviolett durchgeführt. Die Forscher interessierten sich für die Farben der Sterne, insbesondere für die jungen, blau leuchtenden Exemplare. Bei solchen Sternen wurden ihre "vertikalen" Bahnen von der Scheibe weg berechnet – so sollte festgestellt werden, wie rasch sich neue Sterne vom Ort ihre Entstehung entfernen und so die galaktische Scheibe ausdehnen.

Die Kalkulation ergab einen Wert, der nicht sonderlich beeindruckend klingt: Die durchschnittliche Wachstumsrate milchstraßenähnlicher Spiralgalaxien betrage 500 Meter pro Sekunde. Auf unsere Heimatgalaxie übertragen, würde das bedeuten, dass sie in drei Milliarden Jahren fünf Prozent größer sein wird als heute.

Kannibalismus

Diese kontinuierliche Ausdehnung ist freilich nicht das, was eine Galaxie tatsächlich vom Baby zur Riesin werden lässt – dafür sorgen Kollisionen und Verschmelzungen mit anderen Galaxien. Die Milchstraße hat sich seit ihren bescheidenen Anfängen nicht allzu lange nach dem Urknall schon eine ganze Reihe kleinerer Sterneninseln einverleibt. Die erst 2003 als Reststruktur identifizierte Canis-Major-Zwerggalaxie beispielsweise ist nahezu vollständig in der Milchstraße aufgegangen.

Too big to fail: Die Andromedagalaxie wird sich nicht einfach verschlucken lassen.
Foto: APA/AFP/YE AUNG THU

In etwa vier Milliarden Jahren wird sie allerdings mit einem Brocken konfrontiert werden, den sie nicht einfach verschlingen kann: Dann sollen nämlich die Milchstraße und die etwas größere Andromedagalaxie miteinander kollidieren. Wenn sich das Chaos der gegenseitigen Durchdringung gelegt hat, dürften die beiden am wahrscheinlichsten zu einer elliptischen Galaxie verschmelzen. (red, 10. 4. 2018)