Eine kleine Demonstration der uniformierten Fitness beim Recruiting-Day in der Wiener Polizeidirektion.

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Wien – "Sogar Bachelor könnt ihr werden, und ich meine jetzt nicht den aus der RTL-Show. Dann habt ihr Gold auf der Schulter und mehr Kohle auf dem Konto." Zoran Y. (Name geändert) sorgt oft für Lacher im Publikum. Der Fahnder von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) hat die Aufgabe übernommen, bei jungen Menschen das Interesse an der Polizei zu wecken. Was er gerade angepriesen hat, ist der Fachhochschullehrgang, der aus Polizisten Polizeioffiziere macht.

Fast 500 Interessierte haben sich bei bisher zwei Recruiting-Days in der Wiener Polizeidirektion am Schottenring über den Exekutivdienst informiert. Und die nächste Veranstaltung ist bereits ausgebucht. Zoran Y. macht zwar allen Hoffnungen, verschweigt aber die Schattenseiten nicht: "Ihr Leben wird sich komplett verändern. Immer wenn etwas Schlimmes passiert, sind Sie die ersten Ansprechpartner."

Kein reiner Schreibtischjob

Jürgen K. aus Bruck an der Leitha ist darauf gefasst. Der 19-Jährige will unbedingt zur Polizei. Er will "etwas Sinnvolles machen, keinen reinen Schreibtischjob". Die Berufsfeuerwehr hätte den sportlichen Schulabgänger auch interessiert, "aber dort kommt man nur schwer rein".

Bei der Polizei hingegen stehen die Chancen so gut wie nie zuvor. Nach der Ankündigung der Regierung, bis 2021 mehr als 4.000 Polizisten aufzunehmen, läuft die Offensive auf Hochtouren. Bei allen größeren Events sind Recruiting-Teams in Uniform anzutreffen, selbst beim Formel-1-Rennen in Spielberg Anfang Juli wird die Werbetrommel gerührt.

Kein Alterslimit

Zu den Infotreffen in der Wiener Polizeizentrale kommen, weil es kein Alterslimit mehr für Einsteiger gibt, vermehrt auch 30- bis 40-Jährige. Yanina K. ist 33, hat ein "fast abgeschlossenes Dolmetschstudium" und will ihre Fremdsprachenkenntnisse (Türkisch, Englisch, Französisch) in den Dienst der Staatsgewalt stellen. Der derzeit älteste Polizeischüler in Wien ist 50 Jahre alt.

Vorkenntnisse muss niemand mitbringen, was Polizistinnen und Polizisten wissen müssen, lernen sie in der zweijährigen Grundausbildung. Aber dorthin muss man erst einmal kommen – der Aufnahmetest ist auch Thema Nummer eins beim Recruiting-Day. Die Durchfallquote liegt bei 30 Prozent. In einzelnen Durchgängen schafften es acht von zehn Bewerbern nicht.

Mangelnde Deutschkenntnisse

Neben den Fitnessvorgaben erweisen sich vor allem die geforderten Deutschkenntnisse als eine hohe Hürde. Jeder dritte Bewerber weiß etwa nicht, was richtig ist: "Kaffehaus", "Kaffeehaus", "Caffehaus" oder "Cafeehaus". Auch mit den s und f in "Flussschifffahrt" gibt es Probleme. Und viele lassen den Dativ dort hochleben, wo er nichts verloren hat. Die sprachlichen Anforderungen sollen aber trotzdem nicht nach unten nivelliert werden, heißt es im Innenministerium.

Nur der Zeitraum, in dem das mehrstufige Auswahlverfahren absolviert wird, werde von fünf auf zwei Monate reduziert. Was den Bewerbern weniger Trainingszeit für den Sporttest zum Schluss verschafft. Die erforderliche Fitness orientiert sich an Alter und Geschlecht: Männer unter 30 müssen beispielsweise 3000 Meter in 15:15 Minuten laufen (Frauen: 17:45), mit Mitte 40 werden nur mehr 18:15 Minuten (Männer) beziehungsweise 21 Minuten (Frauen) erwartet.

Liegestütze und Tattoos

Junge Männer müssen mindestens 15 Liegestütze schaffen (Frauen sieben), in der Generation 50 plus müssen Männer zehn und Frauen sechs Liegestütze durchhalten. Diese Limits sind Mindeststufen. Wer in allen sportlichen Kategorien nur das Minimum erreicht, fällt durch. Wer nicht schwimmen kann, ist ebenfalls raus.

Gelockert werden die Bestimmungen für Tattoos. "Voll’peckt geht sicher nicht", warnt Zoran Y. von der EGS mögliche künftige Kolleginnen und Kollegen. Aber eine Tätowierung per se ist laut Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) kein Ausschließungsgrund mehr. Gemeint sind kleine Kunstwerke auf der Haut, die etwa von kurzärmeligen Sommeruniformhemden nicht verdeckt werden – allerdings wird jedes Tattoo einer dienst lichen Einzelfallprüfung unterzogen. Totenköpfe, gewaltverherrlichende Motive oder verfassungsrechtlich bedenkliche Abbildungen bleiben verboten.

Führerschein B ist Pflicht

Nach den Vorträgen im großen Saal der Wiener Polizeidirektion stehen noch dutzende Beamte für Fragen zur Verfügung. Dass die österreichische Staatsbürgerschaft Voraussetzung ist, verstehen die meisten Besucher, aber mit einem verpflichtenden B-Führerschein haben wenige gerechnet. Manche sind zur Einsicht gelangt, dass die Polizei doch nichts für sie ist, andere kämpfen sich bereits durchs Anmeldeformular. (Michael Simoner, 6.4.2018)