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Mark Zuckerberg wird am Mittwoch nächster Woche im US-Kongress in Washington Rede und Antwort stehen, zunächst vor dem Energie- und Handelsausschuss des Repräsentantenhauses. Seit bekannt geworden ist, dass die Politikberatungsfirma Cambridge Analytica die Daten von rund 87 Millionen Facebook-Nutzern missbraucht hat, um sie für den Wahlkampf Donald Trumps auszuwerten, wächst der politische Druck. Demokraten wie Republikaner haben den 33-Jährigen aufgefordert, zu Anhörungen im Kongress zu erscheinen. Auch vor einem Komitee des Senats, der kleineren Kammer, soll er aussagen, wobei der Termin noch offen ist. Was ihn an Fragen erwartet, hat der Senator Ron Wyden in einem offenen Brief an den Konzernchef bereits angedeutet.

Ähnliche Fälle auflisten

Ob Facebook irgendetwas getan habe, um jene Nutzer zu identifizieren und sie zu informieren, will der Politiker aus dem Pazifikstaat Oregon wissen. Und ob es im Lauf des vergangenen Jahrzehnts ähnliche Fälle gegeben habe. Falls ja, möge Zuckerberg sie lückenlos auflisten und erklären, was er gegen Regelverstöße unternommen habe.

Spitze des Eisbergs

Dass der Druck steigt, lässt sich auch daran erkennen, dass sich Pioniere der sozialen Netzwerke nicht länger scheuen, den Finger in die Wunde zu legen. Chris Hughes, der sich in Harvard eine Studentenwohnung mit Zuckerberg teilte und mit an der Wiege von Facebook stand, spricht von einem echten Wendepunkt. Der Skandal um Cambridge Analytica, sagte Hughes dem Radiosender NPR, sei nur die Spitze des Eisbergs. Wenn ausländische Mächte Wahlen manipulierten, wenn digitale Nachrichtenströme so organisiert würden, dass man die schrillsten Stimmen belohne, habe Facebook in mehrfacher Hinsicht versagt. Es sei höchste Zeit, die Defizite ehrlich zu benennen.

Kritik aus dem Silicon Valley

Brian Acton, Mitgründer des von Zuckerberg übernommenen Diensts Whatsapp, unterstützt gar eine Kampagne, die unter #deletefacebook dazu aufruft, das eigene Konto bei dem Netzwerk zu löschen. Elon Musk, der sich seit längerem mit dem Milliardärskollegen aus dem Silicon Valley befehdet, hat genau das für seine Firmen Tesla und Space X getan. Tim Cook, Steve Jobs' Nachfolger an der Spitze von Apple, charakterisiert das Recht auf Privatsphäre als grundlegendes Menschenrecht. "Ich habe keine eigenen Kinder, aber einen Neffen. Ich will nicht, dass er soziale Netzwerke nutzt." Die Lage sei so ernst, dass sie womöglich eine gut durchdachte Regulierung erfordere. Es sind Töne, wie man sie vorher nur selten gehört hat aus den Hightech-Hochburgen der amerikanischen Westküste, deren Unternehmenslenker eher betonen, dass ihnen der Staat keine Fesseln anlegen dürfe.

Nicht nur Cook drängt auf mehr Transparenz bei den Anzeigen, damit Nutzer erkennen, wer diese Anzeigen bezahlt und an welche Zielgruppen sie sich richten. Facebook will das bis zur US-Kongresswahl im Herbst erledigt haben. Und um der Kritik die Spitze zu nehmen, übt sich Zuckerberg in Bescheidenheit. Von der Aura des Überfliegers, der sogar als Präsidentschaftskandidat des Jahres 2020 gehandelt wurde, ist im Augenblick nicht mehr viel zu spüren.

Zuckerberg zeigt Reue

Zum einen hat er sich für den Skandal um Cambridge Analytica entschuldigt, zum anderen versprochen, Apps von Dritten genauer unter die Lupe zu nehmen. Zudem will er es der Facebook-Gemeinde erleichtern, ihre Datenschutzeinstellungen zu verwalten. Für ihn sei klar, dass soziale Vernetzung an sich nicht immer positiv sei, lässt er Nachdenklichkeit erkennen. Zweifellos stehe Facebook in der Verantwortung, wenn es zu verhindern gelte, dass Nutzer "üble Dinge tun, wenn sie sich gegenseitig beschimpfen", sagte er in einem Interview mit der Online-Plattform Vox. Er denke an eine Art Oberstes Gericht für soziale Medien, das in letzter Instanz darüber entscheide, welche Art von Sprache akzeptabel sei und welche nicht.

Sucht und Datensammlung

Sein Geschäftsmodell aber, das ist die Crux, gedenkt er nicht ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen. Ein Modell, das auf drei Säulen ruht. Erstens, so formuliert es Hughes, sein College-Kumpel, sollen die Leute, so oft es nur geht, zu ihren Smartphones greifen und sich bei Facebook einloggen. Zweitens hilft intensive Nutzung, Daten über ihr Verhalten zu sammeln. Drittens sollen Werbekunden Milliarden ausgeben, um sie mit gezielter Reklame zu erreichen. Es gibt Anzeichen dafür, dass das Modell nicht für alle Ewigkeit trägt. Seit Juni 2017 stagniert die Zahl der amerikanischen Facebook-Nutzer. In diesem Jahr, prophezeien Experten, dürfte der Anteil des Unternehmens am digitalen Werbeaufkommen zum ersten Mal zurückgehen.

Auf Werbung basierend sei rational

Hughes rät Zuckerberg denn auch zum Kurswechsel, zumal aus seiner Sicht beim bisherigen "Kostenlos-Ansatz" die Nachteile die Vorteile überwiegen. "Ich weiß nicht, wie viele wirklich begreifen, dass ihre Verweildauer in ein Paket gepackt und an die Werbebranche verkauft wird", gibt er zu bedenken. Er für seinen Teil würde lieber ein paar Dollar im Monat bezahlen, um einen anderen Ansatz zu wählen.

Dass Zuckerberg bereit ist, auf den Rat seines Ex-Kommilitonen zu hören und echte Konsequenzen zu ziehen, lässt er bislang nicht erkennen. "Die Realität ist: Wenn du einen Dienst aufbauen willst, der dazu beiträgt, jeden in der Welt zu vernetzen, wird es eine Menge Leute geben, die dafür nicht zahlen können", hat er bei Vox argumentiert. Folglich sei eine auf Werbung basierende Geschäftsstrategie die einzig rationale. "Wenn du etwas willst, das nicht nur reichen Menschen dient, dann brauchst du etwas, was sich die Leute leisten können." (Frank Herrmann aus Washington, 4.4.2018)