Wer sich dem Rock 'n' Roll verschreibt, begibt sich auf eine Gratwanderung. Da darf man sich für nichts zu gut sein. Marco Michael Wanda hat damit kein Problem.

Foto: Stefan Armbruster

"Bussi Baby" vom zweiten Album "Bussi".

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"Meine beiden Schwestern" vom zweiten Album "Bussi".

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Wanda 2017 live beim Lollapalooza-Festival in Berlin.

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Amore – der Titel des Debütalbums von Wanda ist ein Bekenntnis zum Zwischenmenschlichen. Das ausgestellte Halodritum der Band signalisiert gleichzeitig, dass mit Amore nicht unbedingt der Treueschwur der Ehe gemeint ist. Nicht erst der Tod scheidet, man kann sich nach einer Nacht schon auseinandergelebt haben.

Bilderbuch – ebenfalls eine österreichische Gruppe, der etwa zeitgleich mit Wanda der Durchbruch gelang. Sie wird deshalb oft mit Wanda in einem Atemzug genannt, ist aber nur etwa ein Fünftel so erfolgreich, wenn überhaupt. Dafür ist sie musikalisch interessanter, wenngleich die Bilderbuchtexte – per definitionem ein Widerspruch – die Sinnfrage nur selten beantworten.

Gassenhauer – das Metier von Wanda. Gassenhauer bezeichnen leicht mitzusingende und eingängige Lieder. Die Klasse so eines Gassenhauers zeigt sich im Konzert, wenn zehntausend feuchte Amateurkehlen das heißere Zugpferd auf der Bühne zumindest für die Dauer eines Refrains entlasten. Auch Zugpferde müssen hin und wieder was trinken oder einen Tschick durchziehen: Rock 'n' Roll!

Italien – Sehnsuchtsort von Wanda. Das Land mit den Nudeln und der Pizza durchzieht das Werk der Band wie ein Po (der Fluss). Siehe Hits wie Bologna und Lascia Mi Fare sowie Breitseite zeigende Albumtitel wie Amore und Niente. Wer den familiären Wurzeln nicht entkommt, singt drüber.

"Bologna" vom ersten Album "Amore".
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Jelinek – bekannte österreichische Schriftstellerin mit Elvis-Frisur und Literaturnobelpreisträgerin. Oder ein Wiener Kaffeehaus oder ein Wanda-Lied. Eines mit Hinweisen auf das Maturaniveau und die mögliche Belesenheit der Band. Ein Gassenhauer mit Hirn, bei dem es trotzdem nur um Liebe geht. Muss ja.

Kuchwalek – der Ursprung des Bandnamens liegt im Wiener Rotlichtmilieu. Er ist entliehen bei der wilden Wanda. So wurde Wanda Kuchwalek gerufen, eine lesbische Zuhälterin aus dem zweiten Wiener Gemeindebezirk, der 2004 die Stunde schlug. Während der Strizzi-Tant' ein resches bis rabiates Wesen nachgesagt wurde, ist Wanda eigentlich eine romantische Mission: Rock 'n' Roll mit Schmusen.

Lederjacke – einst ein Symbol des Außenseitertums, heute trägt sie jede Friseurin und jeder Sachbearbeiter. Eine braune Lederjacke ist das Markenzeichen des Sängers Marko Wanda. Ein hässliches Teil im Design der 1980er, als Eltern ihren Kindern noch nicht Jacken, sondern Blousons kauften. Entsprechend schauten diese Machwerke der niederen Couture aus. Ungeachtet ihrer einfachen Herkunft wurde der Jacke schon eine museale Segnung zuteil: Sie war in der Ausstellung Ganz Wien – Eine Pop Tour. Hinter Glas natürlich, wegen ihres authentischen Odeurs.

Niente – so heißt das aktuelle Album der Band. Niente bedeutet auf Italienisch nichts. Das ist ein aufgelegter Elfer für die Neider der Band. Der österreichischen Eigenheit des Nörgelns versagen sich Wanda in ihrer Kunst: Wanda raunzen und sudern nicht. Zwar lassen sie ein Lebensgefühl hochleben, das man mit den grindigen 1970ern und 1980ern assoziiert, mit verrauchten Espressos und den dort sitzenden frühblauen Suderanten. Selbst partizipieren sie in dieser Disziplin nicht, wenngleich ihre Lieder Punktlandungen sind, zwischen vollen Aschenbechern und leeren Herzen. Und aus der Jukebox eiert ein Lamourhatscher.

"Weiter, weiter" vom dritten Album "Niente".
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Platte – ein Tonträger. Oft totgesagt, ist die Platte der einzige physische Tonträger unserer Zeit, der sich steigender Nachfrage erfreut. Das freut auch Wanda. Aber Platte beschreibt in ihrem Fall auch den sich lichtenden Hinterkopf des Sängers, der sich deshalb nicht viel scheißt: Was oben fehlt, lässt er sich einfach im Gesicht wachsen.

Redelsteiner – so heißt der Entdecker und frühere Manager der Band. Er hat im Herbst 2016 gekündigt. Die Motive liegen auf dem weiten Feld der persönlichen Gründe, sagt Stefan Redelsteiner. Neben Wanda hat er den Nino aus Wien und Stefanie Sargnagel entdeckt. Zurzeit arbeitet er daran, seine Schützlinge Voodoo Jürgens oder Fuzzman weltberühmt zu machen.

Schlager – eine tragende Säule im Werk der Band. Sender wie Radio Arabella oder Radio Wien spielten bei der Sozialisierung des Sängers eine wesentliche Rolle. In der Direktheit des Schlagers liegt der Keim des Erfolgs der Band. Sagt Michael Marco Fitzthum alias Marco Michael Wanda. Gleichzeitig besteht er darauf, dass Wanda Rockmusik spielen. Alles ist immer kompliziert.

7 – so viele Leute sollen beim ersten Wanda-Konzert 2012 im Publikum gewesen sein. Drei Jahre später spielte die Band bereits vor 300.000 Menschen im Jahr. Und 2018? Frage nicht. Die Konzerte der laufenden Tour sind meist ausverkauft, in Berlin füllte die Band die Max-Schmeling-Halle. Die hat eine Kapazität von knapp 12.000 Besuchern.

"Columbo" vom dritten Album "Niente".
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Tagesfreizeit – davon hat eine Band auf Tour zu wenig oder zu viel. Sie verbringt sie im Tourbus oder im Hotel. Wie qualitative Tagesfreizeit aussieht, davon singen Wanda. Zum Beispiel in ihrer Hitsingle Columbo. Nicht vor die Tür gehen. Zu Hause bleiben, im Pyjama mit der aktuellen Herzdame Columbo schauen. Der Mantel des TV-Ermittlers und Marco Wandas Frisur dürften sowieso über drei Ecken verwandt sein.

Verunglimpfung – Neid gilt als österreichischer Ausdruck der Anerkennung. Er äußert sich unter anderem in Namensspielchen. Im Falle von Wanda führt das zu halblustigen Kreationen wie "Wandahure" oder "Stevie Wanda". Was das mit der Band zu tun hat? Gute Frage.

Wiener Stadthalle – zum zweiten Mal füllen Wanda heute, Samstag, die Wiener Stadthalle. Sie ist die größte Mehrzweckhalle Österreichs mit einer Kapazität bis zu 16.000 Besuchern. Nur wenigen heimischen Musiker gelang es bisher, diesen akustischen Zwangskompromiss zu füllen: Wolfgang Ambros, Austria 3 oder, mit ein paar Sesseln im Saal, Hansi Hinterseer. (Karl Fluch, 7.4.2018)