In Wiener Volksschulen dürfte das Tragen des Kopftuches, gegen das die Regierung jetzt per Gesetz vorgehen will, kein Massenphänomen sein. Vom STANDARD kontaktierte Direktorinnen und Direktoren großer Wiener Volksschulen berichten von ein bis maximal vier Schülerinnen, die auch im Unterricht ein Kopftuch tragen. Die meisten wollen anonym bleiben.

"Meine Sorge ist, es entsteht dann der Irrglaube, dass dann alles gut ist!", sagt ein Volksschuldirektor.
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Anonym, Volksschuldirektor in Wien

"An meiner Schule betrifft das nicht einmal ein Prozent der Kinder. Wir haben hier drei bis vier Mädchen, die ein Kopftuch tragen. Zahlenmäßig ist das kein Thema. Das ist eine Symboldiskussion, da stecken eine Reihe anderer Integrationsthemen dahinter. Die eigentliche Diskussion ist ja die über mangelnde Integrationsbereitschaft beziehungsweise über fehlende Integrationsmöglichkeiten.

Trotzdem sehe ich die geplante Maßnahme positiv, und zwar aus einer feministischen Perspektive: Damit werden die Mädchen gestärkt. Es kann aber nur ein erster Schritt sein. Meine Sorge ist, es entsteht dann der Irrglaube, dass dann alles gut ist! Wenn das Gesetz so kommt, rechne ich nicht mit Problemen bei der Umsetzung. Als das Vermummungsverbot in Kraft getreten ist, hat die einzige Mutter, die davor auch Gesichtsschleier getragen hat, diesen abgelegt. Die Tochter hat dann in der Schule erklärt: "Allah hat mit meiner Mama gesprochen, sie darf jetzt nur mehr Kopftuch tragen."

Schon bisher haben wir zum Thema Kopftuch das Gespräch mit den Eltern gesucht. Im Turnunterricht tragen die Mädchen schon aufgrund der Sicherheitsvorschriften entweder ein anderes Tuch oder keines. Wenn Buben, weil sie das woanders hören, Druck auf die Mädchen machen, führen wir ein klärendes Gespräch mit ihnen, das funktioniert dann auch."

"Natürlich gibt es immer wieder kleine Scharmützel", etwa beim Thema Sexualität, erklärt Volksschuldirektorin Reinhilde Feitl.
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Reinhilde Feitl, Volksschuldirektorin Wien

"Wir haben hier in der Jagdgasse (10. Bezirk, Anm.) null Kinder mit Kopftuch, obwohl wir viele Kinder mit islamischem Glauben haben. Ich bin jetzt seit 14 Jahren hier am Schulstandort und ich kann mich nur an ein Gespräch erinnern, bei dem das Tragen des Kopftuchs ein Thema war. Das ist aber schon einige Jahre her. Das ist also nicht wirklich ein Problem in unserem Schulalltag. Überhaupt glaube ich, dass das in der Volksschule nur vereinzelt ein Thema ist – in der Sekundarstufe eins aber sehr wohl.

Ein Verbot halte ich trotzdem für gescheit. Das wäre richtungsweisend. Man hat dann ein Instrument bei den Gesprächen mit den Erwachsenen in der Hand. Denn natürlich gibt es immer wieder kleine Scharmützel, etwa was das Thema Sexualität anlangt oder die Frage: Wie kleidet sich eine islamische Frau? Das kommt aber nicht von den Kindern. Da prallen dann die Vorstellungen der Eltern mit jenen der Schule aufeinander."

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"Die Schülerin aus der ersten Klasse hat vor allem das Problem, dass das Kopftuch juckt", heißt es von einem Volksschuldirektor aus Wien.
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Anonym, Volksschuldirektor in Wien

"Ich habe hier über 500 Schüler an einer sogenannten Brennpunktschule, mehr als die Hälfte von ihnen mit Migrationshintergrund. Nur zwei Schülerinnen tragen ein Kopftuch – die eine ist sechs Jahre als, die andere zehn. Und die fühlen sich offensichtlich dazu gezwungen. Die Klassenlehrerinnen berichten mir etwa, wie unangenehm es für die Viertklässlerin ist, wenn die anderen Kinder sie fragen, warum sie ein Kopftuch trägt. Auch dass sie es im Turnunterricht abnehmen muss, beschert ihr Unbehagen. Sie wird durch das Tuch zur Außenseiterin. Die Schülerin aus der ersten Klasse hat vor allem das Problem, dass das Kopftuch juckt.

Mit den Eltern haben wir das Gespräch gesucht, aber die bestehen darauf. Wir haben hier an der Schule viele islamische Eltern, die total gut integriert sind. Aber dieser eine Vater hat während des Gesprächs den Koran zitiert. Meine Befürchtung war, dass immer mehr Schülerinnen mit dem Kopftuch in die Schule kommen würden, wenn die beiden Mädchen eines tragen, aber das ist nicht geschehen.

Vielleicht auch, weil ich den islamischen Religionslehrer gebeten habe, das zum Thema zu machen. Meiner Meinung nach wäre das geplante Kopftuchverbot trotzdem hilfreich, denn Kinder sollen Kinder bleiben dürfen. Ich sehe es als eine Art Starthilfe, später können sich die Mädchen immer noch dafür entscheiden." (Karin Riss, 5.4.2018)